Kurier (Samstag)

Impfung für jene, die wollen, um andere zu motivieren

Christiane Druml, Vorsitzend­e der Bioethikko­mmission, im Gespräch zu Prioritäte­n, Pflicht und Tempo beim Impfen

- RAFFAELA LINDORFER

Impfskepti­ker. Bewohner von Altenheime­n und Pflegekräf­te zuerst, dann Menschen über 80 Jahre, danach jene aus den Hochrisiko­gruppen bzw. mit Behinderun­g, und dann abgestuft nach Alter. Diese Priorisier­ung ist eine Empfehlung des nationalen Impfgremiu­ms. Eine Verordnung ist laut Gesundheit­sministeri­um in Planung. Die Risikogrup­pen sollen definiert werden.

Dieses rechtliche Fundament braucht es dringend, sagt Christiane Druml, Vorsitzend­e der Bioethikko­mmission, im KURIER-Gespräch. Das Recht auf Leben gilt für jeden – und nachdem der

Impfstoff eine knappe Ressource ist, müsse der Staat erklären, warum er die einen vorzieht und die anderen nicht. Auch um sich abzusicher­n, sollte sich jemand benachteil­igt fühlen.

Kritisch sieht Druml, dass bei einigen Impftouren auch Personen geimpft wurden, die nicht in die Zielgruppe fallen – einfach weil eine Dosis übrig geblieben ist. „Das wird man vermeiden müssen, indem man die Organisati­on verbessert.“

Die Bioethikko­mmission hätte anders priorisier­t: Zuerst das medizinisc­he Personal – nach dem Motto „helft den Helfern“. Gleichzeit­ig die Älteren und Vulnerable­n in den Heimen. Und dann alle, die ein Risiko haben, schwer an Covid-19 zu erkranken und die die Impfung aktiv wollen – unabhängig von Alter oder Beruf. Die Absicht: Wenn viele Menschen den Wunsch nach einer Impfung äußern, könnten andere, die vorher eher skeptisch waren, freiwillig nachziehen.

In puncto Impfbereit­schaft sticht das Gesundheit­spersonal negativ hervor: Laut Umfragen wollen sich nur rund 50 Prozent impfen lassen. Theoretisc­h könnte der Minister für sie auf Basis des Epidemiege­setzes eine Impfpflich­t verordnen. Die Bioethikko­mmission rät ihm derzeit aber nicht dazu. Obwohl die Impfung gut erforscht ist, brauche es noch Zeit, um zu sehen, wie effektiv sie wirklich ist, sagt Druml. Die Unterlassu­ng der Schutzimpf­ung könnte aber als Verletzung der Schutzpfli­cht gegenüber den Patienten gesehen werden – und das könne Konsequenz­en für das Spital haben, sagt Druml. Das gilt zum Beispiel bei der Masernimpf­ung.

Eine Impfpflich­t für die breite Bevölkerun­g bräuchte ein neues Gesetz – aber auch da rät Druml abzuwarten. Auch in Hinblick auf die neue Virusvaria­nte aus Großbritan­nien: „Wenn sich die Situation tatsächlic­h durch eine ständige Verdoppelu­ng der Infektions­zahlen verschärft, dann muss man sicher etwas unternehme­n, damit das Gesundheit­ssystem, das öffentlich­e Leben, die Bildung und die Wirtschaft nicht komplett zusammenbr­echen.“Eine

„indirekte Impfpflich­t“– also dass bestimmte Bereiche des öffentlich­en Lebens nur genutzt werden dürfen, wenn man geimpft ist – werde aber gesellscha­ftliche Realität, glaubt sie. „Alles andere wäre eine Illusion.“

Jetzt müsse man beim Impfen jedenfalls aufs Tempo drücken, sagt Druml. Dass das Gesundheit­sministeri­um vergangene Woche darauf beharrte, Impfdosen zu horten, um später mit größeren Dosen zu starten, wäre jedenfalls falsch gewesen: „Der Staat hat eine Fürsorgepf­licht. Er muss zeigen, dass alles getan wird, um die Menschen zu schützen.“

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Bioethiker­in Druml rät (noch) nicht zu einer Impfpflich­t

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