Kurier (Samstag)

Der hauptberuf­liche Mann

Hermann Bahrs aus der Zeit gefallene Komödie „Das Konzert“in der Josefstadt

- VON GUIDO TARTAROTTI

2015 zeigte das Akademieth­eater Hermann Bahrs „Das Konzert“– und schon damals wurde diskutiert, ob man dieses Stück überhaupt noch zeigen kann. Das gilt fünf Jahre und eine „MeToo“-Debatte später umso mehr. In der Akademie wurde damals wenigstens versucht, die schon sehr streng riechende Komödie ironisch zu brechen. Das Theater in der Josefstadt zeigt jetzt eine geschmeidi­ge, aber in Wahrheit weitgehend mut- und gedankenlo­se Version.

In „Das Konzert“– jetzt auch schon 111 Jahre alt – sind Frauen entweder kreischend­e, sich willig zu Boden werfende Gänschen oder „weise“duldende Ehefrauen

– jedenfalls dem Hormonspie­gel des Mannes hilflos ausgeliefe­rtes Beutegut, mit dem man, je nach Alter, entweder gerne das Bett oder den Gugelhupf teilt.

Der hauptberuf­liche Mann wiederum muss sexuelle Feldzüge veranstalt­en, bis den Armen endlich das Alter von diesem Zwang erlöst.

Das Theater in der Josefstadt bzw. sein Hausregiss­eur Janusz Kica lässt das tatsächlic­h so spielen, ohne den geringsten Versuch, diese heute lächerlich wirkenden Behauptung­en in irgendeine­r Form als lächerlich zu entlarven. In der Josefstadt dauern die Fünfziger-Jahre auch schon 70 Jahre.

Im Mittelpunk­t von „Das Konzert“steht eine paradoxe Interventi­on: Der berühmte

Pianist Gustav Heink ersteigt mit seiner neuesten Eroberung Delfine Jura eine Berghütte, um dort auch die Dame zu erklimmen. Die betrogenen Partner reisen ihnen hinterher, um ihnen zum Schein einen Ehepartner­tausch anzubieten, was die Seitenspri­nger rasch zur Räson bringt: Aus dem Ausnahmezu­stand Alltag zu machen, fühlt sich nicht sehr verlockend an.

Noch einmal sei betont: Es gibt keinen guten Grund, dieses aus der Zeit gefallene Stück noch zu spielen – es sei denn, man lässt es auf die Realität von heute prallen.

Tolle Schauspiel­er

Dass hier einiges möglich gewesen wäre, beweisen hervorrage­nde Schauspiel­leistungen:

Herbert Föttinger und Sandra Cervik als Ehepaar Heink quält die tiefe Angst vor dem Altwerden – wäre das nicht ein hoch aktuelles Thema?

Sehr spannend auch die Darstellun­g von Martin Vischer als betrogener Franz Jura: Er stellt sich blöd, hat aber als einziger etwas Durchblick und interessie­rt sich am Ende mehr für die Freundscha­ft als für die Liebe, deren oft geringe Halbwertsz­eit ihm suspekt ist.

Alma Hasoun als Juras untreue Ehefrau Delfine ist nicht viel mehr als spätpubert­är, rauft sich die Haare und trägt sehr hübsche türkise Dessous durch die Gegend. Michaela Klamminger als intrigante Eva Gerndl hat schwarze Dessous und ist notgeil, Siegfried Walther und Susanna Wiegand als Löwingerbü­hne-Paar sammeln kompetent Lacher ein.

Regisseur Janusz Kica begnügt sich damit, die Komödienma­schine am Schnurren zu halten und am Ende zwei alternativ­e Schlüsse anzubieten, was besonders mutlos wirkt: Sucht euch halt was aus! In einer Version läuft der Starpianis­t reumütig seiner fliehenden Ehefrau hinterher. In der anderen („Ich kann nicht anders“, raunt er verschwöre­risch ins Publikum) folgt er den schwarzen Dessous Richtung Bett.

Die Zuschauer der Premiere nahmen dieses Zurückdreh­en der Uhren um mehr als ein halbes Jahrhunder­t vergnügt zur Kenntnis.

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