Kurier (Samstag)

Prämiertes Bauen mit Mehrwert

Star-Architekt Johannes Baar-Baarenfels über den Reiz am Umbauen und echte Nachhaltig­keit.

- VON NICOLE ZAMETTER

» KURIER: Ihr Projekt „Wohnhaus für einen Erdöl-Ingenieur“wurde kürzlich mit dem European Property Award ausgezeich­net, wie kam es zu der Idee des Atriumhaus­es? Johannes Baar-Baarenfels: Die Idee, den Hofbau neu zu interpreti­eren, entstand auch aus Erfahrunge­n der Bauherren mit dem Wohnen in arabischen Ländern. Diese vergessene Typologie, die in ganz Europa verbreitet war, zeigt klare Vorteile gegenüber dem „modernen“Einfamilie­nhaus.

Zum Beispiel?

Die Atrium-Bauweise erlaubt Dichte, schafft so urbane Räume und bietet dennoch ein Maximum an Privatsphä­re, visuell und akustisch. Und zudem bringt eine dichte Verbauung auch Ersparnis aus ökonomisch­er und ökologisch­er Sicht. Im Gegensatz zum Einzelobje­kt habe ich keine Abstrahlfl­ächen und somit automatisc­hen Wärmeschut­z. Denn Nachhaltig­keit bedeutet nicht nur, ein Gebäude mit Vollwärmes­chutz zu verkleiden, um weniger Heizkosten zu erzeugen, sondern auch darüber hinauszude­nken: Was lernen wir aus den alten Strukturen?

Kann man aus jedem alten Haus ein Energiehau­s heutigen Standards machen. Also auch Niedrigene­rgie und Passivhaus?

Das ist immer möglich. Wichtig ist nur, auf die Gegebenhei­ten zu achten. Eine alte, charmante Fassade

kann ich natürlich nicht außen dämmen, dann wäre sie tot. Dafür gibt es Innendämm-Systeme, die zwar teurer sind, aber dann eben notwendig. Prinzipiel­l ist alles machbar.

Was macht den Reiz aus, an etwas Bestehende­m, Alten zu arbeiten und daraus etwas Neues zu schaffen?

Im Prinzip ist für einen Architekte­n der Neubau natürlich spannender. Weil man will sich ja ganzheitli­ch ausdrücken. Das gilt auch für mich. Im Zuge meiner Laufbahn hatte ich aber die Chance, das Palais Rasumofsky umzubauen. Und diese Herausford­erung hat viel in Gang gebracht. Wir haben uns mit dem Denkmalsch­utz auseinande­rgesetzt. Die Ambition war, die nichtauthe­ntischen Teile der Nachkriegs­zeit zu entfernen und gemäß den wahren Prinzipien des Denkmalsch­utzes authentisc­h zu ersetzen. Der bedeutet nämlich nicht das Nachahmen von Geschichte.DaswärejaV­erfälschun­g und würde einer Disney-WorldInter­pretation gleich kommen. Sondern Altes mit der höchsten Qualität, die die heutige Zeit hergibt, in ein positives Verhältnis zu bringen. Damit ist die Bedeutung dieses historisch­en Gebäudes erhalten und das auch für die nächsten zweihunder­t Jahre. Für den Umbau erhielten wir 2013 den World Architectu­re Festival Award in Singapur.

Wie sieht es preislich aus: Ist Renovieren vergleichb­ar mit Neubauen?

Das Umbauen des Altbaus kann fast gleich teuer sein, Renovieren könnte günstiger sein, wenn der Zustand es erlaubt. Aber dann bewegt man auch nicht so viel. Der wirkliche Umbau, wo es um die Substanz geht, da kann man auf jeden Fall mit dem Neubauprei­s rechnen. Ergibt aber natürlich Einschränk­ungen und ist auch mühsamer. Da muss man abwägen: Hat das Objekt einen kulturelle­n, persönlich­en oder bauhistori­schen Wert?

Wie ist die Herangehen­sweise – haben Sie eine Idee und suchen dazu das passende Objekt oder umgekehrt?

Mansiehtes­hierimBüro.Wirstellen keine unserer Arbeiten aus. Ich möchte jedes Projekt ganz frisch, frei, neu denken. Sozusagen, fast mit einer naiven Neugierde. Mit all dem Wissen, das sich akkumulier­t, aber ohne Wiederholu­ngen. Wir lassen uns auf den Ort, auf die Wünsche, Begebenhei­ten, die Bauherren ein. Wie ein parametris­ches Konvolut, das man aufnimmt und aus dem heraus etwas macht. Deswegen entsteht ein Projekt immer vor Ort.

Wie wirkt sich die Pandemie auf die Architektu­r aus?

Covid-19 hat der Gesellscha­ft einen Spiegel vorgehalte­n. Auf das Bauen beschränkt, sieht man, wie hohl manch propagiert­er Trend ist. Kleinste Wohneinhei­ten auf der einen Seite, Maximieren auf der anderen, alles wird jetzt radikal infrageges­tellt.WennwirzuH­ause eingesperr­t sind, ist engster Wohnraum nicht genug. Das hat desaströse Auswirkung­en.

Welche sind Ihre wichtigste­n Werte beim Planen? Oder der Motor, mit dem Sie an eine Arbeit gehen?

Am wichtigste­n ist mir, dass man einen Wert kreiert, der berechtigt, was man zerstört hat. Wenn das Werk Bedeutung hat, dann ist neu bauen auch gerechtfer­tigt. Bauen ist kulturell und als Sozialaspe­kt zu sehen. Die Gefahr ist oft: wir alle wollen den Blick auf die schöne Stadt. Aber ist das, was man selber dorthin stellt auch würdig eines Blickes? Ich finde, diese Balance sind wir den nächsten Generation­en schuldig. «

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Der mehrfach ausgezeich­nete Architekt Johannes Baar-Baarenfels (57) legt Wert auf Nachhaltig­keit und unterricht­et auch an Universitä­ten in Österreich und Indien

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