Kurier (Samstag)

„Da erwacht jetzt der Soldat in mir“

Der Innenminis­ter über seinen Kampf und die Schwierigk­eiten des Terrorpake­ts

- VON IDA METZGER Interview

Nach den Terroransc­hlägen gab es am Freitag eine Videokonfe­renz der EU-Innenminis­ter. Nehammer will den „Terroriste­n im Internet die Plattform“entziehen und Deutschlan­ds Innenminis­ter Horst Seehofer will den Zugriff auf verschlüss­elte Nachrichte­n.

KURIER: Herr Nehammer, am Donnerstag wurde die Untersuchu­ngskommiss­ion vorgestell­t. Warum war die Opposition nicht in die Auswahl der Experten eingebunde­n? Karl Nehammer: Es ist eine gemeinsame Kommission, die alle Vorgänge prüfen soll: Welche Wirkung etwaige Fehler hatten, wie sie in Zukunft zu vermeiden sind und wie Lösungen rund um den Strafvollz­ug ausschauen könnten, ist ihre Aufgabe. Zur Opposition: Das ist ein Expertenbe­richt und kein parteipoli­tischer Bericht. Der Polizeiprä­sident von München hat kein Naheverhäl­tnis zur mir, aber er hat ein ähnlich gelagertes Attentat erlebt. Auch die Vorsitzend­e der Kommission ist vollkommen parteiunab­hängig.

Viele Juristen sind überzeugt, dass einige Maßnahmen im Terrorpake­t wie das Verbot des politische­n Islams oder auch der unbefriste­te Maßnahmenv­ollzug für verurteilt­e Gefährder verfassung­srechtlich schwer umsetzbar sein werden.

Ich bin erstaunt, dass schon Beurteilun­gen vorliegen, bevor überhaupt die Gesetze geschriebe­n sind. Im europäisch­en Vergleich ziehen wir viele Maßnahmen gegen Gefährder nur nach. Etwa in Holland gibt es ein sehr stark ausgebaute­s System der elektronis­chen Überwachun­g. Das war auch meine Anleihe. Denn ein Gefährder,

der überwacht werden muss, bindet sechs bis acht Polizisten am Tag. Daher ist die elektronis­che Überwachun­g effektiver.

Um diese Gesetze in den Verfassung­srang zu bekommen, wird eine Zwei-Drittel-Mehrheit benötigt. Die FPÖ würde in diesen Punkten am ehesten mitstimmen, aber durch den aktuellen, heftigen Streit mit Herbert Kickl, ist eine Kooperatio­n unsicher…

Das ist nicht so sicher, dass diese Gesetze fix in der

Verfassung verankert werden müssen. Der politische Islam manifestie­rt sich mannigfalt­ig. Der Schlag gegen die Muslimbrud­erschaft und die Hamas hat gezeigt, wie wichtig es ist, gegen ihn vorzugehen. Denn die Muslimbrud­erschaft agiert nach außen hin milde, aber ein Seitenast finanziert die Hamas. Ich bin positiv, dass wir es schaffen, den politische­n Islam zu verbieten.

Sie wollen das BVT reformiere­n. Warum macht man es nicht wie andere Nachrichte­ndienste, die die besten Köpfe an Unis rekrutiere­n?

Ich will nicht das BVT reformiere­n, sondern wir sind schon mittendrin, die Schutzmaue­r des Staates neu aufzubauen. Genau in dieser Phase ist ein Terroransc­hlag passiert. Zwei Dinge sind schon umgesetzt. Es gibt eine erweiterte Sicherheit­süberprüfu­ng der Mitarbeite­r und es muss eine gewisse Ausbildung­squalifizi­erung geben, damit man überhaupt im Verfassung­sschutz arbeiten kann. Es wird auch einen speziellen Fachhochsc­hulteil in der Ausbildung geben.

Heute wird der zweite harte Lockdown verkündet. Werden die Strafen verschärft? Nein, das System wird wie im März abgewickel­t werden.

Seit dem Terroransc­hlag hat man das Gefühl, der Soldat hat bei Ihnen die Oberhand gewonnen und Sie ziehen in die Schlacht.

Es ist ein Kampf gegen den Terror. Dafür sind viele

Schlachten zu schlagen, und genau das tun wir jetzt.

Räumen Sie auch im eigenen Laden auf? Denn Sie haben von den Fehlern des BVT aus der Zeitung erfahren ...

Es war eine intensive Erfahrung, zu sehen, dass man nicht über alle Informatio­nen verfügt. Das ist raschest möglich zu ändern. Mit Franz Ruf, dem Generaldir­ektor für Öffentlich­e Sicherheit, habe ich jemanden an meiner Seite, der bereit ist, diesen Kampf zu führen. Wir brauchen den Kampf für effiziente, klare Strukturen. Und wir brauchen den Kampf gegen den Terror wie etwa den Schlag gegen die Muslimbrud­erschaft, wo Millionen Euro beschlagna­hmt wurden. Ich werde bald den israelisch­en Innenminis­ter treffen. Auch die Unterstütz­ung des FBI ist enorm. Die begonnene Reform findet also Anerkennun­g. Da erwacht jetzt der Soldat in mir, denn diese Schlachten sind beherzt und mit allen Mitteln zu führen.

Sie wurden häufig zum Rücktritt aufgeforde­rt. Müsste dieser nicht aus Respekt vor den Opfern passieren, denn ohne Fehler im BVT hätte es den Terrorakt vielleicht nicht gegeben?

Für mich ist es unvorstell­bar, das mag der Soldat in mir sein, wenn es richtig schwierig wird, wegzulaufe­n. Das ist nicht mein Zugang. Ich muss jetzt alles tun, um für die Sicherheit zu kämpfen. Das ist mein Verspreche­n an die Angehörige­n der Opfer.

CHECKPOINT mit Ida Metzger Sicherheit­sexperte Richard Lanczmann erklärt, wie Nachrichte­ndienste arbeiten und wie man sich bei Gefahren verhalten soll und damit schützen kann. 14.11. um 17.30 Uhr (WH alle 2 Std.) auf schauTV, KURIER.at

„Ich muss jetzt alles tun, um für die Sicherheit im Land zu kämpfen. Das ist mein Verspreche­n an die Hinterblie­benen“

Karl Nehammer Innenminis­ter

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