Justizkrieg neu entflammt: Anzeige als „Retourkutsche“gegen Korruptionsjäger
Kürzlich wurden Sektionschef und eine Journalistin angezeigt, nun fünf Mitglieder der WKStA. Was hinter den Vorwürfen steckt
Hintergrund. Der interne Krieg in der Justiz geht in die nächste Runde. Die wievielte? Man hat aufgehört zu zählen. Die Protagonisten? Altbekannte Vertreter der Wirtschaftsund Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen Vertreter des Justizministeriums.
Dem KURIER liegt eine aktuelle Anzeige gegen fünf Mitglieder der WKStA vor – wobei eines hervorgehoben wird. Sein Name schien in bisherigen Auseinandersetzungen immer wieder auf. Nennen wir ihn: Herr A.
In der Anzeige heißt es, dass die langjährige Lebensgefährtin von Herrn A. als Wirtschaftsexpertin im Verfahrenskomplex Ibiza/Casinos tätig sei – und Herr A. seine Ermittlungen auf ihre Berichte stütze, ohne offenzulegen, dass eine Befangenheit vorliegen könnte. Justizintern ist die Beziehung des Herrn A. allerdings nie ein Geheimnis gewesen, es habe auch nie Bedenken gegeben, heißt es zum KURIER. Die Frau sei nur Hilfsorgan der WKStA, keine offiziell bestellte Gutachterin.
Vorwurf: Amtsmissbrauch
Zudem wird Herrn A. vorgeworfen, er habe eine Beschuldigte, die im Finanzministerium tätig war, bei der Einvernahme unter Druck gesetzt: Er soll „angedroht“haben, ihre privaten Handydaten „willkürlich auszuwerten“. Im Vernehmungsprotokoll, das dem KURIER vorliegt, steht das nicht explizit. Es heißt darin nur, dass der Staatsanwalt, Herr A., ihr Falschaussage vorwarf und den gesamten Nachrichtenverlauf zwischen ihr und einem anderen Beschuldigten in den Akt nehmen wollte. Ihr Anwalt lehnte das ab, weil darin auch Privates vorkam, das nicht in den Akt gehöre.
Herr A. wurde nun wegen Amtsmissbrauch angezeigt – zwar anonym, der Verfasser suggeriert aber, dass er aus der Justiz kommt: Wegen der „zerstörerischen Wirkung innerhalb der Justiz“sehe er sich nicht in der Lage, die Anzeige mit seinem Namen zu unterfertigen.
Die Staatsanwaltschaft Wien bestätigt, dass die Anzeige am Donnerstag eingegangen ist und geprüft wird. Justizintern sieht man in der Anzeige wenig Substanz. Vielmehr wird sie als „Retourkutsche“verstanden – womit wir bei zwei älteren Schauplätzen wären.
Erstens: Kürzlich wurde bekannt, dass ein ehemaliger Mitarbeiter des Justiz-Kabinetts eine Sachverhaltsdarstellung gegen Sektionschef Christian Pilnacek und Johann Fuchs, Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, eingebracht hat. Sie enthielt eMails und Memos zum Start der Ibiza-Ermittlungen 2019, die Widersprüche zu den Aussagen von Pilnacek und Fuchs im U-Ausschuss offenbaren sollen.
Dieser Informant soll ein guter Bekannter von Herrn A. sein. Die WKStA hat die Dokumente ebenfalls zugespielt bekommen, der Vorwurf der Falschaussage wurde aber von der Staatsanwaltschaft Innsbruck geprüft. Ein Ergebnis ist noch nicht bekannt. Der Informant könnte nun übrigens als Zeuge im U-Ausschuss geladen werden.
Fünf „Masterminds“
Zweitens: Die Strafanzeige von fünf Mitgliedern der WKStA gegen Presse-Journalistin Anna Thalhammer wegen eines kritischen Artikels. Die WKStA erhielt eine saftige Abfuhr: Die Anzeige wurde abgewiesen, zu Ermittlungen kam es nicht.
Der anonyme Verfasser der aktuellen Anzeige, die dem KURIER vorliegt, bezieht sich auch auf diese Causa – und zeigt dieselben fünf WKStA-Mitglieder, die zuvor Thalhammer angezeigt hatten, wegen Verleumdung an. Der Verfasser nennt sie „Masterminds“hinter einer „unhaltbaren Intrige gegen Vorgesetzte, die die Strafrechtspflege insgesamt in Verruf bringen“.
Die WKStA erklärt auf KURIER-Anfrage, die Anzeige liege ihr nicht vor, sie könne inhaltlich nicht darauf eingehen. Die Behörde verteidigt aber allgemein das Hinzuziehen von Wirtschaftsexperten (wie der Lebensgefährtin von Herrn A.) bei den Ermittlungen: Es liege im Wesen der Teamarbeit, dass jedes Teammitglied über die Ergebnisse der Arbeiten informiert sei. Die Frage einer Befangenheit stelle sich nicht.