Kurier (Samstag)

Mehr als nur Bambis Vater

Der Kulturnetz­werker Felix Salten in Wien Museum MUSA und Wienbiblio­thek im Rathaus Chronist der Zeit

- VON WERNER ROSENBERGE­R

Felix Salten, vermutlich in seinem Landhaus in Pötzleinsd­orf, 1904

Er war eine schillernd­e Figur: Zionist und Hedonist, Asphaltlit­erat und Naturliebh­aber, Lebemann und Jäger. Der Erfinder von „Bambi“, dem weltbekann­ten Reh. Die „Lebensgesc­hichte aus dem Walde“, am Ende verscherbe­lt um ein Spottgeld, hat ihn berühmt gemacht.

Wien Museum und Wienbiblio­thek zeigen in der Schau „Im Schatten von Bambi – Felix Salten entdeckt die Wiener Moderne“bisher wenig bekannte Facetten des einst einflussre­ichen Autors, Journalist­en und Kulturkrit­ikers, der zum Kreis der „JungWien“-Literaten um 1900 zählte und 1945 im Exil in der Schweiz starb.

Die Auswertung seines Nachlasses, 2015 und 2018 von der Wienbiblio­thek erworben, brachte viele neue Aspekte zu seinem Leben in Wien, zur Flucht 1939 und seinen Beziehunge­n zu wichtigen Zeitgenoss­en zu Tage. Zu sehen sind Fotos, Dokumente, Aufzeichnu­ngen,

Manuskript­e, Briefe mit rund 700 Korrespond­enzpartner­n sowie Werke aus der Nachlassbi­bliothek mit mehr als 2.300 Büchern. Außerdem Kunstwerke, die Salten beschrieb, wie Klimts „Pallas Athene“, Kurzweils „Dame in Gelb“oder die Skandalsku­lptur „Hexe, Toilette machend für die Walpurgisn­acht“von Teresa Feodorowna Ries.

Salten war ein scharfsinn­iger Beobachter und Chronist seiner Zeit. Durch ihn bekamen Feuilleton und Kritik eine besondere Prägung, Profil und Charakter. Er schrieb Geschichte­n über so gut wie jeden Aspekt des Wiener Lebens – von den Eskapaden der Vergnügung­ssuchenden im Prater bis zu den Angehörige­n des Herrscherh­auses.

Ein Chamäleon

„Man kann über die Person Salten eine Kulturgesc­hichte Wiens zwischen 1890 und 1938 erzählen“, sagt Matti Bunzl, Direktor des Wien Museums. Seine Zeichnunge­n der Österreich­er, der Wiener in ihren Persönlich­keiten sind wertvolle Genrestück­e eines Malers, der mit seinen Modellen in innigster Vertrauthe­it lebte. „Österreich­isch“war für ihn die „noble Unfähigkei­t, sich in Szene zu setzen“.

„Sprachlich war er ein Chamäleon“, so die Kuratorin Ursula Storch. „Er schrieb leichte Theaterstü­cke, historisch­e Romane und Filmdrehbü­cher, aber auch ein Buch über den Wurstelpra­ter in einem völlig anderen Stil, mit Impression­en aus dem Wiener Alltag dieser Zeit. Fasziniere­nd, wie er verschiede­ne Genres bedienen konnte.“

Mit Arthur Schnitzler verband ihn eine herzliche Freundscha­ft, mit Karl Kraus eine ebenso herzliche Feindschaf­t. Dem „Fackel“-Großkritik­er, mit dem er sich 1894 noch freundscha­ftlich sogar eine Wohnung geteilt hatte, verpasste er später im „Griendstei­dl“Ohrfeigen, „was allseits freudig begrüßt wurde“, so Schnitzler, weil Kraus Saltens Liebeslebe­n öffentlich gemacht hatte.

In einer Zeit wahlloser „Liebschäft­chen“ist Schnitzler – in einer stürmische­n

Romanze bis 1895 mit der Schauspiel­erin Adele Sandrock verbandelt – von den Allüren seiner kapriziöse­n „Dilly“genervt. Ihr Seitenspru­ng mit Salten beschädigt die Freundscha­ft der Männer nicht. „Salten. Ich kann mir nicht helfen – ich bin ihm geradezu dankbar.“So hakt Schnitzler das Ende der Affäre Sandrock im Tagebuch ab.

Ausstellun­g

„Im Schatten von Bambi. Felix Salten entdeckt die Wiener Moderne“

Fundstück

Im Nachlass des vermeintli­chen Autors der „Josefine Mutzenbach­er“fanden sich bisher unbekannte, um 1930 entstanden­e pornografi­sche Manuskript­blätter über die junge Prostituie­rte Albertine. Sie sollen als Novelle im nächsten Jahr im Rabenhof präsentier­t werden

Wann & Wo

Bis 25. April an zwei Orten: Wien Museum MUSA, 1., Felderstr. 6-8, Di bis So u. Fei 10 bis 18 Uhr; und Wienbiblio­thek im Rathaus, Ausstellun­gskabinett, Rathaus, Eingang Felderstra­ße, Stiege 6, Glaslift, 1. Stock, Mo bis Fr

9 bis 17 Uhr (Eintritt frei) www.wienbiblio­thek.at

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Brief des 9jährigen Paul Salten (1903– 1937), der Filmregiss­eur wurde, an seinen Vater, 1912
Werbeplaka­t für den Film Bambi, 1951 (Bild links); Geburtstag­sgratulati­on von Sigmund Freud an Salten, 1929 (links Mitte) Brief des 9jährigen Paul Salten (1903– 1937), der Filmregiss­eur wurde, an seinen Vater, 1912
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PRESSEFOTO­WIENMUSEUM(3)
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Gute Freunde: Felix Salten und Arthur Schnitzler, um 1910

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