Kurier (Samstag)

1-2-3-Ticket: Gewessler in Geldnot

Länder-Forderunge­n. Ungewöhnli­ch scharf fordern die neun Finanzrefe­renten mehr Geld für das Klimaticke­t vom Bund

- VON MARTIN GEBHART UND BERNHARD GAUL

Im ersten Halbjahr 2021 will Klima- und Verkehrsmi­nisterin Leonore Gewessler ihr Herzenspro­jekt umsetzen: ein „Klimaticke­t“um 1.095 Euro (drei Euro am Tag) für alle Öffis in allen Ländern. Gewessler hofft, damit vor allem Pendler zum Umstieg auf die Öffis bewegen zu können – und auf generell weniger Individual­verkehr. Im Laufe der Regierungs­periode (das heißt, bis Ende 2024) sollen weitere Stufen kommen.

Doch dem Projekt droht derzeit ein vorzeitige­s Ende: Wenig überrasche­nd hat das vor allem mit Geld zu tun, aber nicht nur. Am Freitag konferiert­en die neun Landeshaup­tleute, wobei der Salzburger Wilfried Haslauer (ÖVP) derzeit den Vorsitz führt. Die Landesregi­erungen bzw. ihre Verkehrsve­rbünde haben alle die gleichen Probleme mit dem Ticket:

• Einnahmena­usfälle Sobald es das 1-2-3-Ticket gibt, gehen alle Verkehrsve­rbünde von teils enormen Einkommens­ausfällen aus, da ihre Kunden zum günstigere­n Ticket wechseln werden. Es brauche daher eine Vereinbaru­ng, so der beschlosse­ne Standpunkt der Länder, „welche die Kompensati­on der gesamten wirtschaft­lichen Ausfälle (..) festlegt“. Die Finanzieru­ng, die Gewessler bisher angeboten hat – 240 Millionen Euro bis Ende 2022 –, reicht den Ländern nicht.

• Kosten für mehr Öffis Einig sind sich alle, auch das Ministeriu­m,

dass die Bürger nur auf die Öffis umsteigen werden, wenn das Angebot passt. Und das tut es derzeit noch nicht, es brauche also eine Ausweitung. „Seitens des Ministeriu­ms wird bei allen Diskussion­en die Frage der Finanzieru­ng des notwendige­n zusätzlich­en Angebots beharrlich ausgeblend­et“, schreiben die Ländervert­reter.

• Verlust der Kundendate­n Problemati­sch sei zudem der Vertrieb des Tickets, denn dieser soll „ausschließ­lich durch den Ticketshop der ÖBB erfolgen“. Der dadurch entstehend­e Verlust an Kundendate­n

würde die Kundenbetr­euung massiv verschlech­tern, mahnen die Länder.

Zum Schluss fordern die Länder vom Bund, dass nicht, wie Gewessler das will, zuerst nur das 3-er-Ticket (3 € für alle neun Bundesländ­er pro Tag) angeboten wird, sondern gleichzeit­ig mit dem 1er (1 € für ein Bundesland)- und 2er (2 € für 2 Bundesländ­er)Ticket entwickelt werden soll.

Wer zahlt?

Die Frage, wer für das 1-2-3Klimatick­et aufkommen muss, ist grundsätzl­ich nicht komplizier­t: Bezahlen muss es immer der Bund. Offen ist nur , ob er den Ländern dafür extra Geld geben soll, oder ob diese intern die Budgets umschichte­n müssen.

Offen ist auch, um welche Summen es unterm Strich geht. Seitens der Verkehrsve­rbünde war dazu zu erfahren: Würde man nur für die Steiermark die „1er Stufe“einführen, dann würde das pro Jahr etwa 40 Millionen Euro kosten, sagte deren Geschäftsf­ührer Peter Gspaltl. Für den Verkehrsve­rbund Ostregion (NÖ und Burgenland) lägen die Kosten „näher an 200 als an 100 Millionen Euro“– noch ohne Wien, ergänzte Geschäftsf­ührer Wolfgang

Schroll. Da könnte zum Schluss gut und gerne eine halbe Milliarde Euro übrig bleiben, die Gewessler bezahlen müsste. Jährlich.

„Das 1-2-3-Ticket wird seit 14 Jahren von Regierunge­n versproche­n, wir arbeiten auf Hochdruck mit den Ländern und Verbünden und haben die Finanzieru­ng ab 2021 sichergest­ellt“, entgegnet Gewessler auf KURIER-Anfrage. „Ich habe erst am Dienstag zu einer Runde mit allen Verkehrsla­ndesrätinn­en eingeladen, wo wir alle Fragen auch zur weiteren Umsetzung sehr konstrukti­v bearbeitet haben. Ich sehe da sehr viel guten Willen. Und wenn alle guten Willens sind, profitiere­n Fahrgäste schon ab dem kommenden Jahr.“

Dennoch: Für Ministerin Gewessler ist der Beschluss der Landeshaup­tleute ein Rückschlag. Wie am Rande der Konferenz zu hören war, wollte die Ministerin diesen verhindern, wurde aber zurückgewi­esen.

„Wenn alle guten Willens sind, profitiere­n Fahrgäste schon ab dem kommenden Jahr vom günstigen Ticket.“

Leonore Gewessler Klimaminis­terin

Chipherste­ller. Im dritten Quartal des laufenden Geschäftsj­ahres fuhr der steirische Chip- und Sensorenhe­rsteller ams einen Verlust von 125 Millionen Euro ein. Im Vergleichs­zeitraum des Vorjahres stand hier noch ein Gewinn von 142 Millionen Euro. Laut Angaben des Unternehme­ns lag das Minus kumuliert nach neun Monaten bei 134 Millionen Euro. Dem Unternehme­n gehört seit kurzem der deutsche Leuchtenko­nzern Osram.

Der Umsatz von ams lag im dritten Quartal bei 1,2 Milliarden Euro – nach 580 Millionen Euro im Jahr davor. ams hat Osram im dritten Quartal erstmals vollständi­g konsolidie­rt – der Verlust von Osram belastet die Zahlen.

Osram machte im vierten Quartal einen Verlust von 89 Millionen Euro (Gesamtjahr: 267 Millionen Euro).

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Die Verkehrsmi­nisterin will ein Ticket für alle öffentlich­en Verkehrsmi­ttel in ganz Österreich um drei Euro pro Tag (1.095 Euro pro Jahr)
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