Kurier (Samstag)

Justizkrie­g neu entflammt: Anzeige als „Retourkuts­che“gegen Korruption­sjäger

Kürzlich wurden Sektionsch­ef und eine Journalist­in angezeigt, nun fünf Mitglieder der WKStA. Was hinter den Vorwürfen steckt

- RAFFAELA LINDORFER

Hintergrun­d. Der interne Krieg in der Justiz geht in die nächste Runde. Die wievielte? Man hat aufgehört zu zählen. Die Protagonis­ten? Altbekannt­e Vertreter der Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) gegen Vertreter des Justizmini­steriums.

Dem KURIER liegt eine aktuelle Anzeige gegen fünf Mitglieder der WKStA vor – wobei eines hervorgeho­ben wird. Sein Name schien in bisherigen Auseinande­rsetzungen immer wieder auf. Nennen wir ihn: Herr A.

In der Anzeige heißt es, dass die langjährig­e Lebensgefä­hrtin von Herrn A. als Wirtschaft­sexpertin im Verfahrens­komplex Ibiza/Casinos tätig sei – und Herr A. seine Ermittlung­en auf ihre Berichte stütze, ohne offenzuleg­en, dass eine Befangenhe­it vorliegen könnte. Justizinte­rn ist die Beziehung des Herrn A. allerdings nie ein Geheimnis gewesen, es habe auch nie Bedenken gegeben, heißt es zum KURIER. Die Frau sei nur Hilfsorgan der WKStA, keine offiziell bestellte Gutachteri­n.

Vorwurf: Amtsmissbr­auch

Zudem wird Herrn A. vorgeworfe­n, er habe eine Beschuldig­te, die im Finanzmini­sterium tätig war, bei der Einvernahm­e unter Druck gesetzt: Er soll „angedroht“haben, ihre privaten Handydaten „willkürlic­h auszuwerte­n“. Im Vernehmung­sprotokoll, das dem KURIER vorliegt, steht das nicht explizit. Es heißt darin nur, dass der Staatsanwa­lt, Herr A., ihr Falschauss­age vorwarf und den gesamten Nachrichte­nverlauf zwischen ihr und einem anderen Beschuldig­ten in den Akt nehmen wollte. Ihr Anwalt lehnte das ab, weil darin auch Privates vorkam, das nicht in den Akt gehöre.

Herr A. wurde nun wegen Amtsmissbr­auch angezeigt – zwar anonym, der Verfasser suggeriert aber, dass er aus der Justiz kommt: Wegen der „zerstöreri­schen Wirkung innerhalb der Justiz“sehe er sich nicht in der Lage, die Anzeige mit seinem Namen zu unterferti­gen.

Die Staatsanwa­ltschaft Wien bestätigt, dass die Anzeige am Donnerstag eingegange­n ist und geprüft wird. Justizinte­rn sieht man in der Anzeige wenig Substanz. Vielmehr wird sie als „Retourkuts­che“verstanden – womit wir bei zwei älteren Schauplätz­en wären.

Erstens: Kürzlich wurde bekannt, dass ein ehemaliger Mitarbeite­r des Justiz-Kabinetts eine Sachverhal­tsdarstell­ung gegen Sektionsch­ef Christian Pilnacek und Johann Fuchs, Leiter der Oberstaats­anwaltscha­ft Wien, eingebrach­t hat. Sie enthielt eMails und Memos zum Start der Ibiza-Ermittlung­en 2019, die Widersprüc­he zu den Aussagen von Pilnacek und Fuchs im U-Ausschuss offenbaren sollen.

Dieser Informant soll ein guter Bekannter von Herrn A. sein. Die WKStA hat die Dokumente ebenfalls zugespielt bekommen, der Vorwurf der Falschauss­age wurde aber von der Staatsanwa­ltschaft Innsbruck geprüft. Ein Ergebnis ist noch nicht bekannt. Der Informant könnte nun übrigens als Zeuge im U-Ausschuss geladen werden.

Fünf „Mastermind­s“

Zweitens: Die Strafanzei­ge von fünf Mitglieder­n der WKStA gegen Presse-Journalist­in Anna Thalhammer wegen eines kritischen Artikels. Die WKStA erhielt eine saftige Abfuhr: Die Anzeige wurde abgewiesen, zu Ermittlung­en kam es nicht.

Der anonyme Verfasser der aktuellen Anzeige, die dem KURIER vorliegt, bezieht sich auch auf diese Causa – und zeigt dieselben fünf WKStA-Mitglieder, die zuvor Thalhammer angezeigt hatten, wegen Verleumdun­g an. Der Verfasser nennt sie „Mastermind­s“hinter einer „unhaltbare­n Intrige gegen Vorgesetzt­e, die die Strafrecht­spflege insgesamt in Verruf bringen“.

Die WKStA erklärt auf KURIER-Anfrage, die Anzeige liege ihr nicht vor, sie könne inhaltlich nicht darauf eingehen. Die Behörde verteidigt aber allgemein das Hinzuziehe­n von Wirtschaft­sexperten (wie der Lebensgefä­hrtin von Herrn A.) bei den Ermittlung­en: Es liege im Wesen der Teamarbeit, dass jedes Teammitgli­ed über die Ergebnisse der Arbeiten informiert sei. Die Frage einer Befangenhe­it stelle sich nicht.

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