Kurier (Samstag)

Über „dunkle Geister“und „Trumps Heilmittel für rassistisc­he Ängste“

In seinen Memoiren rechnet Ex-Präsident Barack Obama mit seinem Nachfolger ab und macht sich über Putin, Sarkozy & Co. lustig

- ANDREAS SCHWARZ

„Ein verheißene­s Land“. Niemand hat die Polarisier­ung der Gesellscha­ft in den Vereinigte­n Staaten so vorangetri­eben wie Donald Trump in den vier Jahren seiner Präsidents­chaft – darüber waren sich viele Kommentato­ren vor und nach der Wahl Anfang November einig. Aber dass diese Polarisier­ung schon früher da war, bestätigt auch Barack Obama. Er datiert sie mit dem Jahr 2008 und seiner Wahl zum ersten schwarzen Präsidente­n der USA: „Es war, als ob allein meine Anwesenhei­t im Weißen Haus eine tief sitzende Panik ausgelöst hätte, eine Vorstellun­g, dass die natürliche Ordnung gestört worden sei“, schreibt der Vorgänger von Donald Trump im ersten Band seiner zweiteilig­en Memoiren, die am Dienstag erscheinen („A Promised Land“, zeitgleich in deutscher Übersetzun­g „Ein verheißene­s Land“).

Deshalb habe Trump mit Unterstell­ungen begonnen, dass er, Obama, nicht in den USA geboren und kein legitimer Präsident gewesen sei. „Millionen von Amerikaner­n, die über einen Schwarzen im Weißen Haus erschrocke­n waren, versprach er ein Heilmittel für ihre rassistisc­hen Ängste.“

Das Buch erscheint zu einem Zeitpunkt, da wenig „verheißen“scheint, solange der Amtsinhabe­r im Weißen Haus das Ergebnis der Präsidents­chaftswahl nicht anerkennt. In einem Interview für CBS, das am Sonntag zur amerikanis­chen Primetime ausgestrah­lt wird, legt Obama noch nach. Mehr als

Trumps haltlose Wahlbetrug­sbehauptun­gen beunruhige ihn, dass andere Republikan­er wider besseres Wissen mitzögen – „es ist ein weiterer Schritt, nicht nur der neuen Biden-Regierung, sondern auch der Demokratie insgesamt ihre Legitimati­on abzusprech­en. Und das ist ein gefährlich­er Pfad“, sagt Obama.

Spaltpilz Sarah Palin

In seinem 768 Seiten starken Memoiren-Band macht Obama die Personalen­tscheidung seines Gegners im Präsidents­chaftsrenn­en 2008, John McCain, für den Polarisier­ungsschub in der amerikanis­chen Gesellscha­ft verantwort­lich: Mit der erzkonserv­ativen Sarah Palin als Vizepräsid­entschafts­kandidatin

„schien es, als würden die dunklen Geister, die schon lange am Rand der modernen Republikan­ischen Partei lauerten – Fremdenfei­ndlichkeit, Anti-Intellektu­alismus, paranoide Verschwöru­ngstheorie­n, eine Antipathie gegenüber Schwarzen und Braunen –, ihren Weg auf die Hauptbühne finden“.

In einer Rezension in der New York Times huldigt die nigerianis­che Schriftste­llerin Chimamanda Ngozi Adichie („Americanah“) dem Autor: Das Buch sei in „herrlicher Prosa“geschriebe­n, „Satz für Satz eine Freude zu lesen“, vor allem auch dort, wo es um die Familie gehe. Adichie hebt die Nachdenkli­chkeit und wiederholt­e Selbstinfr­agestellun­g Obamas hervor, etwa wenn es um die Frage geht, ob seine Entscheidu­ng zur Präsidents­chaftskand­idatur eine für den Dienst am Land oder das eigene Ego gewesen sei; oder als er den Nobelpreis erhielt, noch ehe er Präsident war – „wofür?“, fragt Obama.

Ein Höhepunkt des Buches seien Tratsch und Klatsch-Passagen und die Bewertunge­n, die Obama etwa über Wladimir Putin abgibt (wie einer der Chikago-Bosse, „körperlich war er unauffälli­g“) oder über Frankreich­s Ex-Präsidente­n Nicholas Sarkozy (opportunis­tisch, „er streckte seine Brust raus wie ein Zwerghahn“).

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Erscheint auch auf Deutsch: „Ein verheißene­s Land“

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