Impfung für jene, die wollen, um andere zu motivieren
Christiane Druml, Vorsitzende der Bioethikkommission, im Gespräch zu Prioritäten, Pflicht und Tempo beim Impfen
Impfskeptiker. Bewohner von Altenheimen und Pflegekräfte zuerst, dann Menschen über 80 Jahre, danach jene aus den Hochrisikogruppen bzw. mit Behinderung, und dann abgestuft nach Alter. Diese Priorisierung ist eine Empfehlung des nationalen Impfgremiums. Eine Verordnung ist laut Gesundheitsministerium in Planung. Die Risikogruppen sollen definiert werden.
Dieses rechtliche Fundament braucht es dringend, sagt Christiane Druml, Vorsitzende der Bioethikkommission, im KURIER-Gespräch. Das Recht auf Leben gilt für jeden – und nachdem der
Impfstoff eine knappe Ressource ist, müsse der Staat erklären, warum er die einen vorzieht und die anderen nicht. Auch um sich abzusichern, sollte sich jemand benachteiligt fühlen.
Kritisch sieht Druml, dass bei einigen Impftouren auch Personen geimpft wurden, die nicht in die Zielgruppe fallen – einfach weil eine Dosis übrig geblieben ist. „Das wird man vermeiden müssen, indem man die Organisation verbessert.“
Die Bioethikkommission hätte anders priorisiert: Zuerst das medizinische Personal – nach dem Motto „helft den Helfern“. Gleichzeitig die Älteren und Vulnerablen in den Heimen. Und dann alle, die ein Risiko haben, schwer an Covid-19 zu erkranken und die die Impfung aktiv wollen – unabhängig von Alter oder Beruf. Die Absicht: Wenn viele Menschen den Wunsch nach einer Impfung äußern, könnten andere, die vorher eher skeptisch waren, freiwillig nachziehen.
In puncto Impfbereitschaft sticht das Gesundheitspersonal negativ hervor: Laut Umfragen wollen sich nur rund 50 Prozent impfen lassen. Theoretisch könnte der Minister für sie auf Basis des Epidemiegesetzes eine Impfpflicht verordnen. Die Bioethikkommission rät ihm derzeit aber nicht dazu. Obwohl die Impfung gut erforscht ist, brauche es noch Zeit, um zu sehen, wie effektiv sie wirklich ist, sagt Druml. Die Unterlassung der Schutzimpfung könnte aber als Verletzung der Schutzpflicht gegenüber den Patienten gesehen werden – und das könne Konsequenzen für das Spital haben, sagt Druml. Das gilt zum Beispiel bei der Masernimpfung.
Eine Impfpflicht für die breite Bevölkerung bräuchte ein neues Gesetz – aber auch da rät Druml abzuwarten. Auch in Hinblick auf die neue Virusvariante aus Großbritannien: „Wenn sich die Situation tatsächlich durch eine ständige Verdoppelung der Infektionszahlen verschärft, dann muss man sicher etwas unternehmen, damit das Gesundheitssystem, das öffentliche Leben, die Bildung und die Wirtschaft nicht komplett zusammenbrechen.“Eine
„indirekte Impfpflicht“– also dass bestimmte Bereiche des öffentlichen Lebens nur genutzt werden dürfen, wenn man geimpft ist – werde aber gesellschaftliche Realität, glaubt sie. „Alles andere wäre eine Illusion.“
Jetzt müsse man beim Impfen jedenfalls aufs Tempo drücken, sagt Druml. Dass das Gesundheitsministerium vergangene Woche darauf beharrte, Impfdosen zu horten, um später mit größeren Dosen zu starten, wäre jedenfalls falsch gewesen: „Der Staat hat eine Fürsorgepflicht. Er muss zeigen, dass alles getan wird, um die Menschen zu schützen.“