Willkommen im Club(house)
Alles zum Hype um den neuesten Stern am App-Himmel
Das Wort „Mega-Hype“ist in deutschen Medien dieser Tage überdurchschnittlich oft vertreten: Grund ist die Riesen-Aufregung um eine neue Social-Media-App, die gerade zum Lieblingsort der Internet-Schickeria avanciert. Entwickelt zu Beginn der Pandemie von den Tech-Unternehmern Paul Davison und Rohan Seth, ist Clubhouse, so heißt der neue Stern am AppHimmel, seit einer Woche auch in Österreich erhältlich – und klettert in den Download-Charts stetig nach oben.
Der Online-Club versteht sich in erster Linie als Plattform für Networking und sozialen Austausch: In Chaträumen können Mitglieder über die verschiedensten Themen diskutieren, als Moderator fungieren oder einfach nur zuhören. Fünftausend Nutzer waren dabei, als Thomas Gottschalk am vergangenen Dienstag zuerst vierzig Minuten mit der Technik kämpfte und anschließend mit zwei Bloggern auf dem virtuellen Podium über Politik und Lockdown-Alltag sinnierte. Auch andere große Namen wie Oprah Winfrey, Drake oder Paris Hilton sind Club(house)-Mitglieder.
App ohne Likes
Als eine „Mischung aus Mitmachradio und Podcast“beschreibt Karim-Patrick Bannour, Leiter der SocialMedia-Agentur viermalvier in Salzburg, die neue PlauderApp aus dem Silicon Valley: Wer dabei ist, kann Stars und Influencern ganz nahe sein.
Der wesentliche Unterschied zu populären digitalen Tummelplätzen wie Instagram oder Tiktok: Bei Clubhouse gibt es keine Likes, keine Fotos, keine Kommentare, der Austausch funktioniert rein über die gesprochene Sprache, was viele als logische Folge des PodcastHypes interpretieren. Dass die Chats live sind und nicht gespeichert werden, befeuert ein zuletzt rar gewordenes Gefühl: FOMO, die Angst, etwas zu verpassen. „Wer eine Session verpasst, hat Pech gehabt. Deshalb sind sich wiederholende Formate beliebt, damit man sich Termine legen kann“, erklärt der Social-Media-Experte.
Der Hype liegt zum Teil am Lockdown, der Gespräche in größeren Runden aus dem analogen Alltag gefegt hat. Und er basiert auf einem alten psychologischen Phänomen und Marketingtrick: Denn wie in einem angesagten Club in Prä-PandemieZeiten bekommt auch zur Audio-App nicht jeder Zutritt. Es braucht eine Einladung von einem anderen Mitglied, dafür ist die Nutzung kostenlos. „Diese Verknappung führt natürlich zu einem gesteigerten Interesse und Hype: Jeder möchte wissen, was das ist, und es sofort ausprobieren. Ich denke aber, dass die Betreiber diese Restriktionen bald aufheben werden“, sagt Bannour. Mittlerweile gibt es sogar Wartelisten und eBayKleinanzeigen, in denen Einladungslinks für 50 Euro zum Verkauf angeboten werden.
Ausgrenzung
Auf anderen sozialen Medien wird die neue Plattform kontrovers diskutiert: Dass Clubhouse derzeit nur auf dem iPhone-Betriebssystem funktioniert und die Inhalte in den Räumen nicht auf diskriminierende „Hatespeech“kontrolliert, stößt vielen sauer auf. Die reichweitenstarke österreichische Bloggerin DariaDaria kündigte daher bereits an, dass sie die App boykottieren werde.
Auch die mangelnde Diversität wird beklagt, zu Beginn debattierten im virtuellen Vereinslokal hauptsächlich Männer aus der Start-up-, Medien- und Politszene. „Warum Clubhouse? Wenn ich zwei Wichtigtuern beim Businessgesabbel zuhören will, kann ich doch auch ICE fahren“, twitterte der deutsche Comedy-Autor Micky Beisenherz.
Und dann wäre da noch der lapidare Umgang mit dem Thema Datenschutz: Europäische Experten kritisieren etwa, dass die App nach der Installation Zugriff auf alle Handy-Kontakte fordert.
Audio bleibt wichtig
Die Baustellen deuten darauf hin, dass die App zu schnell gewachsen ist. Social-MediaKenner Bannour kann sich aber nicht vorstellen, dass Clubhouse die Platzhirsche Instagram und Facebook dauerhaft verdrängen wird. Die großen Netzwerke arbeiten aktuell ebenfalls daran, Audio-Only-Formate zu integrieren. „Podcasts und Audio-Chat-Apps werden ihren Platz in unserer Welt finden und auch ausbauen, aber für sehr viele Menschen sind visuelle Inhalte wie Fotos, Videos oder auch Livestreams so wichtige und auch leichter zu verarbeitende Contentelemente, dass sie nicht darauf verzichten wollen.“
Auch Thomas Gottschalk, mit seinen 70 Jahren alles andere als ein Digital Native, ließ nach seinem Chaos-Debüt wissen, dass er Clubhouse noch nicht abgeschrieben habe. Als sein Mikrofon endlich an war, hing das Publikum gebannt an den Lippen des Entertainers – fast wie in guten alten Radiozeiten.