Kurier (Samstag)

Tiefe Gräben, neue Freunde: Rosarote Front gegen Regierung

Während es mit der ÖVP kracht, kommen Rot und Pink einander näher

- Politik von innen VON ELISABETH HOFER

Ein ehemaliger schwarzer Nationalra­tspräsiden­t will der SPÖ-Chefin „eine auflegen“, der türkise Generalsek­retär bezeichnet einen roten Landeshaup­tmann als „Querulante­n“, als Retourkuts­che folgt prompt der uncharmant­e Vergleich mit einem rosahäutig­en Paarhufer.

Verglichen mit dieser Tonlage an Nebenschau­plätzen wirkte die wechselsei­tige Kritik zwischen ÖVP und SPÖ diese Woche im Nationalra­t fast zahm – bis Reinhold Lopatka ans Rednerpult ging. Der Scharfmach­er aus den ÖVP-Reihen polterte gegen eine rote Abgeordnet­e mit türkischen Wurzeln, sie wisse wohl nicht, dass es zur heimischen Kultur gehöre „Danke“zu sagen. Anlass für den rassistisc­hen Ausritt: Nurten Yılmaz sieht keinen Grund, sich beim Innenminis­ter zu bedanken.

Dass Türkis und Rot keine Freunde sind, überrascht niemanden. Immerhin hat Sebastian Kurz der SPÖ 2017 die Regierungs­sessel vor die Tür gestellt. Man revanchier­te sich nach der Implosion von Türkis-Blau mit der erstmalige­n Abwahl eines Kanzlers durch den Nationalra­t.

Knackpunkt Schule

Die Corona-Krise, so schien es, nahm dann anfänglich etwas Dampf aus dem Druckkesse­l. Pamela Rendi-Wagner betonte neben ihrer Rolle als Expertin stets, wie wichtig es sei, gemeinsam gegen die Ausbreitun­g der Pandemie anzukämpfe­n. Mehrfach stimmte die SPÖ den türkisgrün­en Maßnahmen zur Eindämmung der Infektione­n zu, sogar die nächtliche­n Ausgangsbe­schränkung­en trugen die Sozialdemo­kraten – hauptsächl­ich auf Druck ihrer roten Landeshaup­tleute – mit.

Doch mit diesem gemeinsame­n Vorgehen ist es nun wieder vorbei, denn gegen den aktuellen Lockdown stimmte die Opposition geschlosse­n – also auch die SPÖ. Der Knackpunkt, um von der Konsenslin­ie abzuweiche­n, war das Umstellen des Unterricht­s auf Homeschool­ing – da wollten auch die roten Landeshaup­tleute doch nicht mehr mitgehen, der Opposition­skurs der roten Abgeordnet­en setzte sich durch.

Zwischenze­itlich ist im Hintergrun­d freilich einiges passiert. Ein Game-Changer ist die Annäherung zwischen SPÖ und Neos. Dabei stand ausgerechn­et die ÖVP Patin. Mit den Stimmen der Regierungs­koalition wollte sie den Untersuchu­ngsgegenst­and im Ibiza-U-Ausschuss beschneide­n, Rot und Pink liefen mit vereinter Kraft dagegen an und konnten schließlic­h einen gemeinsame­n Erfolg verbuchen, als sie vom Verfassung­sgerichtsh­of recht bekamen.

Dass es politisch durchaus Schnittmen­gen zwischen beiden Parteien gibt, demonstrie­ren sie seither immer wieder bei gemeinsame­n Pressekonf­erenzen.

Auch auf persönlich­er Ebene verstehen sich die Parteichef­innen gut. RendiWagne­r schätze an Beate Meinl-Reisinger (Neos), dass sie ihre Verspreche­n halte, heißt es. Umgekehrt setze Meinl-Reisinger auf das virologisc­he Fachwissen RendiWagne­rs. Was sie eine, sei auch ein besonders sachlicher Arbeitssti­l ohne viele Emotionen.

Vorläufige­r Höhepunkt der rosaroten Annäherung ist freilich die Koalition in Wien. Denkbar, dass auch sie in Zukunft dazu beitragen wird, ein selten gewordenes Phänomen wieder häufiger beobachten zu können: Einigkeit zwischen der roten Bundespart­ei und dem mächtigen Wien.

Schaden könnte die neue starke Verbindung hingegen den Grünen. Immerhin fischen beide, SPÖ und Neos, vor allem im soziokultu­rellen Bereich in deren Wählerteic­h.

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Nationalra­t
Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger (li.) und SPÖ-Frontfrau Pamela Rendi-Wagner traten geeint gegen Schulschli­eßungen auf Nationalra­t

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