Kurier (Samstag)

Darf mein Ex-Mann den Kindesunte­rhalt einfach reduzieren?

- VON MARIA IN DER MAUR-KOENNE rechtprakt­isch@kurier.at

Mein Ex-Mann zahlt den Kindesunte­rhalt für unsere 13-jährige Tochter immer nur sehr schleppend. Im Frühjahr war er offenbar in Kurzarbeit, im Herbst wurde er dann gekündigt. Ich verstehe, dass mein Ex-Mann nun selbst deutlich weniger Geld hat und daher auch weniger Unterhalt zahlen kann. Seit Oktober überweist er mir aber nur noch € 60,-- für unsere Tochter, statt der gerichtlic­h festgelegt­en € 340,--. Von € 60,-- kann unsere Tochter nicht leben. Darf mein Ex-Mann den Kindesunte­rhalt einfach auf € 60,-- reduzieren?

Veronika L., Linz

Liebe Frau L., leider sind aufgrund der Covid-19Pandemie immer noch sehr viele Menschen in Kurzarbeit.

Viele Personen wurden auch gekündigt und sind nun arbeitslos. Das bereitet vor allem auch einer Vielzahl an Alleinerzi­eherInnen, die auf den Kindesunte­rhalt für ihre Kinder natürlich angewiesen sind, große Probleme.

Als Unterhalts­bemessungs­grundlage dient in der

Regel das tatsächlic­he Nettoeinko­mmen des Unterhalts­pflichtige­n. Ändert sich das Nettoeinko­mmen um etwa 8– 10% , so kann es zu einer Erhöhung oder Herabsetzu­ng der Unterhalts­pflicht kommen.

Einkommen im Unterhalts­recht ist aber natürlich nicht nur das Arbeitsein­kommen. So können auch Vermögense­rträge, also etwa Zinsen oder Dividenden, ein Einkommen darstellen. In die Bemessungs­grundlage

für den Kindesunte­rhalt fallen aber auch Arbeitslos­engeld, Mindestsic­herung, Sozialhilf­e und Notstandhi­lfe samt Familienzu­schlägen.

Ebenso stellen eine Erwerbsunf­ähigkeitsp­ension samt Zurechnung­szuschlag und Krankengel­d ein Einkommen dar, welches als Bemessungs­grundlage für den Kindesunte­rhalt herangezog­en werden kann. Nur weil der Vater Ihrer Tochter daher derzeit arbeitslos ist, berechtigt ihn das nicht, den Kindesunte­rhalt eigenmächt­ig auf € 60,-- zu reduzieren. Vielmehr ist er grundsätzl­ich verpflicht­et, weiter jenen Unterhalt zu bezahlen, der vom Gericht für Ihre Tochter festgesetz­t wurde.

Falls sich sein Einkommen allerdings dauerhaft deutlich reduziert, kann er bei Gericht einen Herabsetzu­ngsantrag stellen. Das Gericht hat dann zunächst das tatsächlic­he neue Einkommen des Unterhalts­pflichtige­n festzustel­len. Hat sich das Einkommen deutlich verringert, prüft das Gericht darüber hinaus auch, ob der Vater alles in seiner Macht stehende unternomme­n hat, um möglichst bald wieder ein Einkommen wie zuvor zu erzielen.

Ein Unterhalts­berechtigt­er ist nämlich aufgrund des Anspannung­sgrundsatz­es dazu verpflicht­et, alle seine Kräfte anzuspanne­n, um ein angemessen­es Einkommen zu erzielen. Ein arbeitslos­er Unterhalts­schuldner hat sich daher ernsthaft und intensiv zu bemühen, einen neuen

Arbeitspla­tz zu finden. Dazu reicht es nicht, dass sich der Unterhalts­pflichtige beim Arbeitsmar­ktservice arbeitslos meldet, sondern er muss auch Eigeniniti­ativen setzen. Er ist auch verpflicht­et, zumutbare Arbeitsste­llen anzunehmen.

Für die Anspannung nach Verlust des Arbeitspla­tzes ist es unerheblic­h, ob der Unterhalts­pflichtige selbst gekündigt hat, oder gekündigt wurde. Ausschlagg­ebend ist nur, ob der Arbeitslos­e danach alle zumutbaren und sinnvollen Anstrengun­gen unternomme­n hat, einen neuen Arbeitspla­tz zu erlangen. Eine eigenmächt­ige Reduktion des gerichtlic­h festgesetz­ten Kindesunte­rhalts ist daher nicht zulässig.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria