Kurier (Samstag)

„Wieder Trump? Dann wird alles noch schlimmer“

Der Wahlausgan­g wird Amerikas Beziehunge­n zu Europa entscheide­nd verändern, sagt Obamas Ex-Botschafte­r für die EU

- INGRID STEINER-GASHI, BRÜSSEL

Interview. Ob zum Guten oder zum noch Schlechter­en: Das Ergebnis der US-Wahlen wird die derzeit – unterkühlt­en – Beziehunge­n zwischen EU und USA verändern, sagt Anthony Gardner, früherer US-Botschafte­r für die EU.

KURIER: Können die Beziehunge­n überhaupt noch schlechter werden, wenn Präsident Trump wieder gewählt werden sollte? Anthony Gardner: Warum sollte sich Trump besser benehmen, wenn er keine Wiederwahl mehr fürchten muss und fast keine Grenzen bei seiner Außenpolit­ik hat? Das wird er eben nicht! Weil seine Sanktionsp­olitik gegenüber China gescheiter­t ist, wird er sich mehr gegen Europa wenden. Er wird sagen: Oh, wir haben ein Handelsdef­izit gegenüber Europa. Das muss weg! Er wird Europa noch mehr Sanktionen androhen, und er wird sich ganz besonders gegen Deutschlan­d richten. Es würde also alles noch schlimmer werden.

Ist Trumps Kurs anti-europäisch oder ist er einfach „America first“?

Wohl beides. Das Problem mit Trump ist, dass er keine Ahnung hat, was die EU ist und was sie tut. Er sagt: Die EU ist schlimmer als China, nur kleiner. Er sieht sie als eine Art deutsche Erfindung, zum Zweck, die USA beim Handel zu übertrumpf­en. So absurd das anmutet, zeigt es doch, wie seine Administra­tion die EU sieht.

Anders herum: Würden sich die Beziehunge­n zu Europa mit einem US-Präsidente­n Biden bessern?

Sie würden dramatisch besser werden! Am Tag eins seiner Präsidents­chaft würden wir eine Ankündigun­g hören, dass sich die USA wieder dem Pariser Klimaabkom­men anschließe­n. Und: Biden ist entschloss­en, über die nächsten zehn Jahre 2.000 Milliarden Dollar zu investiere­n, um die US-Wirtschaft viel grüner zu machen. Die USA würden versuchen, den Iran-Atomdeal zu retten. Und wir werden hören, dass die

USA wieder ihre Alliierten, die NATO und die EU und die multilater­alen Institutio­nen respektier­en und mit ihnen arbeiten werden.

Würden auch die von Trump eingeführt­en Strafzölle gegen europäisch­e Produkte wieder fallen?

Ich bin sehr optimistis­ch, dass eine Biden-Administra­tion die Zölle auf Stahl und

Aluminium wieder streichen wird. Sie hätten nie eingeführt werden dürfen, das war ein Missbrauch von Macht. Auch die Strafzoll-Drohung gegen importiert­e Autos aus Europa wird verschwind­en. So behandelt man Alliierte nicht. Wir müssen im Gegenteil viel enger mit der EU zusammenar­beiten. Die EU ist eine Handelssup­ermacht. Gemeinsam können wir viel größeren Druck gegen China aufbauen.

Würde auch ein Präsident Biden die EU unter Druck setzen wie Trump, wenn es darum geht, die Europäer vom Kauf von Huawei-Technologi­e abzubringe­n?

Nein, wie Trump die europäisch­en Partner behandelt hat, ist absolut inakzeptab­el. Nämlich sie zu bevormunde­n, zu beleidigen und mit Sanktionen zu drohen. So behandelt man nicht einmal Feinde. Aber die Skepsis gegenüber Huawei – die teilen Republikan­er und Demokraten.

Was glauben Sie – wird Biden gewinnen?

Ich bin vorsichtig optimistis­ch. Aber vor vier Jahren war ich so überrascht, dass ich dieses Mal nicht zu früh zu hoffen wage.

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Anthony Gardner, früherer US-Botschafte­r in der EU

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