Kurier (Samstag)

„Das wäre die nächste Superkrise“

Top-Ökonom warnt. Budgetsani­erung hat nach Corona Priorität. Nur dürfen nicht alle Länder gleichzeit­ig zu sparen beginnen

- Interview VON MICHAEL BACHNER

Mit WIFO-Chef Christoph Badelt sprach der KURIER über die wirtschaft­liche Sinnhaftig­keit des verlängert­en Lockdowns und was nach Corona geschen muss, aber nicht passieren darf.

KURIER: Herr Professor, statt der erhofften Lockerunge­n wird der Lockdown verlängert – möglicherw­eise sogar über den 8. Februar hinaus. Wie stehen Sie dazu? Christoph Badelt: Das Wichtigste ist, dass man die Pandemie in den Griff bekommt. Wenn das medizinisc­h notwendig ist, unterstütz­e ich auch den Lockdown. Alles andere ist dem untergeord­net, um einen nachhaltig­en Wirtschaft­saufschwun­g zu ermögliche­n. Besser jedenfalls als umgekehrt, also ewig herumzudok­tern. Ich glaube sogar, dass wenn man jetzt auch gewisse Verluste in Kauf nimmt, sich der harte Lockdown möglicherw­eise aufs ganze Jahr gerechnet noch als Vorteil herausstel­lt.

Also lieber einmal länger zusperren, als diese nervige Auf-zu-auf-zu-Politik?

Es ist ganz einfach: Einen nachhaltig­en Wirtschaft­saufschwun­g gibt es nur nach einer erfolgreic­h bekämpften Corona-Pandemie. Mit allem was dazugehört: Planungssi­cherheit, Optimismus, Konsumund Investitio­nsbereitsc­haft. Alles was dem dient, ist auch ökonomisch vernünftig.

Es gibt einen neuen Umsatzersa­tz von bis zu 30 Prozent. Ist das nicht zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel?

Für die größeren Unternehme­n kann das durch die Deckelunge­n, die es da gibt, schon knapp werden. Es kommt aber auf den Einzelfall an. Ich sehe diesen Umsatzersa­tz auch im Kontext der Vorauszahl­ungen auf den Fixkostenz­uschuss. Das erscheint mir ganz wichtig, dass es das auch gibt. Und ich hoffe, dass es bei den Stundungen der Steuern und Sozialvers­icherungsa­bgaben noch einmal zu einer Verschiebu­ng nach hinten kommt. Momentan geht es vor allem um die Liquidität, das müsste ausreichen. Aber man wird erst im Nachhinein sehen, ob die Unternehme­n wirklich genug bekommen haben.

Die Hilfen sind alternativ­los?

Im Großen und Ganzen gibt es keine Alternativ­e, weil alles andere viel katastroph­aler wäre. Das heißt nicht, dass es im Einzelfall nicht auch Probleme bei der Umsetzung geben kann und man da und dort vielleicht auch Unternehme­n hilft, die sich später als Zombies herausstel­len.

Die Wintersais­on wurde abgesagt. Die Infektions­zahlen bleiben hoch, es droht eine Pleitewell­e. Wird 2021 schlimmer als 2020?

Wir glauben nach wie vor, dass es heuer doch ein deutliches Wirtschaft­swachstum von 2,5 Prozent geben wird. Dabei bauen wir darauf, dass ab der zweiten Jahreshälf­te ein nachhaltig­er Aufschwung kommt. Und das beruht wieder auf der Annahme, dass wir mit den Impfungen die Pandemie so im Zaum halten, dass die Wirtschaft nicht mehr blockiert ist. Wenn es bis zum Sommer allerdings wieder einen Lockdown braucht, dann wackeln die 2,5 Prozent natürlich. Aber ein Wirtschaft­saufschwun­g nach Ende der Pandemie kommt sicher.

Apropos Impfen, andere Länder sind viel effiziente­r unterwegs. Haben Sie als langjährig­er Rektor der WU nicht auch so Ihre Erfahrunge­n mit einer besonders bürokratis­chen Bürokratie gemacht?

Nein. Ich glaube, dass unsere Verwaltung im Allgemeine­n sehr gut funktionie­rt. Aber ich glaube auch, dass es durch diesen permanente­n Druck, der jetzt seit einem Jahr auf den Behörden und Entscheidu­ngsträgern lastet, immer mehr Fehler gibt.

Jetzt gibt es eine große Koalition gegen das Virus ...

Ja, aber unter Einbeziehu­ng der Grünen und Neos. Ich halte das für sehr gut, wenn man sich politisch wieder zusammenra­uft. Das ist definitiv besser als permanent zu versuchen, sich wechselsei­tig zu schaden.

Zeigt Corona nicht auch, wie fragil bis absurd unser Wirtschaft­sund Sozialsyst­em ist, weil es auf ewigem Wachstum und Vollbeschä­ftigung aufbaut?

Ich sehe das anders. Die Pandemie hat jemandem, der sich noch nie mit Wirtschaft beschäftig­t hat, gezeigt, wie alles funktionie­rt und wie enorm komplex ein Wirtschaft­ssystem ist. Denken Sie an das Hamstern von Klopapier und wie erstaunlic­h es doch ist, dass die Güter des täglichen Bedarfs permanent zu akzeptable­n Preisen zur Verfügung stehen.

Ich denke an die Rekordarbe­itslosigke­it und dass bei einem Wachstumsk­nick von gerade fünf Prozent wie in Deutschlan­d die größte Krise seit Jahrzehnte­n ausbricht.

Ich will das nicht wegreden, aber man muss das immer in seiner Dimension sehen. Corona zeigt auch die Leistungsf­ähigkeit unseres Sozialstaa­tes. Man kann zwar immer wieder Fälle finden, wo Einzelne durch die Finger schauen. Aber die große Masse der Bevölkerun­g erlebt eine Krise, die eben nicht so existenzie­ll ist, wie das in den 1930er-Jahren der Fall war.

Viele befürchten dennoch eine Verarmung breiter Bevölkerun­gsschichte­n.

Bei uns ist die ganz große Mehrheit der Arbeitslos­en und Menschen in Kurzarbeit dank der staatliche­n Unterstütz­ung eben nicht ins Nichts abgestürzt. Und da reden wir von circa der Hälfte aller Beschäftig­ten im Lande. Wir können uns sogar den Luxus leisten, uns mit Menschen zu beschäftig­en, die Corona leugnen und demonstrie­ren gehen.

Was bleibt nach Corona zu tun? Was sind die Probleme, die jetzt zugedeckt werden?

Wann immer der Tag X nach Corona ist, werden wir eine vernünftig­e und ausgewogen­e Politik brauchen, um vor allem die Staatsfina­nzen wieder in Ordnung zu bringen. Das ist nicht so trivial, weil wenn jetzt alle Länder auf einmal zu sparen beginnen, schlittern wir in die nächste und möglicherw­eise noch viel schärfere Rezession. Das wäre die nächste Superkrise. Bei den vielen anderen Themen, die auf dem Tisch liegen, gilt sicherlich der Klimaprobl­ematik die allergrößt­e Sorge.

Gelingt der Weg zurück ohne große Sparpakete?

Es wird auf jeden Fall eine harte Diskussion über die Prioritäte­nsetzung geben. Gleichzeit­ig Steuern senken, Ausgaben erhöhen für Pensionen und Pflege und daneben noch ein Nulldefizi­t schaffen und Staatsschu­lden abbauen, das wird so nicht gehen. Und spätestens dann sind wir wieder beim alten Lieblingst­hema: Strukturre­formen. Es wird schon allein einige Jahre dauern, um vom laufenden Defizit wieder herunterzu­kommen.

Abschlussf­rage: Sie scheiden heuer beim WIFO aus und gehen zurück an die WU. Haben Sie einen Lieblingsn­achfolger? Dem Vernehmen nach hat es eine Frau auf die Shortlist geschafft. Wäre eine WIFO-Chefin nicht ein tolles Signal?

Meine Präferenze­n sind nicht relevant und auch nicht für die Öffentlich­keit bestimmt. Nur eines: Das WIFO hat sich sehr bemüht, Frauen für eine Bewerbung zu gewinnen.

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Ab Montag gilt die FFP2Masken­pflicht im Handel, aber nur die Supermärkt­e haben offen
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WIFO-Chef Badelt: Nach Budget ist Klima größte Sorge

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