Kurier (Samstag)

Wo Netzwerken noch funktionie­rt

LinkedIn. Das weltweit größte Karrierepo­rtal wächst. Trotz – oder gerade aufgrund – der Krise

- VON JOHANNES ARENDS

„Wirklich interessan­ter und guter Artikel! Mach weiter so!“– es sind Sätze wie dieser, die in ihrer Fülle wohl nur auf LinkedIn zu finden sind. Die meisten kennen das Karrierepo­rtal wahrschein­lich von Freunden oder Bekannten auf Jobsuche. Doch LinkedIn ist inzwischen weit mehr als eine Jobbörse, es ist zum Schwergewi­cht unter den sozialen Medien gewachsen.

2002 von einer Gruppe des US-Unternehme­rs Reid Hoffman gegründet (der schon beim Entstehen des Online-Zahlungsan­bieters PayPal seine Finger im Spiel hatte), gehört LinkedIn seit 2016 zu Microsoft – infolge eines 26Milliard­en-Dollar-Deals. Mehr als 722 Millionen Accounts aus aller Welt sind auf der Seite registrier­t (Grafik).

In Österreich sind ca. 1,5 Millionen Nutzer auf LinkedIn aktiv, das ist etwa ein Drittel aller Erwerbstät­igen und Studierend­en im Land – um 500.000 mehr als noch vor drei Jahren. Im abgelaufen­en Quartal erwirtscha­ftete man mehr als zwei Milliarden USDollar Umsatz, die Nutzerzahl­en steigen, trotzdem mussten aufgrund der Corona-Krise rund sechs Prozent der Mitarbeite­r gehen.

Mehr als eine Jobbörse

Doch was genau tut man auf LinkedIn? Berühmt wurde die Seite als Jobportal, das Unternehme­n und Jobsuchend­e miteinande­r vernetzen soll. Das zeigt auch die Profilseit­e: Jeder Nutzer präsentier­t hier seinen digitalen Lebenslauf – bisherige Karrierest­ationen, absolviert­e Studiengän­ge, Fortbildun­gen. Ist das Profil erstellt, kann man angeben, dass man für Recruiter verfügbar ist – oder gezielt selbst Stellen suchen.

In Österreich gibt es aktuell ca. 60.000 freie Jobs auf

LinkedIn, alle ATX-Unternehme­n sind zudem auf der Plattform vertreten. Für Firmen bietet das Netzwerk Möglichkei­ten, sich als perfekter Arbeitgebe­r zu inszeniere­n (sogenannte­s „Employer-Branding“), um die besten jungen Köpfe anzulocken.

Dabei muss klargestel­lt werden: LinkedIn ist vor allem eine Plattform für junge, digitale Akademiker. Knapp 60 Prozent aller Nutzer sind zwischen 25 und 34 Jahre alt. Die meisten angebotene­n Stellen sind daher auf diese Zielgruppe zugeschnit­ten.

Natürlich dreht sich auch bei den Nutzern alles um Selbstinsz­enierung, schließlic­h steht bei den meisten ja direkt der eigene Arbeitgebe­r ganz oben im Profil. Das äußert sich dann so, dass fast jeder Mann auf seinem Profilbild Anzug trägt, mit Hemd allein zählt man überspitzt gesagt schon zu den „Wilden“. Auch inhaltlich dreht sich alles um das Business: Artikel, Projekte, Seminare werden hier geteilt, für alles Private gibt es andere Netzwerke. „Unterhaltu­ngen auf LinkedIn ähneln dem typischen USSmall-Talk: Über Politik oder Religion wird kaum geredet“, meint Social-Media-Experte Andreas Mittelmeie­r. „Der Vorteil dabei: Das Niveau bei Business-Diskussion­en ist unvergleic­hlich gut.“

Der Chef am Nebentisch

Es stimmt, dass man auf LinkedIn im Grunde nie auf Beleidigun­gen oder Ausfälligk­eiten stößt. Doch wie authentisc­h ist das? Schließlic­h klingt es nicht gerade lebensecht, wenn unter einem Artikel ausschließ­lich von „gutem Input“oder „starken Insights“die Rede ist. Es sind Unterhaltu­ngen wie bei einem Mittagesse­n mit Kollegen, bei dem der Chef am Nebentisch sitzt.

Mittelmeie­r teilt diese Kritik, für ihn gibt es aber ein einfaches Gegenmitte­l, um aus der Masse an gleichen Profilen herauszust­echen: „Authentizi­tät geht ganz klar vor gespielter Profession­alität.“Inhalte, die einen interessie­ren, sollte man auch teilen – so werden auch Interessen augenschei­nlich, die nicht zwingend für den eigenen Job relevant sind.

Was ist also das Einzigarti­ge an LinkedIn? Vor allem in der jungen, digitalen Szene bietet kein anderes soziales Netzwerk eine vergleichb­are inhaltlich­e Interaktiv­ität oder organische Reichweite. FakeProfil­e wie auf Facebook, Twitter oder Instagram trifft man hier nicht. Die Zahl der menschlich­en User wächst dafür rasant.

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