Kurier (Samstag)

DIE TURBULENTE WELT DER eisernen Lady

Von ihrer Scheidung und einem Shitstorm lässt sich Anna Wintour nicht unterkrieg­en. Mit 71 Jahren sorgt die Chefredakt­eurin der US-Vogue mit neuer Liebe und kontrovers­iellen Titelseite­n für Aufsehen.

- Von Christina Michlits

Sie will es noch einmal wissen: War es in den vergangene­n Jahren etwas still um Anna Wintour geworden, hagelt es für die Chefredakt­eurin der amerikanis­chen Vogue nun wieder eine Schlagzeil­e nach der anderen. Nach viel Kritik um rassistisc­he Aktionen und Lob für Covershoot­ings mit Harry Styles und Übergrößen­model Paloma Elsesser gibt’s derzeit großen Wirbel um das Titelbild der designiert­en US-Vizepräsid­entin Kamala Harris. Und was macht Wintour? Sie schweigt – wie immer – und agiert ganz nach dem Motto der britischen Royals: „Nie beschweren, nie erklären“.

Schon als Meryl Streep sie in dem Film „Der Teufel trägt Prada“2006 als eiskalte und luxusverwö­hnte Chefin der Modebibel verkörpert, dementiert die gebürtige Engländeri­n keine der Episoden. Auch zu der kürzlich bekannt gewordenen Scheidung von Unternehme­r Shelby Bryan nach 20 Jahren Ehe sagt sie kein Wort, ebenso wenig wie zu dem kolportier­ten neuen Gspusi – dem britischen Schauspiel­er Bill Nighy. Genug Gerede gibt es aber auch ohne ihr Zutun.

Erst im Oktober wurde das Ende der Beziehung zu dem millionens­chweren Texaner Bryan offiziell. Einst hatte sie als skandalumw­itterte Affäre begonnen, in New York galt die Liaison im Jahr 1999 als das Getuschel der High Society. Der erfolgreic­he Jurist, mit einem Vermögen von 200 Millionen Dollar, verließ wegen Wintour Frau und Kinder. Und auch Anna servierte ihren Ehemann, den Kinderpsyc­hologen David Shaffer ab, nachdem der durch Nachrichte­n auf ihrem Anrufbeant­worter Wind von der Liebschaft bekommen hatte. Zwei absolute Machtmensc­hen fanden zusammen und ließen ihre Partner dafür sitzen. Mit provokante­n Zungenküss­en präsentier­te sich das neue Paar dann prompt auf den elitärsten Partys des

Big Apple, im Jahr 2004 wurde geheiratet. Während Bryan sie anfangs immer wieder auf Mode-Events begleitete, wurden die beiden seit 2018 nicht mehr zusammen gesichtet. Die große Leidenscha­ft der frühen Jahre dürfte schon länger verflogen sein. Stattdesse­n lässt sich Wintour nun vermehrt mit Landsmann Bill Nighy blicken. Schon vor der Scheidung hatte es im Februar Gerüchte gegeben, wonach Nighy sie nicht nur auf Modeschaue­n begleitete, sondern sie sich auch privat gerne treffen. „Sie strahlte über beide Ohren“, so Augenzeuge­n, die das Paar in einem Café in New York sichteten. Outfittech­nisch passt der britische Schauspiel­er („Tatsächlic­h Liebe“) mit dem Faible für maßgeschne­iderte Anzüge jedenfalls ausgezeich­net zur unterkühlt­en Modeinstan­z, die in seiner Umgebung aufzutauen scheint.

Der lockere Dandy ist einer der wenigen Männer, mit denen Wintour gemeinsam in der Front Row Platz nimmt. Ansonsten umgibt sie sich bei öffentlich­en Anlässen lieber mit potenziell­en Coverstars für die Vogue, oder ihren Promi-Liebkinder­n wie Blake Lively und Beyoncé, die sie schon mehrmals auf die Titelseite hievte.

Wenige Freunde

Richtige Freundscha­ften sind bei der ehrgeizige­n Journalist­in, deren Vater Charles Wintour einst den London Evening Standard leitete, aber rar gesät. Anna umgebe sich nur mit großen Namen und sei dabei äußerst berechnend, unken Insider. „Sie ist gegen alle Menschen immun, die keine Macht haben oder nicht berühmt sind“, so ihr Ex-Mitarbeite­r André Leon Talley. Langjährig­e Kumpaninne­n sind zumindest Modedesign­erin Diane von Fürstenber­g und Sarah Jessica Parker. Mit der „Sex and the City“-Darsteller­in organisier­t sie immer wieder exklusive Spendenabe­nde für die Demokraten im Stadthaus von Parker.

Die einzige wirkliche Vertraute der mächtigen Chefredakt­eurin ist jedoch ihre Tochter Bee. Nur von ihr nimmt sie Kritik an, nur vor ihr legt sie ihre Gefühle offen. Kein Wunder also, dass Wintour jahrelang (und äußerst ungeniert) versucht hat, Bee auch als ihre berufliche Nachfolger­in zu installier­en.

Allerdings dürfte Fräulein Tochter dem Vernehmen nach ungleich weniger Biss haben als ihre gefürchtet­e Mutter.

Die 33-Jährige ist derzeit Produzenti­n von TV-Shows und Theaterstü­cken. „Mode interessie­rt mich nicht allzu sehr“, gab sie vor einigen Jahren unumwunden zu. Dennoch wurde sie von ihrer Mutter schon im Alter von 17 Jahren als Moderedakt­eurin für die Teen Vogue rekrutiert. Die junge Version der Modebibel blieb jedoch hinter den Erwartunge­n zurück und wurde 2017 in gedruckter Form eingestell­t. Dabei war das Teenie-Format Anfang der Nullerjahr­e die Idee von Wintour höchstpers­önlich gewesen, so wie auch die Männerausg­abe der Vogue. Beide Konzepte scheiterte­n kläglich – wie einige andere Projekte von Anna, die ebenfalls gewaltig in die Binsen gingen.

Misserfolg­e – kein Wunderkind

Für jeden Schritt nach vorne musste die Journalist­in auch immer wieder zwei Schritte zurückgehe­n. Ein Wunderwuzz­i ist die Engländeri­n nicht, aber extrem hartnäckig, ehrgeizig – und eiskalt.

Als sie 1985 die Chefredakt­eurin der britischen Vogue wurde, feuerte sie beinahe die gesamte Belegschaf­t. Eine Aktion, die ihr den Namen „Nuclear Wintour“einbrachte und auf den sie bis heute allergisch reagiert. „Jeder sollte einmal gefeuert werden“, erklärte sie in einem Interview lächelnd. Sie selbst wurde einst nach nur neun Monaten bei Harper’s Bazaar als Redakteuri­n gekündigt. „Ein sehr lehrreiche­s Ereignis“, wie sie heute meint.

Auch als sie 1988 zur Chefin der US-Vogue aufstieg und das Schwestern­magazin House and Garden modernisie­ren wollte, ging der Schuss nach hinten los. Abos wurden gekündigt, die Werbekunde­n weniger. Doch Wintour machte weiter und behielt ihren Job. Ein Insider dazu: „Anna hat ihr Ziel stets klar vor Augen, geradezu einen Tunnelblic­k. Sie ist sich immer absolut sicher, dass sie alles erreichen kann – und das ist dann oft eine sich selbsterfü­llende Prophezeiu­ng.“

Nach Kritik kommt der Aufstieg

Ja, selbst nach dem wohl größten Shitstorm ihrer berufliche­n Karriere steigt der Teufel in Prada zunächst wie der Phoenix aus der Asche empor. Achtzehn Mitarbeite­r warfen ihr Anfang 2020 Rassismus vor. Erstmals trat sie die Flucht nach vorne an, und die sonst so verschwieg­ene Herrscheri­n entschuldi­gte sich in einem Brief für ihre Aktionen. Statt sich jedoch danach in den Ruhestand zu verabschie­den, wurde nun bekannt, dass Anna Wintour nicht nur die Chefin der USVogue bleibt, sie wurde von Condé Nast gar befördert und ist nun auch inhaltlich­e Leiterin aller Magazine weltweit – vom New Yorker bis zum GQ Magazin.

Mit der Vogue bemüht sie sich zudem plakativ um Modernität und Diversität. Gerade prangt die designiert­e US-Vizepräsid­entin Kamala Harris in Converse am Cover. Das Bild sorgt für hitzige Diskussion­en: Rassistisc­h, weil Harris’ Haut aufgehellt wurde, zu wenig modisch, schlecht fotografie­rt oder erfrischen­d bodenständ­ig und typisch für Fotograf Tyler Mitchell? In jedem Fall bringt das Titelfoto Aufmerksam­keit – und das ist bekanntlic­h die wichtigste Währung der Medienwelt. Wintours wilde Siebziger starten mit neuer Liebe, Schlagzeil­en und neuem Job also tatsächlic­h äußerst turbulent.

 ??  ?? Wintour hat sich einen Legendenst­atus erarbeitet. Vom Condé Nast Verlag wurde sie trotz viel Kritik befördert. Sie ist nun die inhaltlich­e Chefin aller Zeitschrif­ten
Wintour hat sich einen Legendenst­atus erarbeitet. Vom Condé Nast Verlag wurde sie trotz viel Kritik befördert. Sie ist nun die inhaltlich­e Chefin aller Zeitschrif­ten
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 ??  ?? IHRE VERTRAUTEN Mit Sarah Jessica Parker (Mitte) und Diane von Fürstenber­g (l.) verbindet sie eine Freundscha­ft. Ganz offen agiert sie aber nur vor ihrer Tochter Bee (r.), die seit 2018 mit Francesco Carrozzini verheirate­t ist – Sohn von Franca Sozzani, der verstorben­en Chefin der Vogue Italien
IHRE VERTRAUTEN Mit Sarah Jessica Parker (Mitte) und Diane von Fürstenber­g (l.) verbindet sie eine Freundscha­ft. Ganz offen agiert sie aber nur vor ihrer Tochter Bee (r.), die seit 2018 mit Francesco Carrozzini verheirate­t ist – Sohn von Franca Sozzani, der verstorben­en Chefin der Vogue Italien
 ??  ?? IHRE MÄNNER Gebildet, kultiviert, aber durchaus progressiv – das haben die Männer von Anna Wintour gemeinsam. Ihren ersten Ehemann David Shaffer (1), mit dem sie ihre Kinder Charles und Bee hat, verließ sie 1999 für den 200Mio.-Dollar schweren Unternehme­r Shelby Bryan (2). Sie galten als leidenscha­ftliches Liebespaar – nach 20 Jahren folgt nun aber die Scheidung. In den letzten zwei Jahren wird Wintour immer öfter mit ihrem Landsmann Bill Nighy (3) gesichtet 3
IHRE MÄNNER Gebildet, kultiviert, aber durchaus progressiv – das haben die Männer von Anna Wintour gemeinsam. Ihren ersten Ehemann David Shaffer (1), mit dem sie ihre Kinder Charles und Bee hat, verließ sie 1999 für den 200Mio.-Dollar schweren Unternehme­r Shelby Bryan (2). Sie galten als leidenscha­ftliches Liebespaar – nach 20 Jahren folgt nun aber die Scheidung. In den letzten zwei Jahren wird Wintour immer öfter mit ihrem Landsmann Bill Nighy (3) gesichtet 3
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Kritiker lästern, dass ihre Outfits oft alles andere als geschmacks­sicher sind. Das Schneckenk­leid auf der Met-Gala 2008 gilt als ihr größter Mode-Fauxpas FASHION-FAIL
 ??  ?? Wintour bemüht sich zwanghaft um Modernität und Diversität. Nach einem Übergrößen­model (r.), sorgt das Cover mit US-Politikeri­n Kamala Harris für enorme Aufmerksam­keit
Wintour bemüht sich zwanghaft um Modernität und Diversität. Nach einem Übergrößen­model (r.), sorgt das Cover mit US-Politikeri­n Kamala Harris für enorme Aufmerksam­keit
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