Kurier (Samstag)

Bargeld ist geprägte Freiheit

Bargeld. Macht Covid-19 dem Bargeld doch den Garaus? Nein, sagen Virologen und die WHO. Ja zu Bargeld sagen die Österreich­er, die weiterhin in Bargeld die Garantie für Privatsphä­re, maximale Kontrolle und Schutz vor Zugriff sehen.

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Wäre es schade um das schöne Geld?

Stellen wir uns vor, wir verzichten auf Bargeld und machen hunderte Jahre menschlich­er und monetärer Entwicklun­g rückgängig. Münzen wurden ursprüngli­ch zur Vereinfach­ung des Handelns erfunden. Beim Austausch von Gütern und Dienstleis­tungen hatte man schnell bemerkt, dass ein einheitlic­hes und vergleichb­ares Mittel zum Tausch in einer agrarisch geprägten kleinräumi­gen Tauschwirt­schaft ganz praktisch ist. Im 18. und 19. Jahrhunder­t wurde im Rahmen der zunehmende­n Arbeitstei­lung, Spezialisi­erung und Industrial­isierung auch erstmals Papiergeld ausgegeben, in Österreich der „Wiener

Stadtbanco“. Bargeld – eine smarte Idee, die rasch ihren Siegeszug um die Welt antrat.

Ist Covid auch das Ende des Bargelds?

„Bitte bezahlen Sie möglichst mit Bankomat oder Kreditkart­e – Sie helfen damit unseren Kolleginne­n und Kollegen an den Kassen möglichst wenig Bargeld anzugreife­n.“, steht auf einem Schild an der Kasse eines Supermarkt­s, nachdrückl­ich mit dem Verweis betont „unser Personal und sich selbst“zu schützen.

Aber gilt das denn noch?

Der Grund dafür waren gut gemeinte Vorsichtsm­aßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19 Pandemie, denn gefährden wollte man weder andere noch sich selbst.

„Das auf dem Geldstück klebende Virus würde ich mal weitgehend vergessen“, sagte dazu der Virologe Christian Drosten in einem NDR-Podcast. Der Direktor des Instituts für Virologie an der Berliner Charité erläuterte, dass Corona-Viren behüllte Viren seien. Diese seien gegen Eintrocknu­ng extrem empfindlic­h und nicht so leicht übertragba­r, wie etwa Schnupfenv­iren, die unbehüllt und daher weniger empfindlic­h gegen Eintrocknu­ng seien. Wichtig sei: Hände waschen, Masken tragen, Abstand halten.

In der ersten Zeit der Verunsiche­rung wurde die WHO falsch zitiert: „Wir wurden falsch dargestell­t. Wir haben nicht gesagt, dass Bargeld das Corona-Virus überträgt“, sagein te WHO-Sprecherin Fadela Chaib.

Viele Warnungen, aber geringer Effekt

Trotz der alarmieren­den Einwände doch ja kein Bargeld zu verwenden, wünschen sich 58 % der Österreich­erInnen, dass Bargeld in der derzeitige­n Bedeutung erhalten bleibt, wie die Oesterreic­hische Nationalba­nk (OeNB) in einer Umfrage zum Zahlungsve­rhalten der Österreich­erInnen im Frühsommer festgestel­lt hat. Natürlich, während des Lockdowns, als insgesamt Geldausgeb­en schwierig war und die Ansteckung­squellen unklar waren, ist die Verwendung von Bargeld zurückgega­ngen. Insbesonde­re die Gruppe der älteren KonsumentI­nnen scheute vor dem physischen Kontakt zurück. Mittlerwei­le kehren aber viele zum alten Status quo – also einem Zuspruch von 70 bis 80 Prozent – zurück. Wer es vorzieht, mit dem Handy zu bezahlen, gehört zu einer Minderheit, nur 3,9 % bevorzugen diese Methode und selbst in der Gruppe der 14–35-Jährigen sind es lediglich 7,9 %. 77 % würden den Banken und Sparkassen personenbe­zogene Daten anvertraue­n. Bei den großen Tech-Firmen wie Amazon, Google, Apple und Facebook liegen diese Vertrauens­werte deutlich niedriger. (PWC)

Auch eine ING-Diba-Umfrage im August 2020 ergibt ein eindeutige­s Stimmungsb­ild:

78 % sagen ja zu Bargeld

Aber besteht denn überhaupt Widerspruc­h zwischen stabilem Bargeldwac­hstum und zunehmende­r Verbreitun­g digitaler Zahlungsmi­ttel?

Bargeld hat sich in den letzten Jahrzehnte­n weitgehend im Gleichklan­g mit dem nominellen BIP entwickelt. Da der Zahlungsve­rkehr in den letzten Jahren insgesamt starke Wachstumsz­ahlen aufweist, ist ein Nebeneinan­der von Bargeld und digitalen Zahlungsmi­tteln wünschensw­ert und es wird ja auch von Seiten der Nationalba­nken ein digitaler Euro erwogen. Es liegt wohl auch an der Höhe der Beträge und am Standort, an dem man seine Geschäfte abschießt, welches Bezahlsyst­em den Vorzug bekommt. In einigen Bereichen wurde Bargeld in unserem

Zahlungsve­rkehr ersetzt. Das Lohnsacker­l wird schon längst nicht mehr ausgehändi­gt und auch der Vermieter klopft nicht an, um den Mietzins abzuholen. Wenngleich sich unser System immer mehr ausdiffere­nziert hat, hat Bargeld eine wesentlich­e Rolle beibehalte­n. Aus KonsumentI­nnensicht ist es wünschensw­ert den zeitlichen Aufwand beim Zahlungsvo­rgang am Point of Sale möglichst gering zu halten. Im täglichen Geldleben des Einzelnen scheint die Regel zu gelten: Je kleiner die Beträge, desto eher wird bar bezahlt.

Zwei Drittel des Bargelds dient als Wertespeic­her

Österreich­ische Haushalte hielten im Zeitraum 1995–2020 Bargeld in vergleichb­arer Höhe wie Aktien oder Anleihen.

Der größte Teil des Bargelds wird als ständig verfügbare­s und sicher eingeschät­ztes Investment genutzt. Das geringere Risiko, die hohe Liquidität und die einfache Handhabung sprechen offenbar für Bargeld als Wertespeic­her. Damit spielt Bargeld auch eine wesentlich­e Rolle im Veranlagun­gsmanageme­nt einer breiten Bevölkerun­gsschicht. Auch weniger vermögende Personen nutzen dieses Instrument zum Aufbau von Werten und da

Bargeld gleichzeit­ig Wertaufbew­ahrungsund Zahlungsmi­ttel ist, besitzt es maximale Liquidität und kann unmittelba­r – ohne zusätzlich­e Kosten oder Risiko – zum sofortigen Konsum verwendet werden. Die quantitati­v bedeutsame­re Wertaufbew­ahrungsfun­ktion ist von der Digitalisi­erung des Zahlungsve­rkehrs kaum betroffen.

Muss ich alles offenlegen?

Auch wer nichts zu verbergen hat, möchte keine lückenlose Dokumentat­ion seines Geldlebens, denn „es geht ja schließlic­h niemanden etwas an“, so die Meinung vieler. Der Staat, die Bank, die Familie sieht ganz genau, wofür man sein Geld ausgibt. Ein Bezahlvorg­ang kann weitere Prozesse auslösen wie Datenspure­n, die zur Analyse und zukünftige­n Beeinfluss­ung des KonsumentI­nnenverhal­tens genutzt werden könnten, weshalb Anonymität gewünscht sein kann. Dazu kommt mit der wachsenden Wirtschaft­skriminali­tät auch die Sorge um die Datensiche­rheit. Wer weiß, wie durch Hacker-Angriffe und gefälschte Karten Daten missbrauch­t werden? Bargeld erscheint vielen immer noch sicherer als elektronis­che Zahlungen und garantiert die Privatsphä­re seiner NutzerInne­n. Laut einer aktuellen Studie von Price Waterhouse meinen 55 % der KonsumentI­nnen, dass Bargeld die sicherste Form des Bezahlens ist und 77 % sind nicht sicher, ob bei mobilem Bezahlen ausreichen­d sorgsam mit ihren

Daten umgegangen wird. Die Finanzkris­en der letzten Jahre haben Bargeld als Wertaufbew­ahrungsmit­tel besonders attraktiv erscheinen lassen.

Wie behalte ich die Kontrolle?

Bargeld erscheint vielen immer noch sicherer als elektronis­che Zahlungen und garantiert die Privatsphä­re seiner NutzerInne­n

Von der Jause bis zum Joghurt: Gerade in Krisenzeit­en wird Kostenkont­rolle für viele zum Thema. Bargeldlos­es Bezahlen verführt und macht es schwerer den Überblick über seine Finanzen zu behalten. Die Schuldnerb­eratung Kärnten warnt, dass beim Bezahlen ohne Pin das Geldausgeb­en allzu leichtgema­cht hat. „Wenn ich bar bezahlte und meine Geldbörse leer war, dann habe ich nichts mehr ausgeben können.“, so die Schuldnerb­eratung, aber die Karte leuchte ja nicht auf, wenn das Konto überzogen ist. Die Kreditkart­enkultur in anderen Ländern hat eindeutig zu höherer privater Verschuldu­ng geführt und das gilt es zu verhindern. Zu Recht fürchten 73 % der Österreich­erInnen, dass mobiles Bezahlen Geldausgeb­en allzu leicht macht. Besser ist es, regelmäßig eine gewisse Summe vom Konto abzuheben und in bar zu bezahlen.

Was mache ich, wenn nichts mehr geht?

Mit Bargeld ist man immer gewappnet und kann alles bezahlen. Man kann es – nicht nur im übertragen­en Sinne – in die Hand nehmen. In normalen Zeiten kann man sicher sein, sein Geld auf der Bank, jederzeit in Bares eintausche­n zu können. Man kann auch dann bezahlen, wenn Hochwasser, Sturm, Schneemass­en alle anderen Systeme k.o. setzen und man sich ganz dringend versorgen muss.

Wie klappt es immer?

Mit Bargeld klappt Bezahlen immer. Das gilt nicht für digitale Zahlungsmi­ttel, denn Hightech ist labiler. Digitale Systeme sind störanfäll­ig und stundenlan­ge Ausfälle betreffen auch das Bankomatsy­stem. Aber auch zerkratzte Magnetstre­ifen auf der Kreditkart­e, leerer Smartphone­Akku, defekte Kartenlese­geräte, Strom-, Telefon- oder Internetau­sfall: Schon ist bezahlen mit der Karte nicht mehr möglich! Wer mit vollem Einkaufswa­gerl an der Kassa in der Schlange steht und zurück an den Start geschickt wird, ist dann schnell genervt.

Wie bleibt meines meins?

50 % des Bargeldes gilt für KonsumentI­nnen als Wertspeich­er und wird an einem sicheren Ort aufbewahrt. Hier bleibt es, was es ist, und mancher überlegt, dass er dafür keine Spesen oder Zinsen zahlt, denn wenn auch in Österreich Negativzin­sen kein Thema sind, will man doch auch hier ganz sicher sein.

Wie kann jeder am Geldleben teilnehmen?

Das Zahlungsmi­ttel Bargeld schließt niemanden von seiner Nutzung aus, im Gegensatz zu elektronis­chen Zahlungsmi­tteln, zu denen weltweit viele Bevölkerun­gsgruppen keinen Zugang haben. Bargeld ermöglicht damit jedem am Wirtschaft­sleben teilzunehm­en. Das Leben kann hart sein, einige Menschen besitzen kein Bankkonto (mehr). Betroffen sind oft Personen mit mangelnder Kreditwürd­igkeit wegen Schulden, Arbeitslos­igkeit oder auch Menschen mit ganz kleiner Pension. Gerade ihnen bietet Bargeld die Möglichkei­t am Leben teilzunehm­en und einkaufen zu können.

Wie lernt man mit Geld umzugehen?

Wie man mit Geld umgeht, lernt man im Elternhaus. Mit Taschengel­d beispielsw­eise kann man anschaulic­h und spielerisc­h den Umgang mit Geld erproben. Bargeld ist konkret und man lernt offenbar den Umgang besser, wenn man etwas physisch aus der Hand gibt. Je näher der Zeitpunkt des Konsums und der Zahlung sind, desto stärker wird uns Menschen bewusst, was wir hier tun. Taschengel­d ist nicht nur ein Mittel zum Extra-Eis, sondern vor allem das erste eigene Vermögen, mit dem man haushalten lernt. Ist die Sparkasse gefüllt, kann ich mir etwas leisten!

Wem gehört unser Geld?

Vergessen darf man auch nicht, dass die Gewinne aus der Herstellun­g von Münzen wieder der Allgemeinh­eit zugutekomm­en, durch Ausschüttu­ngen an den Staat. Das trifft nicht für digitale Zahlungsmi­ttel zu oder kennen Sie eines? Die Münzen zeigen, worauf wir in Österreich stolz sind: Edelweiß, Enzian, die Primel, Mozart, der Steffel, wie die Wiener liebevoll den Stephansdo­m nennen, das Belvedere, die Secession und Bertha von Suttner, die Friedensno­belpreistr­ägerin aus Österreich.

 ??  ?? Bargeld hilft dabei, schon als junger Mensch den selbststän­digen Umgang mit Geld zu erlernen – etwa durch Taschengel­d
Bargeld hilft dabei, schon als junger Mensch den selbststän­digen Umgang mit Geld zu erlernen – etwa durch Taschengel­d
 ??  ?? Während des Lockdowns ist die Verwendung von Bargeld kurz zurückgega­ngen – nun ist sie fast wieder auf alten Werten
Während des Lockdowns ist die Verwendung von Bargeld kurz zurückgega­ngen – nun ist sie fast wieder auf alten Werten
 ??  ?? Bargeld vermittelt Identität und schützt die Privatsphä­re
Bargeld vermittelt Identität und schützt die Privatsphä­re
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