Kurier (Samstag)

ÜBER leben

- Guido Tartarotti guido.tartarotti@kurier.at

Seit drei Wochen gibt es das neue Album von Bruce Springstee­n und seit drei Wochen höre ich es ununterbro­chen. „Letter to You“ist formschön, voller Sentimenta­lität und großen, echten Gefühlen und es ist über jede Aufregung erhaben (um nicht zu sagen: manchmal auch ein bisschen langweilig). Es ist Musik über die Kraft der Musik, Musik zum Einbis Zweisamsei­n, Musik für den Lockdown. Anstatt Bananenbro­t zu backen, sollte man lieber zehnmal täglich dieses Album hören. Man braucht dann auch gleich weniger Klopapier, weil man aufs Klogehen vergisst. Wir bekommen die große, heilende Kraft der E Street Band zu spüren. Die Gitarren schichten sich zu Wänden, die Orgel schluchzt, das Piano hämmert Nägel durch den Sound, manchmal bellt eine heisere Mundharmon­ika, und Chöre jubilieren wichtige Textzeilen wie „Lalala!“

Vor allem aber ist dieses Album bis an den Rand gefüllt mit außergewöh­nlich guten Liedern. Das beste davon heißt „House of a Thousand Guitars“, und es feiert die Magie der Musik: „So wake and shake off your troubles my friend/We'll go where the music never ends/From the stadiums to the small town bars/We'll light up the house of a thousand guitars.“

Ähnlich gut ist „Ghosts“, Springstee­ns Verbeugung vor all jenen Musikern, die vor ihm kamen und deren Kraft ihn trägt: „Ich bin am Leben!“, ruft er. „Ich spüre das Blut in meinen Knochen zittern!“

Wer sich politische Ansagen erhofft hat, wird enttäuscht. „The criminal clown has stolen the throne/he steals what he can never own“ist der einzige Verweis auf jene Figur, die in Wahrheit zu unwichtig ist, um in einem Springstee­n-Album vorzukomme­n. Gute Rockmusik ist vertonte Sehnsucht. Es geht um das, was nicht da ist: die große Liebe, die große Freiheit, oder wenigstens ein großes Auto. „Letter to You“ist der richtige Soundtrack, um sich auf das zu freuen, was danach kommt.

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