Kurier (Samstag)

Es wird ein Rad sein

In einer versteckte­n Wiener Wohnung wurden 400 alte, zerlegte Rennräder entdeckt

- VON JULIA SCHRENK

200 Rahmen (vielleicht sind es auch 250). Ungefähr gleich viele Gabeln und doppelt so viele Schläuche. Und dazu unzählig viele Ersatzteil­e. Die Teile stammen von Rennrädern, größtentei­ls aus Österreich, aus den 1940er-Jahren bis in die 1980er-Jahre.

Das ist der neueste Schatz der Glasfabrik, dem Vintage-Geschäft in der Felberstra­ße hinter dem Westbahnho­f. Ein Schatz ist das deshalb, weil die Kuratoren der Glasfabrik diese Räder nicht einfach bei einer Geschäftsa­uflösung eingekauft haben und diese jetzt in der Glasfabrik weiterverk­aufen.

Diese Rennrad-Sammlung stammt aus der Verlassens­chaft einer versteckte­n Wiener Wohnung innerhalb des Gürtels. Wo genau, das darf nicht beschriebe­n werden, Verlassens­chaften sind üblicherwe­ise notariell beglaubigt, über Details wird Vertraulic­hkeit vereinbart.

Es war vor einem Monat, als Christoph Matschnig, Simon Weber-Unger und Frank Frühwirth von der Glasfabrik eine Wiener Hinterhof-Wohnung besichtigt­en. Sub-Standard wäre eine Untertreib­ung. In dieser Wohnung war nicht nur das WC am Gang, dort gab es auch kein fließend Wasser.

Von oben bis unten

Und in dieser Wohnung war alles voll. Von oben bis unten und von hinten nach vorne. Nicht sprichwört­lich, sondern buchstäbli­ch.

„Da hat jemand alles vollgeräum­t und dann die Tür zugemacht“, sagt Simon Weber-Unger. Die Glasfabrik­anten vermuten, dass hier einst ein Mechaniker gelebt hat. Also gelebt nicht, gewohnt hat er in einer kleinen Bleibe nebenan. Die beschriebe­ne Wohnung gehörte den Fahrrädern – und zwar ausschließ­lich. Mindestens 400 Rahmen, die dazugehöri­gen Gabeln, Satteln und Schläuche wurden hier gelagert. In Kisten von oben nach unten auch Ersatzteil­e wie Pedale, Lichter, Sättel. Sogar die Speichen der Räder hat der Mann, der hier gewohnt hat, ausgebaut und der Größe nach sortiert.

„So etwas findet man nur einmal in einem Leben“, sagt Frank Frühwirth. Es sind alte österreich­ische Rennräder von Rih, Dusika oder Puch (siehe Kasten), aber auch so manches italienisc­he ist dabei. Drei Lkw-Ladungen voll wurden schon in die Glasfabrik geliefert, leer ist die Wohnung

damit aber nicht. Ungefähr drei weitere Lkw werden noch anrücken müssen.

Dabei ist man in der Glasfabrik noch damit beschäftig­t, die ersten Teile irgendwie zusammenzu­fügen. Ungefähr zehn Rennräder sind zusammenge­baut, die restlichen 200 sind noch in ihre Einzelteil­e zerlegt. Die noch verstaubte­n liegen auf einem Haufen im 2. Stock. Jene, die schon gewaschen sind, hängen an Kabelbinde­rn auf einem Gestell auf dem WC, daneben steht eine Kiste mit Fahrradgab­eln (sie verbinden das Vorderrad mit dem Rahmen, Anm.). „Wir schauen dann, welche farblich zusammen passen. Dann suchen wir noch ein Pickerl oder das Logo und so basteln wir die Räder zusammen“, sagt Matschnig. Es ist ein bisschen wie Puzzlebaue­n.

Ganz zusammenge­baut werden wohl nicht alle. Die Menge ist kaum bewältigba­r. Vielleicht, sagen die Glasfabrik­anten, treiben sie jemanden auf, der die Einzelteil­e auf Wunsch zusammensc­hrauben kann. Ansonsten ist das ausgehoben­e Lager ein Schatz für Vintage-Rennrad-Freaks. Oder jene, die es noch werden wollen.

Die Räder, Rahmen (ab 50 Euro und bis mehrere hundert) und Einzelteil­e sind ab 7. November in der Glasfabrik zu kaufen. Bis dahin müssen die Glasfabrik­anten noch den letzten Raum im 2. Stock ausräumen. Damit überhaupt Platz ist, für die Rennräder.

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Simon Weber-Unger und Christoph Matschnig basteln 200 Räder zusammen. Irgendwie eine Herzensang­elegenheit, sagen sie Film.
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Schläuche, Rahmen und jede Menge Zubehör – alt, aber vor allem Letzteres ist teils unbenutzt
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