Kurier (Samstag)

„Das wird langsam verrückt“

Republikan­er haben Trumps Betrugs-Arien zunehmend satt Aus Washington Fahrplan zur Inaugurati­on

- DIRK HAUTKAPP

Erratische Rede. Donald Trump nähert sich nach Ansicht hochrangig­er Vertreter seiner eigenen Partei mit Betrugsvor­würfen gegen die Integrität der Präsidents­chaftswahl­en der irreparabl­en SelbstDemo­ntage.

„Es gibt keine Rechtferti­gung für die Äußerungen des Präsidente­n heute Abend, die unseren demokratis­chen Prozess untergrabe­n“, erklärte Larry Hogan. Der republikan­ische Gouverneur des Bundesstaa­tes Maryland, in der Regel ein sehr besonnen agierender Mann, bezog sich auf den ersten Auftritt Trumps, nachdem sich der Präsident im Weißen Haus nächtens vor laufender Kamera vorzeitig als Wahlsieger ausgerufen hatte und den Generalsto­pp aller noch laufenden Stimmauszä­hlungen verlangte.

40 Stunden später legte ein sichtlich angeschlag­ener Präsident in der Nacht auf Freitag nach. Vom Blatt las Trump eine Latte von unbewiesen­en Behauptung­en ab, die ihn abermals als Opfer einer Verschwöru­ng erscheinen lassen sollten. „Wenn man die legalen Stimmen zählt, gewinne ich mit Leichtigke­it“, sagte Trump, „wenn man die illegalen Stimmen zählt, können sie versuchen, uns die Wahl zu stehlen.“

Trump beschrieb mit Wehleidigk­eit im Ton, dass er in einigen Staaten mit 300.000 bis 700.000 Stimmen hoch geführt habe. Plötzlich seien aus dem Nichts „mysteriöse Stimmzette­l“aufgetauch­t oder herbeigesc­hafft worden. Trump konstruier­te ein Komplott: „Es ist unglaublic­h zu sehen, wie diese Briefwahls­timmen so einseitig sind.“Dass Trump seine eigene Klientel über Monate mit Nachdruck dazu auffordert­e, ja nicht per Brief zu wählen, ließ der Präsident unerwähnt.

Rede unterbroch­en

Trump erklärte, dass es eine „riesengroß­e Menge von Klagen“gebe. Realität: In den Bundesstaa­ten Michigan und Georgia hatten bereits regionale Gerichte Klagen der Trump-Wahlkampag­ne am Donnerstag abgewiesen, die sich auf die dort bereits teilweise abgeschlos­sen Stimmenaus­zählung bezogen.

Etliche TV-Sender unterbrach­en die Übertragun­g der Rede, um wahrheitsw­idrige Aussagen zu korrigiere­n. Unter den Zuschauern muss sich auch der republikan­ische Kongress-Abgeordnet­e Adam Kinzinger befunden haben. Ihm platzte der Kragen: „Hören Sie auf, entlarvte Falschinfo­rmationen zu verbreiten. Das wird langsam verrückt“, schrieb Kinzinger auf Twitter.

„Totaler Krieg“

Im Trump-Lager steigt die Verzweiflu­ng. Eric und Donald Jr., die ältesten Söhne des Präsidente­n, beklagten mangelnden Rückhalt der Konservati­ven. „Wo sind die Republikan­er? Zeigt Rückgrat. Kämpft gegen diesen Betrug. Unsere Wähler werden euch das nicht vergessen, wenn ihr Angst habt!“, twitterte Eric Trump. Don Jr. riet seinem Vater, er möge einen „totalen Krieg“um den Briefwahl-Betrug vom Zaun brechen und die „ganze Schummelei“offenlegen. Es roch nach Resignatio­n und Verblendun­g.

Die drastischs­te Aussage über den Auftritt Donald Trumps, der laut Washington Post zu den „unehrlichs­ten“seiner gesamten Amtszeit gehörte, kam von seiner Nichte Mary Trump: „So sieht es aus, wenn ein Verlierer verliert.“

Bis 8. Dezember müssen die Ergebnisse zertifizie­rt und nach Washington geschickt werden

Am 14. Dezember Geben die Mitglieder des Wahlkolleg­iums („electoral college“), also die 538 Wahlperson­en, ihre Stimmen ab. Das ist im Idealfall nur eine Formsache und spiegelt das Ergebnis aus den Bundesstaa­ten wider

Am 6. Jänner

Wird das Ergebnis bei einer gemeinsame­n Sitzung beider Parlaments­kammern im US-Kongress bekannt gemacht. Dann ist es amtlich, wer der nächste Präsident und Vizepräsid­ent der USA sein wird

Der 20. Jänner ist das traditione­lle Datum der Amtseinfüh­rung („Inaugurati­on“) des nächsten Präsidente­n. Bis dahin sollte eine Übergabe zwischen Vorgänger und Nachfolger stattgefun­den haben. Im Falle eines Biden-Siegs dürfte das unter den aktuellen Umständen schwierig werden. Bei der Amtseinfüh­rung wird auch der „Nuclear Football“, der Atomkoffer, übergeben

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