„Räume prägen die Psyche“
Auch auf kleinen Flächen kann man Rückzugsorte schaffen
Innenarchitektin Ulrike Nachbargauer arbeitete am Wiener Burgtheater und war Lehrbeauftragte an der Universität für angewandte Kunst. 2006 gründetet sie ihr Büro für Innenarchitektur, „UNA plant“.
KURIER: Derzeit verbringen wir viel Zeit zu Hause: Erleben wir unsere Wohnung neu? Ulrike Nachbargauer: Ich glaube ja. Wenn man viel zu Hause ist, merkt man einfach, was einen stört, was einem nicht mehr gefällt. Und man hat Zeit, darüber nachzudenken, was man verbessern kann und welche neuen Bedürfnisse man hat. Generell wird für Umgestaltung auch Geld in die Hand genommen: Man will sich ein schönes Zuhause machen. Vielleicht auch als Ausgleich dafür , dass man nicht auf Urlaub fahren konnte.
Wie belastend ist die neue Wohnsituation?
Es ist sicher eine wirklich herausfordernde Phase. Sie lässt uns auch die Wohnsituation überdenken. Wenn man als Familie plötzlich so viel Zeit miteinander verbringt, hat man etwa kaum mehr Rückzugsorte.
Wie wichtig ist ein Rückzugsort?
Man weiß aus der Psychologie, dass es notwendig ist, Bereiche zu haben, wo man sich entfaltet, nachdenkt oder in Ruhe das tut, was man einfach gerne tut. Auch Kinder brauchen das, um ihre Persönlichkeit zu entwickeln. In dieser Zeit, wo man viel aufeinander lebt, werden solche Orte noch wichtiger.
Aber nicht jeder kann in ein Haus mit Garten oder eine große Wohnung umziehen. Was tun?
Es ist natürlich schwierig, sich auf kleinem Raum Kojen zu bauen. Hilfreich sind aber oft bereits Raumteiler, oder Möbel, die Bereiche schaffen. Oder man kann etwa das Kinderzimmer mit Klebeband aufteilen: So schafft man innerhalb eines Zimmers zuordenbare Bereiche.
Hilft gute Einrichtung?
Ja. Sie kann ganz viel zu unserem Wohlbefinden beitragen. Ein gemütliches Zuhause, angenehme Farben, wie unsere Einrichtungsgegenstände miteinander kommunizieren – all das hilft. Oft spürt man diese Dinge unbewusst, aber Räume prägen die Psyche des Menschen.
Wie?
Wie man sich in einem Raum wohlfühlt, wie man sich darin bewegt – das macht etwas mit mir. Auch bei kleinen Räumen lohnt es sich, zu investieren und sich Gedanken zu machen, wie man sie gestalten kann. Es hilft, ein Gespräch zu suchen. Denn auch für kleinere Budgets gibt es Lösungen.
Gibt es auch Lerneffekte?
Man lernt vielleicht wieder, aufeinander Rücksicht zu nehmen. Denn wenn eine mehrköpfige Familie sich kleinen Raum teilt, dann muss man das einfach. Freilich sind das große Herausforderungen, auch psychisch.
Eine offene Bauweise galt als modern. Geht jetzt der Bedarf hin zu getrennten kleineren Räumen?
Ja, das ist uns ein bisschen auf den Kopf gefallen. Küchen mit Esstisch wären nun als Kommunikationszentrum gut. Aber noch ist es nicht so weit, dass es tatsächlich Auswirkungen auf den Wohnbau gibt.