Kurier (Samstag)

„Lockdown ist nicht weiter notwendig“

Corona-Maßnahmen. Trotz Virus-Mutation plädiert Peter Hacker für eine schrittwei­se Öffnung der Ostregion

- Interview VON JOSEF GEBHARD

Wiens Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker (SPÖ) geht mit dem Corona-Management des Bundes scharf ins Gericht.

KURIER: Herr Stadtrat, bei unserem letzten Interview Anfang Oktober haben Sie gesagt, ein zweiter Lockdown sei nicht notwendig, weil man mittlerwei­le wisse, wie man mit dem Virus umzugehen hat. Wirklich gut gealtert ist diese Prognose nicht, oder?

Peter Hacker: Wir sind abhängig von den Entscheidu­ngen der Bundesregi­erung. Jetzt ist Wien zum vierten Mal hintereina­nder nach den Spielregel­n der Corona-Kommission eigentlich schon wieder im orangen Bereich. Trotzdem hat der Bund beschlosse­n, die Ampel österreich­weit zu schalten, was entgegen den Vereinbaru­ngen mit der Kommission ist. Aber am Ende des Tages muss ich das zur Kenntnis nehmen.

In den nächsten Stunden wird entschiede­n, wie es mit dem Lockdown weitergehe­n soll. Es könnte eine Verlängeru­ng kommen. Würden Sie das gut finden?

Nein. Es ist nicht notwendig, dass der Lockdown weitergeht. Wir sehen in Wien, aber auch in einigen Bezirken rund um Wien, eine ganz andere Situation als beispielsw­eise in Salzburg oder Kärnten. Somit ist ganz klar, dass dort andere Maßnahmen erfolgen müssen, als bei uns in der Ostregion, wo wir eine sehr stabile Lage haben. Und wir können ja nicht nur das Virus als solches betrachten, sondern sind auch verpflicht­et, das Wirtschaft­sleben im Auge zu haben. Wir haben in der Zwischenze­it eine um 25 Prozent höhere Arbeitslos­igkeit als im Vorjahr. Es wird

Zeit, dass die Wirtschaft wieder aufgesperr­t wird.

Aber was könnte das konkret für Wien heißen?

Wenn nur Wien alleine auf Orange geschaltet wird, kann man sicherlich nicht große Handelsbet­riebe, Möbelund Baumärkte öffnen, sonst haben wir sofort alle Bewohner Niederöste­rreichs hier. Sehr wohl kann aber der kleine Schuster, der Friseur, das Nagelstudi­o und der Installate­ur öffnen. Es muss auch wieder möglich sein, zu zweit auf dem Tennisplat­z zu sein oder unter Einhaltung von Abstandsre­geln und Prävention­skonzepten ins Museum oder ins Theater zu gehen. Natürlich sollen die Öffnungen mit Hirn, Schritt für Schritt, erfolgen.

Diese Lockerunge­n sollen ab dem 25. Jänner erfolgen?

Selbstvers­tändlich. Auch die Schulen gehören wieder geöffnet. Es braucht jedenfalls nachvollzi­ehbare Maßnahmen. Was nicht nachvollzi­ehbar ist: Monatelang hält sich die Bevölkerun­g einer Stadt und deren Umgebung an die Regeln und die Epidemiewe­rte sind entspreche­nd gut. Doch das ist völlig egal, Hauptsache man kann in Salzburg weiter Ski fahren.

Wäre solche Lockerunge­n angesichts der neuen

Virus-Variante nicht sehr leichtsinn­ig?

Wenn wir der Meinung sind, diese Mutation ist so gefährlich, dass das Land in einen vollkommen­en Erdloch-Lockdown gehen muss, dann gibt es überhaupt kein Argument, auch nur einen einzigen Skilift in diesem Land zu betreiben. Es kann nicht sein, dass wir Skirennen aus der Schweiz übernehmen und gleichzeit­ig sagen wir, das Virus ist so gefährlich, dass wir weiter einen Lockdown brauchen – obwohl die epidemiolo­gischen Fakten nicht dafür sprechen.

Wien hat aktuell eine SiebenTage­s-Inzidenz von rund 130

Infektion pro 100.000 Einwohnern. Bundesrett­ungskomman­dant Gerry Foitik plädiert dafür, sie auf 25 zu drücken. Liegt er mit seiner Forderung falsch?

Ich schätze Foitik sehr, aber er ist kein Infektiolo­ge oder Mikrobiolo­ge. Und auch kein Gesundheit­spolitiker. Ich schätze seine jüngsten Aussagen nicht sehr. Er hätte sie in diesem Fall besser verschweig­en sollen.

Die Massenimpf­ungen im Wiener Messezentr­um sind gestartet. Trotzdem sind erst einige Tausend Menschen in Wien geimpft. Wer ist verantwort­lich dafür, dass es so schleppend vorangeht?

Warum manche europäisch­en Länder mehr Impfstoff haben als Österreich, kann ich nicht beantworte­n. Aber ich bin auf die Antwort des Gesundheit­sministers, der das alles verhandelt hat, durchaus sehr neugierig. Es ist schon ein Jammer, dass die tatsächlic­he Umsetzung im Vergleich zum PR-Wirbel, den die Bundesregi­erung gemacht hat, eher bescheiden ist. Mir tut es auch sehr weh, dass wir die Impfstraße in der Messehalle Montagaben­d wieder zusperren müssen, weil schlicht und einfach diese Regierung zu wenig Impfstoff besorgt hat.

Warum ist ausgerechn­et beim Pflegepers­onal die Impfbereit­schaft relativ überschaub­ar?

Dieser Befund basiert auf Umfragen. Sie wurden gemacht, als die wissenscha­ftlichen Dokumentat­ionen über diese Impfstoffe noch nicht publiziert waren. Ich denke, die Einstellun­g zur Impfung wird sich jetzt sehr rasch ändern. In den ersten Spitälern haben wir bereits 95 Prozent der Ärzte geimpft, auch beim Pflegepers­onal sehen wir eine Impfbereit­schaft von bis zu 70, 80 Prozent. Dass Pflegekräf­te kritischer Impfungen gegenüber sind, ist nichts Neues.

Abschließe­nd: Wann dürfen normalster­bliche, gesunde Personen in Wien mit einer Impfung rechnen?

Ich schätze, im zweiten Quartal sollte so viel Impfstoff da sein, dass wir in die Breite gehen können.

KURIER Talk

Das ausführlic­he Interview mit Peter Hacker, Wiens Stadtrat für Soziales und Gesundheit (SPÖ), am Sonntag, 17. 1. um 13.15 Uhr (WH alle 2 Std.) auf schauTV und KURIER.at

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Hacker: „Erdloch-Lockdown“sei nicht nachvollzi­ehbar, wenn gleichzeit­ig die Skilifte in Betrieb sind

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