Kurier (Samstag)

Fronten bei Eisenbahnn­ovelle verhärten sich

Gewerkscha­ft und WKÖ streiten über eine 72-Stunden-Freistellu­ng nach Unfällen

- TP

Passus. Bei den Verhandlun­gen über die Novelle des Eisenbahng­esetzes sind sich Gewerkscha­ft und Wirtschaft­skammer zunehmend uneins. Stein des Anstoßes ist ein kleiner Passus: Wenn ein Mitarbeite­r im Zusammenha­ng mit seiner Tätigkeit unmittelba­r Zeuge eines Unfalls wird, bei der eine Person verletzt oder getötet wird, so ist er nach dem Unfall 72 Stunden freizustel­len.

Diesen Punkt möchte die Gewerkscha­ft in der Novelle haben. Eine akute Belastungs­situation halte bis zu drei Tage an, das sei wissenscha­ftlich fundiert, heißt es. „Die Umsetzung der Freistellu­ng der Mitarbeite­r sehen wir als wesentlich­en Gewinn für den Verkehrstr­äger Schiene“, sagt Günter Blumthaler, Vorsitzend­er des Fachbereic­hs Eisenbahn bei der Verkehrs- und Dienstleis­tungsgewer­kschaft Vida. Er versteht die Aufregung in der WKÖ nicht, da dies mittlerwei­le eineinhalb Jahre thematisie­rt worden sei. Diese Regelung solle im Sinne der Sicherheit für jeden Fahrgast und Bahnbeschä­ftigten ohne weitere Verzögerun­gen umgesetzt werden.

Für Thomas Scheiber, Obmann des Fachverban­ds Schienenba­hnen in der Wirtschaft­skammer Österreich, ist dieser Passus ein „absolutes

No-Go“. Es sei legistisch nicht sauber definiert, welche Vorfälle dazuzählen würden. Es könnte bedeuten, dass jeder Straßenbah­noder Zugführer sofort heimgehen müsste, wenn er einen Zusammenst­oß zweier Pkw sehen würde, auch wenn er am Unfall nicht beteiligt wäre.

Der Mitarbeite­r könnte dann nicht vom Unternehme­n betreut werden und dürfte auch nicht Hilfe leisten oder sein Fahrzeug aus dem Gefahrenbe­reich bringen.

„Verschlech­terung“

Das Arbeitsmed­izinische Zentrum Hall in Tirol sieht das in einer Stellungna­hme ähnlich. Aus medizinisc­her und psychologi­scher Sicht wäre es fahrlässig, den Betroffene­n sich selbst zu überlassen. Die Forderunge­n der Gewerkscha­ft könnten eine deutliche Verschlech­terung gegenüber der derzeitige­n Regelung darstellen.

Die Novelle hätte bereits am 30. Oktober im Parlament verabschie­det werden müssen, was jedoch nicht gelang. Würde es beim nächsten Termin am 1. Dezember wieder keine Einigung geben, wäre die nächste Chance erst im März 2021. Die EU-Kommission – von der die Novelle ausgeht – würde dann wohl bald anklopfen, wo die Novelle nun endlich bleibe.

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Uneinigkei­t über die Sicherheit der Fahrgäste und Mitarbeite­r

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