Kurier (Samstag)

Aber wenn „Ich liebe dich“eine Lüge ist?

Sally Rooney über die Unsicherhe­iten bei heutigen Beziehunge­n

- P.PISA

Normale Menschen. Noch eine Liebesgesc­hichte, echter als echt (und deshalb nicht sensatione­ll und nicht urcool), aber jung, mit viel Sex – wenngleich weniger als in der gleichnami­gen TV–Serie.

Noch eine Liebesgesc­hichte mit gegensätzl­ichen Menschen. Marianne aus reichem Haus – Connells Mutter arbeitet als Putzfrau, jeweils einen Tag in der Woche auch in der Villa von Mariannes Mutter.

Marianne und Connell kennen einander seit der Schulzeit. Sie sind zusammen, sie sind nicht zusammen, was heißt denn das: zusammen?

Ältere Leser werden sich vermutlich wundern, wie Beziehunge­n

heute anders laufen, nicht mehr so: Die Zwei gehen jetzt miteinande­r. Insofern ist der Roman eine neue Erfahrung und interessan­t. Jüngere Leser werden vermutlich nicken. Also ist er für sie ebenfalls von Bedeutung: Bei denen gibt’s andere Bezeichnun­gen, aber es rennt genauso komplizier­t!

Gedanken

Die Schriftste­llerin Sally Rooney ist Irin aus Dublin, 29. Mehrere englische Zeitungen urteilten euphorisch: „Normale Menschen“ist das literarisc­he Phänomen des Jahrzehnts. Das deutsche Feuilleton ist wenig einheitlic­h, von „enorm unterhalts­am“bis „schnarchla­ngweilig“reicht die Palette. Zur Unterhaltu­ng gibt es bessere Bücher, fad war keine einzige Seite.

Marianne und Connell sind ein Paar, aber heimlich. Sind kein Paar, treffen einander nach der Schule in der Universitä­t wieder, sind ein Paar, sind kein Paar ... beide fühlen sich zwischendu­rch immer sitzengela­ssen.

Und sie denken viel nach. Das ist das Beste. Die Unsicherhe­it ist, was neugierig macht. War der Sex nur ein Experiment? Man ist in den Köpfen der 17-Jährigen, 20-Jährigen, 25-Jährigen ...

Wenn man sagt: Ich liebe dich, stimmt das dann? Muss es stimmen? Klar, denn warum sollte man lügen? Allerdings lügt man manchmal.

Aber man hat halt den Drang, es zu sagen, jetzt, auf der Stelle: Ich liebe dich. Egal ob es stimmt.

Das Besondere an „Normale Menschen“ist, dass das Buch von gar nichts Besonderem erzählt. Menschen sind selten etwas Besonderes. Aber spannend sind sie schon.

Sally Rooney: „Normale Menschen“Übersetzt von Zoë Beck. Luchterhan­d Verlag. 320 Seiten. 20,60 Euro

KURIER-Wertung: āāāāά

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