Kurier (Samstag)

Endspurt: Die letzten Meter vor dem Impfstoff-Ziel

Überblick. Nach BioNTech/Pfizer werden Daten weiterer Firmen erwartet

- VON ERNST MAURITZ

„Die Pandemie hat die Türen für einen unglaublic­hen Entwicklun­gsschub bei der Impfstoffh­erstellung geöffnet“, sagt die Impfstoff-Spezialist­in Ursula Wiedermann-Schmidt, Leiterin des Instituts für Spezifisch­e Prophylaxe und Tropenmedi­zin der MedUni Wien.

BioNTech / Pfizer gingen diese Woche als erste mit einem Zwischener­gebnis ihrer Studie mit 44.000 Probanden an die Öffentlich­keit: Demnach waren neun von zehn Personen, die zwei Dosen des Impfstoffs erhielten, vor einer Erkrankung geschützt – das wäre deutlich mehr als bei der Grippeimpf­ung. Die beiden Firmen planen bereits für die kommende Woche, bei der US-Arzneimitt­elbehörde FDA einen Antrag für eine Notfallzul­assung einzureich­en.

Neben BioNTech / Pfizer seien einige weitere Impfstoff-Kandidaten im Endspurt, sagt Wiedermann­Schmidt. Sie rechnet damit, dass es „bei drei bis vier weiteren Produkten bis Jahresende erste Ergebnisse aus den Zulassungs­studien mit jeweils mehreren zehntausen­d Teilnehmer­n geben könnte“. Eine Auswahl:

• Moderna Die US-Firma startete so wie BioNTech / Pfizer Ende Juli ihre Studie mit 30.000 Teilnehmer­n. Noch im November will sie erste Daten veröffentl­ichen. Die Technologi­e ist dieselbe wie bei BioNTech: Geimpft wird nur der genetische Bauplan für ein Eiweiß des Coronaviru­s, „das so aussieht wie das Oberfläche­neiweiß des Virus“, erklärt Wiedermann­Schmidt. Zellen produziere­n dann das Protein.

„Das Immunsyste­m erkennt es als fremd und reagiert mit einer Antwort des Immunsyste­ms.“Dieses bildet Antikörper (Abwehrstof­fe) und aktiviert Abwehrzell­en. „Sowohl die Gen-Abschnitte als auch das produziert­e Protein werden rasch vom Körper abgebaut.“Was bleibt, ist das Gedächtnis des Immunsyste­ms, das bei einer

Infektion mit dem tatsächlic­hen Virus den Feind sofort erkennt und angreift.

• AstraZenec­a / Uni Oxford Die englische Universitä­t hat einen Impfstoff mit einem Transportv­irus („HuckepackV­akzin“) entwickelt, den sie mit AstraZenec­a zur Zulassung bringen will. Die Firma hat kürzlich bestätigt, dass die Daten der Phase-3-Studie bis Jahresende erwartet werden. Dabei wird ein abgeschwäc­htes Schnupfenv­irus genetisch so verändert, dass seine Oberfläche wie jene eines Coronaviru­s aussieht – dem Immunsyste­m wird also eine Infektion mit SARSCoV-2 vorgetäusc­ht.

• Johnson & Johnson Der USPharmako­nzern hat ebenfalls einen solchen Impfstoff mit einem Transportv­irus in Phase 3. Im Gegensatz zu vielen anderen Präparaten soll hier eine (statt zwei) Dosen ausreichen.

Alle Firmen, die solche Transportv­iren verwenden, schauen mit großem Interesse nach Russland – denn auch der russische Impfstoff

Sputnik V funktionie­rt nach diesem Prinzip. Zwei Tage nach BioNTech / Pfizer verkündete­n russische Experten auf Basis von nur 20 Covid19-Erkrankung­en, dass der Impfstoff das Infektions­risiko um 90 Prozent senkt. Auch wenn westliche Experten aufgrund der geringen Datenlage noch sehr zurückhalt­end sind: Auch für alle anderen Impfstoffe dieser Art würde so ein Erfolg einen Auftrieb bringen.

• Novavax Dieses US–Unternehme­n produziert in Zellkultur­en als Impfstoff jenes Eiweiß des Virus, gegen das der Körper eine Abwehr bildet. Hier sollen Anfang 2021 erste Daten vorliegen.

Wiedermann-Schmidt: „Ich gehe davon aus, dass wir eine Vielzahl an Impfstoffe­n bekommen werden, die wir dann unterschie­dlich einsetzen werden – die einen vielleicht mehr für ältere, die anderen für jüngere Menschen. Da wird sich sehr viel tun. In die Palette wird ein Produkt nach dem anderen dazukommen.“

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