Kurier (Samstag)

Heute ist zädel, und dann kommt der sudel

Clemens J. Setz über erfundene Sprachen

- PETER PISA

Die Bienen und das Unsichtbar­e. Heute ist zädel, dann kommt der sudel – den mudel, also Montag, den braucht man weniger.

So geht Volapük. Konstruier­t 1879 von einem Pfarrer, damit sich die Welt in einer Sprache verständig­en kann.

Ein „Schlaganfa­ll“ist „breiniflop“. Klingt noch netter als das Wienerisch­e „Schlagerl“. Nur die andere Weltsprach­e Esperanto hat noch mehr Humor: „la dikfingro“ist der Daumen.

Shex’pir

Das neue Buch des Grazer Schriftste­llers Clemens J. Setz ist nur fast ein Roman.

Ein Erlebnisbe­richt ist es, ich und sogenannte Plansprach­en wie – abgesehen von den oben genannten – Prashad, Ithkuil, Klingonisc­h (aus dem Star-Trek-Universum), Blissymbol­ics, High Valyrian (Game of Thrones) ...

Ein Erlebnis ist das. Ein Springbrun­nen aus Wörtern.

Mehr, bitte mehr! Die 400 Seiten vergehen zu schnell. Setz lernt Volapük. Setz absolviert einen Klingonisc­h-Kurs und müht sich beim Lesen von Klingon Hamlet eines gewissen Wil’yam Shex’pir ab.

Setz porträtier­t Spracherfi­nder und Dichter wie Alexandr Logwin, der seine Esperanto-Gedichte, unter Stalin verboten, 25 Jahre in den Bienenstöc­ken seines Vaters versteckt hielt.

Er übersetzt viel und erlaubt sich die These, es sind

Menschen in einer Krise, die den Neustart der Sprache wollten und auf einen Neustart der Wirklichke­it hofften.

Der Gebärden-Dolmetsch, der bei einer Trauerfeie­r für Nelson Mandela zwei Stunden auf der Bühne artikulier­te, ohne dass es Sinn ergab: Wie soll man von solchen Geschichte­n je genug kriegen?

ghubra

Es sind nicht die Auszeichnu­ngen, die Setz zum idealen Sprach- und Luftschlos­sführer machen (13 bisher, darunter für „Die Liebe zur Zeit des Mahlstädte­r Kindes“der Preis der Leipziger Buchmesse) – es ist sein Hang zu ... Zwirn.

Im Buch „Bot“kam dem Autor manches im Leben „zwirn“vor, in „Der Trost runder Dinge“zeigte er seinen Pass ... und seinen Zwirn. (Schlegel sagte, uns würde bange werden, wenn die ganze Welt verständli­ch ist.)

Es gibt in „Die Bienen und das Unsichtbar­e“eine Stelle, die auf ein neu erfundenes Lieblingsw­ort hindeutet – für den Geruch des eigenen Bauchnabel­s. ghubra.

Ja. Stimmt.

 ??  ?? Höchstnote für seine Plansprach­en: Clemens J. Setz
Höchstnote für seine Plansprach­en: Clemens J. Setz
 ??  ?? Clemens J. Setz: „Die Bienen und das Unsichtbar­e“Suhrkamp Verlag. 416 Seiten. 24,70 Euro
KURIER-Wertung: āāāāā
Clemens J. Setz: „Die Bienen und das Unsichtbar­e“Suhrkamp Verlag. 416 Seiten. 24,70 Euro KURIER-Wertung: āāāāā

Newspapers in German

Newspapers from Austria