Kurier (Samstag)

Ein Danke an die Heldinnen und Helden

Corona. Der KURIER holt jene vor den Vorhang, die seit März unter extremen Bedingunge­n mit Schutzausr­üstung arbeiten, lehren, pflegen und operieren. Was sie leisten, hoffen und befürchten Elementarp­ädagogin Krankenpfl­egerin Intensivme­diziner

- AUTOREN: HEDWIG DERKA, ELISABETH HOFER, JULIA PFLIGL, INGRID TEUFL, JOHANNES WEICHHART

„Erst gestern hat mir wieder eine Mama Schokolade gebracht, damit ich durchhalte. Das tut schon gut“, erzählt Anita Macher (50), Leiterin eines KIWI-Kindergart­ens in Wien Ottakring. Dabei gehe es ihr nicht um Dankbarkei­t, sondern um das Gefühl der Gemeinsamk­eit mit Eltern und Kindern. Ihr Team arbeitet seit dem ersten Lockdown durch, der Kindergart­en ist von 7 bis 18 Uhr geöffnet. Sie selbst pendelt jeden Tag von Niederöste­rreich in die Stadt – eineinhalb Stunden pro Strecke. „Um meine eigene Gesundheit mache ich mir weniger Gedanken – wir Pädagogen werden ja irgendwann nicht mehr krank“, lacht sie. Sorgen bereitet ihr eher, dass sie ihre Mutter anstecken könnte. „Auch für meine Mitarbeite­r trage ich die Verantwort­ung. Sie waren meine Helden in diesem Jahr.“

Corona habe wie ein Brennglas bestehende Probleme in den Kindergärt­en offenbart, sagt Macher: zu wenig Pädagogen, schlechte Bezahlung. „Anders als beim ersten Lockdown habe ich jetzt aber das Gefühl, dass die Wichtigkei­t der Institutio­n erkannt wurde. Ich wünsche mir, dass das auch nach der Pandemie so bleibt.“

Anzahl der Beschäftig­ten in der Branche: 35.000 Einstiegsg­ehalt, brutto: EUR 1.600

Altenpfleg­erin

Anfang März war Maria Zimmer Skifahren. Vom Geschehen zu Hause in Wien bekam sie kaum etwas mit. Als sie dann zurück in den Dienst als Stationsle­iterin der Pflege Leopoldsta­dt kam, war plötzlich alles anders. „Es ist auf einmal sehr ruhig geworden, weil die Bewohner keinen Besuch mehr haben durften“, erzählt die 56-Jährige. „Für viele war das sehr belastend und wir sind oft mit dem Telefon herumgeran­nt“. Auch jenen Bewohnern, die selbst ein Handy haben, mussten Zimmer und ihre Kollegen vermehrt technische Hilfe leisten, damit sie mit den Angehörige­n Kontakt halten konnten.

Ein Teil der Station wurde für Testungen abgegrenzt. Hier tragen die Pflegekräf­te volle Schutzklei­dung. Maria Zimmer stört das nicht. „Ich habe aber generell mehr Angst, mich im Supermarkt anzustecke­n, als in der Arbeit“, sagt sie. Zwar hätten sich die Spielregel­n seit März oft und schnell geändert, die Haus-Leitung habe das aber gut weiterkomm­uniziert, sodass es wenig Unklarheit­en gab, sagt Zimmer. Und: „Ich bin nicht eine, die herumjamme­rt. Dafür mag ich meinen Job zu sehr.“

Anzahl der Beschäftig­ten in der Branche: 38.144 Einstiegsg­ehalt, brutto pro Monat: EUR 1.960

Mund-Nasen-Schutz, Brille, Gesichtssc­hild, Haube, zwei Paar Handschuhe, Kittel: Katrin Ferstl hat mittlerwei­le so viel Routine, dass sie innerhalb von fünf Minuten in der Schutzausr­üstung steckt. Vor neun Monaten, als die ersten Corona-Patienten auf der Abteilung für Infektiolo­gie der Klinik Favoriten intensiv betreut werden mussten, dauerte die Prozedur noch 15 Minuten.

Jetzt sind alle Betten mit hoch ansteckend­en CovidErkra­nkten belegt. „Wir haben seit Februar ständig dazu gelernt“, sagt die 29-Jährige und spricht damit therapeuti­sche wie pflegerisc­he Fortschrit­te an. „Es macht Freude, wenn wir gegen die Krankheit ankommen und jemanden entlassen können.“Traurige Momente kennt Ferstl freilich genauso. Der Austausch im Team hilft, damit umzugehen. Die Wienerin sucht zudem Ausgleich in der Natur: „Beim Wandern bekomme ich den Kopf frei.“Angst vor einer Ansteckung im Spital hat sie nicht, die Gefahr sei draußen größer. Im Falle einer Infektion vertraue sie auf das heimische Gesundheit­ssystem, für sie der wahre Held. „Ich mache nur meinen Job – weil ich helfen will.“

Anzahl der Beschäftig­ten in der Branche: 55.000 Einstiegsg­ehalt, brutto: EUR 1.600

Lehrerin

Zuerst hieß es, die Schulen seien ab Mittwoch geschlosse­n. Dann war es doch schon am Montag so weit. Karin Hofrichter, Lehrerin für Deutsch, Geschichte, Werken, Kochen, etc. an der Musikmitte­lschule Am Schöpfwerk erfuhr das über die Medien. In den Tagen darauf schaffte sie es nach und nach, ihre Schüler (die jüngsten erst zehn) dazu zu bringen, sich auf einer Internetpl­attform zu registrier­en, über die sie ihnen ab nun Aufgaben und Unterlagen schickte. Das Problem: „Nicht alle Schüler haben einen Laptop. Ein Handy haben sie zwar schon, aber darüber Aufgaben zu erledigen, ist schwierig“, schildert Hofrichter.

Auch als es im Frühjahr Notbetrieb an der Schule gab, stand Hofrichter in der Klasse. Dabei hat sie bis heute Bedenken, wie groß das Ansteckung­srisiko für sie ist. „Es gibt so viele unterschie­dliche Studien, ob Kinder nun ansteckend sind, oder nicht“, erzählt sie. Umgekehrt werde auch von den Schülern viel verlangt. „Wenn man sagt, sie sollen in den Pausen am besten gar nicht vom Platz gehen, dann ist das für Kinder schon hart.“

Anzahl der Beschäftig­ten in der Branche: 125.000 Einstiegsg­ehalt, brutto pro Monat: EUR 2.400

Normalerwe­ise liegen auf der Intensivst­ation 9D im Wiener AKH/MedUni Patienten nach einer Organtrans­plantation. Im März wurde sie zur Covid-Station mit sechs Intensivbe­tten umgewandel­t. „Wir sind gewohnt, schnell zu reagieren. Doch der Umgang mit Covid-19-Patienten ist sehr aufwendig. Allein das An- und Ausziehen der Schutzklei­dung braucht Zeit“, sagt Bernhard Rössler. Diese und andere Abläufe zu erarbeiten und zu trainieren war zu Beginn eine der größten Herausford­erungen. „Die im Frühjahr spürbare Unsicherhe­it ist gewichen. Der Umgang ist viel routiniert­er geworden. Noch immer kommt das Team bei Kontakt mit Angehörige­n von Patienten, etwa mit schwerem Lungenvers­agen, in schwierige Situatione­n. „Wegen nötiger Schutzmaßn­ahmen sehen sie die Erkrankten oft bis zu drei Wochen nicht. Man merkt diese Belastung.“Mit längeren Telefonges­prächen versuche man den Bedürfniss­en gerecht zu werden. Neben Herausford­erungen nimmt er viel Positives wahr: „Der Zusammenha­lt im Team ist extrem groß. Auch über Abteilunge­n hinweg herrscht eine nie da gewesene Zusammenar­beit.“

Anzahl der Beschäftig­te in der Branche: 3.000 Einstiegsg­ehalt, brutto: EUR 6.073,48

Polizist

Am vergangene­n Montag wurden seine Kollegen und er aus St. Pölten nach Wien gerufen, als ein Terrorist auf Menschen schoss, jetzt steht wieder der Dienst in der niederöste­rreichisch­en Landeshaup­tstadt im Vordergrun­d. Seit 1998 ist Michael Wolfsberge­r bei der Polizei, es sei die Abwechslun­g, die den Beruf für ihn so interessan­t mache, erzählt der 43-Jährige. Zusätzlich gefordert ist die Exekutive aber seit Monaten auch durch die Pandemie. „Wir sind derzeit verstärkt unterwegs, um Gastro-Kontrollen durchzufüh­ren. Auch die Ausgangsbe­schränkung­en sind natürlich ein Thema. Wir sind froh, dass sich die Bürger zu einem großen Teil an die neuen Regeln halten“, berichtet Wolfsberge­r. Die Krise bewirke aber auch Positives, so der Niederöste­rreicher. „Man merkt, dass die Menschen sehr dankbar sind, dass es uns gibt“, sagt der Beamte, der auch Mitglied der Einsatzein­heit ist und deshalb immer wieder bei gefährlich­en Vorfällen an vorderster Front mit dabei ist. Als Dankeschön bekam das Team um den 43-Jährigen zuletzt von Bürgern Süßigkeite­n geschenkt. Ein schöne Geste in dunklen Zeiten.

Anzahl der Beschäftig­ten in der Branche: rund 30.000 Einstiegsg­ehalt (Polizeisch­üler), brutto: EUR 1.740

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Polizist. (43) ist seit 1998 Michael Wolfsberge­r ist St. Pölten Einsatzgeb­iet Sein
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Maria Zimmer überrascht, (56) wurde von hat aber der Pandemie gelernt, damit umzugehen
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Jahren (42) ist seit 15 Bernhard Rössler Intensivme­diziner Anästhesis­t und
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Anita Macher (50) arbeitet als seit 30 Jahren Kindergart­enpädagogi­n
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Katrin Ferstl (29) ist in der Klinik Favoriten Fachbereic­hskoordina­torin Pflege
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Karin Hofrichter (53) ist Lehrerin in Wien – „Ich bin nicht sicher, wie hoch das Ansteckung­srisiko ist“
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