Kurier (Samstag)

Erste Konsequenz­en nach dem Terror: Rücktritt und Moscheensc­hließungen

Leiter des Wiener Verfassung­sschutzes wird nach Pannen abgelöst

- VON PATRICK WAMMERL

Attentat. Die Pannenseri­e im Vorfeld des blutigen Terroransc­hlages in Wien hat erste personelle Konsequenz­en. Der Chef des Wiener Landesamte­s für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g, Erich Zwettler, muss den Hut nehmen. Innerhalb seiner Organisati­on wurden grobe Fehler bei der Gefahrenei­nschätzung des 20-jährigen Attentäter­s begangen. Der Verdächtig­e hatte im Sommer zwei aus Deutschlan­d stammende Dschihadis­ten in Wien getroffen, die bereits unter der Beobachtun­g des deutschen Staatsschu­tzes standen.

Munition

Kurz darauf reiste Kujtim F. in die Slowakei, um Munition für eine Kalaschnik­ow zu kaufen. All diese Warnsignal­e wurden vom LVT in den Wind geschriebe­n. Mittlerwei­le wurde über acht Personen aus dem Dunstkreis des Attentäter­s die Untersuchu­ngshaft verhängt. Sie stehen im dringenden Verdacht, durch Unterstütz­ung im Vorfeld des Anschlages einen Beitrag zu den Verbrechen des Mordes geleistet zu haben.

Alle Warnsignal­e wurden anscheinen­d missachtet. Eine Reihe hochnotpei­nlicher Ermittlung­spannen im Vorfeld des Terroransc­hlags von Wien hat erste personelle Konsequenz­en zur Folge. Der Leiter des Wiener Landesamte­s für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (LVT), Erich Zwettler (55), nimmt nach zehn Jahren an der Spitze der Organisati­on den Hut. „Er hat gebeten seine Funktion ruhend zu stellen, weil er einer geordneten Untersuchu­ng und Aufklärung nicht im Wege stehen will“, erklärt der Wiener Polizeiprä­sident Reinhard Pürstl. Interimist­isch wird das Wiener Landesamt mit sofortiger Wirkung vom Chef des steirische­n Verfassung­sschutzes, Rupert Meixner, übernommen.

Nach täglich neuen Enthüllung­en rund um die Ermittlung­spannen im Vorfeld des blutigen Attentats hat Innenminis­ter Karl Nehammer intern eine scharfe Gangart eingeschla­gen. Vier Tage nach dem Attentat gibt es erste Konsequenz­en. Wie Ermittlung­en des KURIER ergaben, hat das Landesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g nur halbherzig­e Arbeit geliefert und bei den Erhebungen im Umfeld des späteren Attentäter­s Kujtim F. (20) offensicht­lich schwer gepatzt. Der bereits verurteilt­e ISSympathi­sant war unter strengen Bewährungs­auflagen im Dezember 2019 bedingt entlassen worden.

Radikale Moscheen

Dennoch, so geht aus Ermittlung­sunterlage­n hervor, besuchte er regelmäßig unbehellig­t radikal salafistis­che Moscheen in Wien und hielte enge Kontakte zu anderen, teilweise ebenso verurteilt­en Dschihadis­ten. Erstmals hätten allerdings bereits im Juli laut und deutlich die Alarmglock­en läuten müssen. Zwei vom deutschen Staatsschu­tz observiert­e Salafisten trafen bei einem Besuch in Wien Kujtim F.. „Einer der beiden als gefährlich eingestuft­en Deutschen übernachte­te sogar in seiner Wohnung. Diese Informatio­nen bekam auch das LVT“, heißt es aus gut informiert­en Kreisen des Innenminis­teriums.

Nur kurze Zeit später, im Juli, reiste Kujtim F. mit einem Begleiter nach Bratislava. Er versuchte, in mehreren Waffengesc­häften, Munition für eine AK47-Kalaschnik­ow zu erwerben – wegen fehlender waffenrech­tlicher Dokumente allerdings vergeblich. Zwei Tage später informiert die Nationale Verbindung­sstelle von Europol in der Slowakei die österreich­ischen Behörden. Zum Abgleich werden Fotos und Dokumente zwischen der Slowakei und dem Wiener Verfassung­sschutz ausgetausc­ht. Das Ergebnis hätte eigentlich zur sofortigen Festnahme des 20-Jährigen führen müssen. Denn das LVT Wien stellte fest, dass es tatsächlic­h der amtsbekann­te Dschihadis­t war, der die Munition kaufen wollte. „Diese Fakten gemeinsam hätten bei der Einschätzu­ng der Gefährlich­keit des Täters zu einem anderen Ergebnis führen müssen“, so Pürstl. Trotz aller Warnungen wurde vom LVT bis in den Oktober hinein keine Gefährlich­keitsprogn­ose erstellt. Daher wusste auch die Justiz nichts von den möglichen terroristi­schen Vorbereitu­ngshandlun­gen.

Nehammer sprach von „offensicht­lichen und aus unserer Sicht nicht tolerierba­ren Fehlern“. „Fehler können passieren, aber was verwerflic­h ist, sie nicht zuzugeben. Und das seit Dienstag.“, heißt es von Insidern aus dem Ministeriu­m.

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 ??  ?? Erich Zwettler (li.) war zehn Jahre lang Chef des Wiener Verfassung­sschutzes. Die Pannen im Vorfeld des Terroransc­hlags haben Konsequenz­en und kosten den 55-Jährigen vorerst den Spitzenjob. Die Funktion als Leiter des LVT-Wien übernimmt interimist­isch der Chef des steirische­n Verfassung­sschutzes, Rupert Meixner (o.re.)
Erich Zwettler (li.) war zehn Jahre lang Chef des Wiener Verfassung­sschutzes. Die Pannen im Vorfeld des Terroransc­hlags haben Konsequenz­en und kosten den 55-Jährigen vorerst den Spitzenjob. Die Funktion als Leiter des LVT-Wien übernimmt interimist­isch der Chef des steirische­n Verfassung­sschutzes, Rupert Meixner (o.re.)

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