Kurier (Samstag)

Kindergärt­en und Schulen sollen vorerst offen bleiben

Homeschool­ing, wenn die Infektions­zahlen wieder steigen

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Maßnahme für die Jugend. Für die Oberstufen gilt wieder Fernunterr­icht. Steigt die Infektions­zahl weiter, wird das auch alle anderen Schüler betreffen. Infektions­risiko: 0,21 Prozent der 6- bis 19-Jährigen hatten SARS-CoV-2

Schulen. Für über eine Million Schüler enden an diesem Wochenende die Herbstferi­en. Doch wird es eine Rückkehr ins Klassenzim­mer oder ins Homeschool­ing werden? Geht es nach Bildungsmi­nister Heinz Faßmann und den Länderchef­s, werde alles daran gesetzt, dass die Schulen geöffnet bleiben – und zwar für alle Schulforme­n und -klassen österreich­weit. Auch Krippen und Kindergärt­en sollen offen halten. Während Österreich auf Rot geschalten ist, soll die Bildungsam­pel

– so der einhellige

Tenor – grünes Licht für den Unterricht und Betreuung geben. Für die Oberstufen wird allerdings wieder Fernunterr­icht gelten. Steigen die Infektions­zahlen, wird das auch alle anderen betreffen. Doch geht von Kindern und Jugendlich­en überhaupt eine relevante Infektions­gefahr aus? Die Statistik spricht eine eindeutige Sprache: Nur 0,21 Prozent der 6bis 19-Jährigen haben sich seit Pandemiebe­ginn mit SARS-CoV-2 angesteckt. Infektiolo­ge Herwig Kollaritsc­h argumentie­rt differenzi­ert: „Wir wissen nach wie vor nicht genau, ob – und wenn ja, bis zu welchem Alter – Kinder Pandemietr­eiber sind.“Die derzeit gängige Fachmeinun­g: Kinder spielen eine untergeord­nete Rolle in der epidemiolo­gischen Kette. Je jünger sie sind, desto geringer ihr Einfluss. „Das bedeutet, dass jüngere Kinder schwerer infizierba­r sind und

die Infektion schlechter weitergebe­n.“Am University College London wurden jüngst Daten aus 32 Studien mit 41.640 Kindern und Jugendlich­en sowie fast 270.000 Erwachsene­n ausgewerte­t. Unter 20-Jährige hatten im Vergleich zu älteren Erwachsene­n ein um 44 Prozent, Kinder unter zwölf Jahren ein um 59 Prozent geringeres Ansteckung­srisiko. Die bisher größte Studie zur Nachverfol­gung von Kontaktper­sonen aus Indien zeigte, dass sich jedes vierte Kind zwischen einem und vier Jahren ansteckte, wenn es Kontakt zu einem infizierte­n Kleinkind hatte. Erwachsene wurden von Kindern aber deutlich seltener angesteckt, hier lag der Wert zwischen fünf und acht Prozent.

Mit steigendem Alter nähern sich Heranwachs­ende dem Ansteckung­spotenzial von Erwachsene­n an. „Zwischen Kindergart­enkindern und Kindern, die die Oberstufe besuchen, können Welten liegen“, bringt es Kollaritsc­h auf den Punkt. Letztere seien von der Infektiosi­tät her mit Erwachsene­n vergleichb­ar. „Außerdem pflegen sie altersgemä­ß mehr Sozialkont­akte außerhalb der Schule.“Bei Teenagern sieht er daher „zusätzlich­es Gefahrenpo­tenzial, weil Ansteckung­en vielfach in Familien und zu den Risikogrup­pen getragen werden“. „Ich habe immer dafür plädiert, Schulen so lange wie möglich offen zu halten. Sie organisier­en das Lernen“, ist Bildungsps­ychologin Christiane Spiel überzeugt. Man müsse bei allen Maßnahmen, die getroffen werden, nicht nur die Wirkung bedenken, sondern auch die Nebenwirku­ngen: „Wir wissen aus dem ersten Lockdown, dass es eine Gruppe von Kindern gibt, die man nicht erreicht hat, die keinen Lernerfolg hatten. Je länger sie aus dem System draußen sind, umso schwierige­r wird es, sie wieder hereinzuho­len.“Wenn Kinder zu Hause sind, sei es wichtig, jene mit den größten Schwierigk­eiten besonders zu betreuen. Auch Belastunge­n für Eltern müssten mitbedacht werden.

Sollten die Schüler nach Hause geschickt werden, sei es sinnvoll, mit den Ältesten zu beginnen. „Es ist auch ein Unterschie­d, ob man von 100 auf 0 herunterfä­hrt oder Zwischenlö­sungen findet“, sagt Spiel. Verschärft­e Maßnahmen in höheren Schulstufe­n müssen wirksam und sozial verträglic­h sein, sind sich Experten einig. So könnte man vor Schularbei­ten oder in Abschlussk­lassen kleine Gruppen hereinhole­n. Auch Schichtbet­rieb oder eine Ausweitung der Maskenpfli­cht sind denkbar.

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