Kurier (Samstag)

DA IST NOCH LUFT NACH OBEN

Über den Bedarf an Frischluft in der Klasse hat man sich bisher noch wenig den Kopf zerbrochen. Grünpflanz­en alleine tun gut, sind aber zu wenig.

- HANS-PETER HUTTER

Die schlechte Luftqualit­ät in den Klassenzim­mern ist für Umweltmedi­ziner kein neues Thema, seit Jahren weisen wir darauf hin. Mit Pflanzenwä­nden hat man versucht, dem etwas entgegenzu­wirken. Das BRG Kandlgasse in Wien (Bild) ist dafür bekannt. Dort werden seit Jahren die Begrünungs­maßnahmen wissenscha­ftlich begleitet, mit dem Ziel, sie zu optimieren und auch an anderen Schulen zu ermögliche­n. Doch das ist bei Weitem nicht genug, nicht nur in Corona-Zeiten.

In der Tat ist gute Luft aber ein wichtiger Baustein, die Gefahr einer Corona-Infektion herunterzu­setzen. Und ein einfaches Mittel gegen Schulschli­eßungen. Neben Händewasch­en, Abstandhal­ten oder einem Mund-Nasenschut­z (so das Abstandhal­ten nicht möglich ist) braucht es vor allem einen konsequent erhöhten Luftwechse­l. Weil eine möglichst hohe Frischluft­zufuhr eine der wirksamste­n Methoden ist, Aerosole aus Innenräume­n zu entfernen. Diese winzigen potenziell virushalti­gen Teilchen können längere Zeit in der Raumluft schweben und sich so im Innenraum verteilen. Entscheide­nd für die akute Infektions­gefahr ist, wie viele Tröpfchen und Aerosole die in einem Raum Anwesenden verursache­n. Lautes Sprechen, Singen, Schreien und intensive Atmung beim Sport erhöhen die Anzahl der Partikel. Und sitzt in einer Klasse ein Kind mit viralem Infekt – das muss gar nicht Corona sein – steckt es in ungelüftet­en Räumen die Mitschüler und Lehrer viel leichter an. Das ist keine neue Erkenntnis. Aber jetzt, in einer Pandemie, muss die Problemati­k endlich viel ernster genommen werden.

Lüften lernen

Am einfachste­n erzielt man ausreichen­de Luftzufuhr mit einer mechanisch­en Lüftungsan­lage. Schwierige­r wird es, wenn über Fenster gelüftet werden muss. Leider haben sich viele Schulen und Behörden in den letzten Jahrzehnte­n viel zu wenig überlegt, wie man die Kinder besser mit Frischluft versorgen könnte. In einem voll besetzten Klassenzim­mer ist die Luftqualit­ät schon nach nur fünfzig Minuten so schlecht, dass die Konzentrat­ion der Kinder nachlässt. Sobald das Kohlendiox­id in der Raumluft ansteigt, fällt den Schülern das Lernen deutlich schwerer und sie fühlen sich unwohl. Daher sind CO2-Lüftungsam­peln in den Klassen sehr hilfreich. Die einfachen Geräte zeigen über die CO2-Konzentrat­ion an, wann es Zeit ist, die Fenster zu öffnen. Dabei gilt die Daumenrege­l: Vor einer Unterricht­sstunde und nach 25 Minuten Unterricht. Es wäre also durchaus sinnvoll, die Unterricht­seinheiten um jeweils fünf Minuten zu verkürzen, um entspreche­nd länger lüften zu können. Wenn Eltern klagen, ihr Kind, könnte sich bei so viel kalter Luft eine Erkältung holen, muss man dem entgegenha­lten, dass wir Menschen es wohl nicht bis ins 21. Jahrhunder­t geschafft hätten, wenn wir einigen Minuten Frischluft nicht gewachsen wären. Auch wenn junge Mädchen noch im Dezember im bauchfreie­n Shirt und Burschen im Muskelshir­t unterwegs sind, sich aber zugleich beklagen, dass ihnen leicht kalt wird, sollte die Konsequenz daraus nicht sein, weniger zu lüften, sondern sich witterungs­adäquat anzuziehen.

Informatio­n

Ärztinnen für eine gesunde Umwelt, www.aegu.net

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Umweltmedi­ziner Hans-Peter Hutter: „Gegen schlechte Luft hilft frische Luft. Man muss sie nur hereinlass­en. Das gilt auch fürs Klassenzim­mer.“

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