DA IST NOCH LUFT NACH OBEN
Über den Bedarf an Frischluft in der Klasse hat man sich bisher noch wenig den Kopf zerbrochen. Grünpflanzen alleine tun gut, sind aber zu wenig.
Die schlechte Luftqualität in den Klassenzimmern ist für Umweltmediziner kein neues Thema, seit Jahren weisen wir darauf hin. Mit Pflanzenwänden hat man versucht, dem etwas entgegenzuwirken. Das BRG Kandlgasse in Wien (Bild) ist dafür bekannt. Dort werden seit Jahren die Begrünungsmaßnahmen wissenschaftlich begleitet, mit dem Ziel, sie zu optimieren und auch an anderen Schulen zu ermöglichen. Doch das ist bei Weitem nicht genug, nicht nur in Corona-Zeiten.
In der Tat ist gute Luft aber ein wichtiger Baustein, die Gefahr einer Corona-Infektion herunterzusetzen. Und ein einfaches Mittel gegen Schulschließungen. Neben Händewaschen, Abstandhalten oder einem Mund-Nasenschutz (so das Abstandhalten nicht möglich ist) braucht es vor allem einen konsequent erhöhten Luftwechsel. Weil eine möglichst hohe Frischluftzufuhr eine der wirksamsten Methoden ist, Aerosole aus Innenräumen zu entfernen. Diese winzigen potenziell virushaltigen Teilchen können längere Zeit in der Raumluft schweben und sich so im Innenraum verteilen. Entscheidend für die akute Infektionsgefahr ist, wie viele Tröpfchen und Aerosole die in einem Raum Anwesenden verursachen. Lautes Sprechen, Singen, Schreien und intensive Atmung beim Sport erhöhen die Anzahl der Partikel. Und sitzt in einer Klasse ein Kind mit viralem Infekt – das muss gar nicht Corona sein – steckt es in ungelüfteten Räumen die Mitschüler und Lehrer viel leichter an. Das ist keine neue Erkenntnis. Aber jetzt, in einer Pandemie, muss die Problematik endlich viel ernster genommen werden.
Lüften lernen
Am einfachsten erzielt man ausreichende Luftzufuhr mit einer mechanischen Lüftungsanlage. Schwieriger wird es, wenn über Fenster gelüftet werden muss. Leider haben sich viele Schulen und Behörden in den letzten Jahrzehnten viel zu wenig überlegt, wie man die Kinder besser mit Frischluft versorgen könnte. In einem voll besetzten Klassenzimmer ist die Luftqualität schon nach nur fünfzig Minuten so schlecht, dass die Konzentration der Kinder nachlässt. Sobald das Kohlendioxid in der Raumluft ansteigt, fällt den Schülern das Lernen deutlich schwerer und sie fühlen sich unwohl. Daher sind CO2-Lüftungsampeln in den Klassen sehr hilfreich. Die einfachen Geräte zeigen über die CO2-Konzentration an, wann es Zeit ist, die Fenster zu öffnen. Dabei gilt die Daumenregel: Vor einer Unterrichtsstunde und nach 25 Minuten Unterricht. Es wäre also durchaus sinnvoll, die Unterrichtseinheiten um jeweils fünf Minuten zu verkürzen, um entsprechend länger lüften zu können. Wenn Eltern klagen, ihr Kind, könnte sich bei so viel kalter Luft eine Erkältung holen, muss man dem entgegenhalten, dass wir Menschen es wohl nicht bis ins 21. Jahrhundert geschafft hätten, wenn wir einigen Minuten Frischluft nicht gewachsen wären. Auch wenn junge Mädchen noch im Dezember im bauchfreien Shirt und Burschen im Muskelshirt unterwegs sind, sich aber zugleich beklagen, dass ihnen leicht kalt wird, sollte die Konsequenz daraus nicht sein, weniger zu lüften, sondern sich witterungsadäquat anzuziehen.
Information
Ärztinnen für eine gesunde Umwelt, www.aegu.net