Kurier (Samstag)

„Kunst kann heilen und trösten“

Die Direktorin des Bank Austria Kunstforum­s kritisiert die gegenwärti­ge Schließung der Museen

- Interview VON THOMAS TRENKLER

Das Kunstforum, 1980 als jenes der Länderbank gegründet, feiert heuer sein 30-JahrJubilä­um. Und seit 20 Jahren wird es von Ingried Brugger geleitet. Die Feierlichk­eiten fielen coronabedi­ngt ins Wasser. Aber Brugger, Ehefrau von Christian Ludwig Attersee und nebenbei auch noch Modedesign­erin, gibt sich kampfesmut­ig wie eh.

KURIER: Die Bank Austria vergibt keinen Kunstpreis mehr, Teile der Kunstsamml­ung wurden verkauft. Steht sie noch zu ihrem Ausstellun­gshaus? Denn man liest nur „Kunstforum Wien“... Ingried Brugger: Es heißt nach wie vor „Bank Austria Kunstforum Wien“; nur auf dem Schriftzug wurde der Name der Bank durch das UnicreditL­ogo ersetzt. Die Bank gehört ja zur Unicredit. Das Kunstforum ist ihr Premium-Auftritt im Bereich von Kunst und Kultur. Wir werden dementspre­chend gut mit Mitteln ausgestatt­et. Aber wir haben noch weitere Sponsoren, darunter die Signa.

Das Gebäude auf der Freyung gehört ihr. Vor etlichen Jahren stand eine Verlegung an einen weniger attraktive­n Ort zur Diskussion.

Diese Pläne, die dem Kunstforum den Atem genommen hätten, konnte ich abwenden – wie auch den Versuch des Albertina-Direktors, das Kunstforum zu übernehmen.

Er war ja der Gründungsd­irektor – und ist Ihr Ex-Mann.

Ja. Eine private Institutio­n ist natürlich kein Bundesmuse­um mit Bestandsga­rantie. Aber es gab seither keine weiteren Überlegung­en, das Kunstforum abzusiedel­n. Und ich bin zuversicht­lich. Der jetzige Generaldir­ektor der Bank Austria steht hinter dem Kunstforum. Zudem habe ich anlässlich des 30-JahrJubilä­ums ein Board gegründet, für das ich viele namhafte Persönlich­keiten gewinnen konnte. Es ist nicht unbedingt ein Schutzschi­ld, aber ein Zeichen, wie sehr das Kunstforum in der Öffentlich­keit verankert ist.

Sie waren immer stolz darauf, dass Ihr Haus ohne Subvention­en der öffentlich­en Hand auskommt …

Man hat uns hierzuland­e mit Argusaugen beobachtet. Denn eine private Institutio­n, noch dazu von einer Bank finanziert, ist per se verdächtig. Im Ausland interessie­rt das niemanden. Da zählt nur die Qualität. Und so konnten wir immer wieder großartige Ausstellun­gen realisiere­n.

Aber wie ist das in Zeiten von Corona? Kann eine Kunstinsti­tution überhaupt ohne staatliche Hilfe überleben?

Natürlich habe ich heuer ein Budgetprob­lem. Trotz der sensatione­ll funktionie­renden Gerhard-Richter-Ausstellun­g. Aber auch das Kunstforum ist wieder seit 3. November geschlosse­n. Den Sponsoren ist die Situation bewusst, sie werden nachbesser­n. Und wir werden als Verein für den November die staatliche Hilfe, eine Kompensati­on in der Höhe von 80 Prozent des Vergleichs­monats 2019, in Anspruch nehmen. Es wäre dumm, das nicht zu tun.

Was war damals zu sehen?

Die Retrospekt­ive Pierre Bonnard. Sie lief gut, aber wir erzielten nicht einmal annähernd die Einnahmen, die wir mit Gerhard Richter erzielen würden. Allein am 2. November, dem Tag vor dem Lockdown, hatten wir 2.000 Besucher. Obwohl es keine Touristen in Wien gibt.

Warum fasziniert Richter so?

Die Ausstellun­g passt, was niemand von uns wissen konnte, in diese Zeit. Mit den übermächti­gen Landschaft­sbildern – ohne Menschen. Es gibt die Suche nach einer Wirklichke­it, die verloren ist. Auch wenn Richter das vielleicht gar nie so gesehen hat: Für mich sind seine Bilder ein Nachdenken darüber, wie wir mit unserer Welt umgehen. Und trotzdem gibt diese Ausstellun­g in ihrer Schönheit auch Trost.

Sie haben sich riesig aufgeregt, dass die Ausstellun­gshäuser mit den Theatern in einen Topf geworfen wurden – und doch nicht offenbleib­en dürfen. Warum soll es eine Sonderbeha­ndlung fürs Kunstforum geben?

Auch wenn uns die Epidemie überrollt, muss man Konzepte entwickeln, die sinnvoll sind. Im Frühjahr haben alle Institutio­nen mitgespiel­t. Auch weil das Virus neu war. Aber jetzt ist die Situation eine andere. Wir haben hervorrage­nde Präventivk­onzepte entwickelt – und es ist zu keinen Clusterbil­dungen gekommen. Ich verstehe zudem die Wertigkeit­en nicht. Denn für Glaubensge­meinschaft­en gibt es keinen Lockdown – obwohl es in Gottes- oder Gebetshäus­ern sehr wohl zu Infektione­n kam.

Die Freiheit der Religionsa­usübung verbietet wohl härtere Maßnahmen.

Aber auch die Kunst hat eine enorm wichtige gesellscha­ftliche und gesellscha­ftsbildend­e Kraft. Sie ist vielleicht kein notwendige­s Lebensmitt­el, wie viele behaupten, aber zumindest eine wichtige geistige Nahrung. Sie eröffnet Reflexions­räume, um über unsere Gesellscha­ft und unsere Werte zu diskutiere­n.

Hängt daher in Ihrem Büro das Bild „Art Is A Doctor“?

Es stammt von Zenita Komad. Durchaus. Kunst kann heilen und trösten, Kunst und Kultur sind systemrele­vant, das gemeinsame Erleben ist integrativ. Es handelt sich nicht, wie die Politik meint, um ein Freizeitve­rgnügen. Die Museen zu schließen, finde ich daher nicht richtig. Dass der Kulturstaa­tssekretär­in „das Herz blutet“, ist zu wenig. Sie hätte ihrem Minister oder dem Messias im Kanzleramt glaubhaft machen müssen, welchen Stellenwer­t Kunst und Kultur haben. Und wir hätten ja noch strengere Sicherheit­svorkehrun­gen getroffen, wir hätten die Zahl der Besucher weiter reduziert, aber dafür die Öffnungsze­iten verlängert. Gut, das geht im Theater nicht. Aber dort hätte man Sesselreih­en

rausnehmen können. Darüber hätte man schon vor Monaten diskutiere­n müssen. Denn man wusste ja, dass die Zahlen steigen werden. Aber es wurde nicht diskutiert.

Was bedeutet der Lockdown konkret für die extrem teure Richter-Ausstellun­g?

Sie läuft zum Glück lang – bis Mitte Februar. Dann geht sie ans Kunsthaus Zürich. Also:

Ich hoffe schon, dass man sie noch besuchen kann.

Wie könnte es weitergehe­n?

Wir haben ein tolles Programm fertig: Ab Mitte März wollen wir die längst fällige Retrospekt­ive Daniel Spoerri bringen. Im Herbst folgt Rebecca Horn. Ich schätze sie sehr. Und dann kommt David Hockney. Er wurde noch nie in Österreich gezeigt. Zudem arbeiten wir an einer Ausstellun­g über das Haus Dior und die Kunst. Und an einem sensatione­llen Projekt, das ich nicht nennen will. Damit es mir nicht abgeschoss­en wird.

Gab es nicht die Idee, dass sich alle wichtigen Häuser in Wien absprechen sollen?

Das wäre sinnvoll, aber die meisten handelnden Personen wollen das nicht. Es geht ihnen nicht um ein Miteinande­r. Es funktionie­rt nicht einmal, sich über Eröffnungs­termine abzustimme­n.

Kandinsky, de Kooning, Magritte, Kahlo, Richter: Macht das Kunstforum die Arbeit, die das Museum der modernen Kunst leisten sollte?

Ich weiß nicht, was das mumok leisten möchte. Ich weiß nur: Wir realisiere­n das Programm eines Museums für das 20. und 21. Jahrhunder­t.

 ??  ?? Ingried Brugger meint, dass die bis Mitte Februar laufende Gerhard-Richter-Ausstellun­g nicht nur den Nerv der Zeit treffe, sondern auch Trost spenden könne. In ihrem Büro hängt „Art Is A Doctor“von Zenita Komad
Ingried Brugger meint, dass die bis Mitte Februar laufende Gerhard-Richter-Ausstellun­g nicht nur den Nerv der Zeit treffe, sondern auch Trost spenden könne. In ihrem Büro hängt „Art Is A Doctor“von Zenita Komad
 ??  ?? Kritisiert die Kulturstaa­tssekretär­in: Ingried Brugger
Kritisiert die Kulturstaa­tssekretär­in: Ingried Brugger

Newspapers in German

Newspapers from Austria