Erste Konsequenzen nach dem Terror: Rücktritt und Moscheenschließungen
Leiter des Wiener Verfassungsschutzes wird nach Pannen abgelöst
Attentat. Die Pannenserie im Vorfeld des blutigen Terroranschlages in Wien hat erste personelle Konsequenzen. Der Chef des Wiener Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, Erich Zwettler, muss den Hut nehmen. Innerhalb seiner Organisation wurden grobe Fehler bei der Gefahreneinschätzung des 20-jährigen Attentäters begangen. Der Verdächtige hatte im Sommer zwei aus Deutschland stammende Dschihadisten in Wien getroffen, die bereits unter der Beobachtung des deutschen Staatsschutzes standen.
Munition
Kurz darauf reiste Kujtim F. in die Slowakei, um Munition für eine Kalaschnikow zu kaufen. All diese Warnsignale wurden vom LVT in den Wind geschrieben. Mittlerweile wurde über acht Personen aus dem Dunstkreis des Attentäters die Untersuchungshaft verhängt. Sie stehen im dringenden Verdacht, durch Unterstützung im Vorfeld des Anschlages einen Beitrag zu den Verbrechen des Mordes geleistet zu haben.
Alle Warnsignale wurden anscheinend missachtet. Eine Reihe hochnotpeinlicher Ermittlungspannen im Vorfeld des Terroranschlags von Wien hat erste personelle Konsequenzen zur Folge. Der Leiter des Wiener Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT), Erich Zwettler (55), nimmt nach zehn Jahren an der Spitze der Organisation den Hut. „Er hat gebeten seine Funktion ruhend zu stellen, weil er einer geordneten Untersuchung und Aufklärung nicht im Wege stehen will“, erklärt der Wiener Polizeipräsident Reinhard Pürstl. Interimistisch wird das Wiener Landesamt mit sofortiger Wirkung vom Chef des steirischen Verfassungsschutzes, Rupert Meixner, übernommen.
Nach täglich neuen Enthüllungen rund um die Ermittlungspannen im Vorfeld des blutigen Attentats hat Innenminister Karl Nehammer intern eine scharfe Gangart eingeschlagen. Vier Tage nach dem Attentat gibt es erste Konsequenzen. Wie Ermittlungen des KURIER ergaben, hat das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung nur halbherzige Arbeit geliefert und bei den Erhebungen im Umfeld des späteren Attentäters Kujtim F. (20) offensichtlich schwer gepatzt. Der bereits verurteilte ISSympathisant war unter strengen Bewährungsauflagen im Dezember 2019 bedingt entlassen worden.
Radikale Moscheen
Dennoch, so geht aus Ermittlungsunterlagen hervor, besuchte er regelmäßig unbehelligt radikal salafistische Moscheen in Wien und hielte enge Kontakte zu anderen, teilweise ebenso verurteilten Dschihadisten. Erstmals hätten allerdings bereits im Juli laut und deutlich die Alarmglocken läuten müssen. Zwei vom deutschen Staatsschutz observierte Salafisten trafen bei einem Besuch in Wien Kujtim F.. „Einer der beiden als gefährlich eingestuften Deutschen übernachtete sogar in seiner Wohnung. Diese Informationen bekam auch das LVT“, heißt es aus gut informierten Kreisen des Innenministeriums.
Nur kurze Zeit später, im Juli, reiste Kujtim F. mit einem Begleiter nach Bratislava. Er versuchte, in mehreren Waffengeschäften, Munition für eine AK47-Kalaschnikow zu erwerben – wegen fehlender waffenrechtlicher Dokumente allerdings vergeblich. Zwei Tage später informiert die Nationale Verbindungsstelle von Europol in der Slowakei die österreichischen Behörden. Zum Abgleich werden Fotos und Dokumente zwischen der Slowakei und dem Wiener Verfassungsschutz ausgetauscht. Das Ergebnis hätte eigentlich zur sofortigen Festnahme des 20-Jährigen führen müssen. Denn das LVT Wien stellte fest, dass es tatsächlich der amtsbekannte Dschihadist war, der die Munition kaufen wollte. „Diese Fakten gemeinsam hätten bei der Einschätzung der Gefährlichkeit des Täters zu einem anderen Ergebnis führen müssen“, so Pürstl. Trotz aller Warnungen wurde vom LVT bis in den Oktober hinein keine Gefährlichkeitsprognose erstellt. Daher wusste auch die Justiz nichts von den möglichen terroristischen Vorbereitungshandlungen.
Nehammer sprach von „offensichtlichen und aus unserer Sicht nicht tolerierbaren Fehlern“. „Fehler können passieren, aber was verwerflich ist, sie nicht zuzugeben. Und das seit Dienstag.“, heißt es von Insidern aus dem Ministerium.