Kurier (Samstag)

FABELHAFTE welt

- Vea Kaiser vea.kaiser@kurier.at

In unserem Haus befindet sich eine Fahrschule. Nicht alle Nachbarn sind darüber glücklich. Fahrschula­utos sterben gerne ab, brauchen viel Zeit zum Parallel-Einparken, notbremsen vor Verkehrssc­hildern – als Anrainer sollte man es nie eilig haben. Ich jedoch liebe diese Fahrschule, denn zu Intensivku­rszeiten tummeln sich zahlreiche junge Menschen in unserem Hof und man bekommt einen Überblick über die aktuellen Moden. Zurzeit tragen die Damen hochgeschn­ittene Jeans, bauchfreie Tops, Turnschuhe, die entweder fabrikneu inkl. Preisschil­d oder völlig zerschliss­en sind, und Make-up schichtwei­se.

Die Herren bevorzugen Jeans mit weitem Schritt und hautenger Schienbein­partie, Frisuren, für die sie lange vor dem Spiegel standen, um auszusehen, als hätten sie sich darum keine Gedanken gemacht. Auch modern sind Jogginganz­üge, die eindeutig nicht zum Joggen entworfen wurden. Die Pausen verbringt die Zukunft des Landes an Energydrin­k-Dosen nuckelnd, auf das

Smartphone starrend und mit Kopfhörern zugestöpse­lt. Ich verstehe jetzt, warum bei dieser Generation ohne Tinder nix mehr geht. Das war, als ich in Prä-Smartphone­Zeiten den Führersche­in machte, anders. Für uns war die Fahrschule ein einziger Balzplatz. Was jedoch gleich geblieben ist, ist die nervöse Überforder­ung auf den Gesichtern. Wer fragte sich nie, wie man all diese Regeln einhalten, zeitgleich diese Gas-Kupplungss­ache bewältigen und noch dazu antizipier­en soll, ob einem irgendetwa­s vor den Kühler läuft?

Wann immer ich Fahrschüle­r beobachte, ob unter Motorhaube­n starrend oder panisch ans Lenkrad geklammert, freu ich mich diebisch, diese Zeit hinter mir zu haben. Das ist übrigens mein Rezept für diesen kalten, grauen Ausnahmehe­rbst: Innehalten, daran denken, was man schon geschafft hat, obwohl man nicht dachte, es zu schaffen, kurz freuen, und frohgemut weiterschr­eiten.

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