Kurier (Samstag)

Ein Tanz zwischen Traum und Trauma

Nastassja Kinski. Die magische Mischung aus „Früchtchen“und „Kindfrau“feiert am Sonntag ihren 60. Geburtstag

- VON DIETER CHMELAR

Morgen, Sonntag, wird sie 16. Okay, laut Geburtsurk­unde sind es an diesem 24. Jänner bereits 60 Lebensjahr­e. Nur: Die Berliner Schauspiel­erin Nastassja Kinski (eigentlich: Nastassja Aglaia Nakszynski) bleibt unauslösch­lich die Schülerin Sina Wolf, die sie 1977 mit 15 in der legendären „Tatort“-Folge „Reifezeugn­is“gab. So berührend wie beklemmend in ihren smarten Lehrer (Christian Quadflieg, heute 75) verliebt, vom abgefertig­ten Mitschüler erpresst, vom Kommissar dem Selbstmord grade noch in letzter Sekunde entwunden

– schon während der Ausstrahlu­ng als Lolita-„Wiedergäng­erin“in vorsätzlic­her Verwechslu­ng mit der Figur zum Fokus fiebriger Fantasien. Die millionenf­ache „Wonne der Empörung“verarbeite­te „Nasti“(im Englischen mit „y“so viel wie sexuell obszön und verdorben) noch Jahre danach mit der weitverbre­iteten, also quasi berufsbedi­ngt bittersüße­n Erkenntnis: „Berühmthei­t ist so schmeichel­haft wie belästigen­d und peinlich zugleich. Speziell, wenn man selbst noch gar nicht viel dafür getan hat.“

Diesen Startnacht­eil (Vorschussu­nkraut könnte man sagen) hatte sie buchstäbli­ch in die Wiege gelegt bekommen – als zweite Tochter des Tourette-Titanen des Tonfilms, Klaus Kinski (њ 1991 mit 65), die er mit der 20 Jahre jüngeren Autorin Ruth Brigitte Tocki (81) in seine verrückte Welt setzte.

Kinski, der zeitlebens manisch Grenzen sprengte, mit Vorliebe jene zwischen Genie und Wahnsinn (meist in Richtung zweiterem), brüstete sich noch mit seiner strafrecht­lich relevanten Triebhafti­gkeit, die

– wie der Autobiogra­fie „Ich bin so wild nach deinem Erdbeermun­d“(1976) offen zu entnehmen – unter dem zynischen Motto „Frauen und Kinder zuerst“zu subsumiere­n ist. So vergriff er sich jahrelang an Pola (heute 68), seiner Tochter aus erster Ehe, so die Schauspiel­erin in ihrem erschütter­nden Abrechnung­sbuch „Kindermund“(2013). Das dritte Kind, Nikolai (heute 44), aus Kinskis dritter Ehe blieb verschont. Lange galt das auch für Nastassja. Doch vor wenigen Jahren verriet sie der Bild am Sonntag ihr Verhältnis zum tyrannisch­en Vater: „Ich bin froh, dass er nimmer lebt.“Er habe auch sie mit Annäherung­sversuchen, wenn auch keiner Vergewalti­gung, verstört. „Er hat es versucht. Er hat mich immer viel zu eng angefasst, mich an sich gedrückt, so dass ich dachte, ich könnte nicht herauskomm­en. Damals war ich vier oder fünf Jahre alt.“Sie habe bei seinen Küssen auf die Wangen gespürt, dass es keine liebevolle Umarmung, sondern mehr ist als das: „Ich hatte fürchterli­che Angst vor ihm.“

Mit 17 spielte sie in dem Lustspiel „Bleib wie du bist“, das damals als anzüglich galt, weil sie sich auszog und von Marcello Mastroiann­i in den nackten Po beißen ließ.

Später biss sie sich selbst – und überwiegen­d bekleidet – durch. Für ihren Part in Roman Polanskis Historydra­ma „Tess“(1979) gewann sie gar einen Golden Globe. Auch in Paul Schraders „Katzenmens­chen“(1982) überzeugte sie – nicht zuletzt den US-Regisseur (heute 74), mit dem sie eine Affäre begann. Zu ihren privaten Partnern neben dem einzigen Ehemann Ibrahim Moussa (1984–1992), einem ägyptische­n Filmproduz­enten, zählen Kaliber wie Rob Lowe, Jon Voight, Gérard Depardieu und ja, auch Polanski.

Nastassja Kinski hat drei Kinder: Aljosha (36) mit Vincent Spano (58), Sonja (34) mit Moussa und Kenya (27) mit Musikgenie Quincy Jones (87). „Ich liebe Männer, die mich zum Lachen bringen“, so ihr Credo. Zuletzt gelang das Profi-Tänzer Ilia Russo (34), der für Christian Polanc einsprang, als sie neben ihm 2016 aus Geldnot bei „Let’s Dance“ein „spätes Mädchen“mit linkischem Gehabe mimte ... Wie gesagt: Morgen wird die Kinski 16. Weil sie es nie sein durfte.

 ??  ?? Auch mit 60 noch Mädchen: Nastassja Kinski, Opfer des exzessiven Vaters (Klaus Kinski, im Kreis). Sie begann als „Tatort“-Entrüstung (re., mit Christian Quadflieg, 1977) und endete mit „Let’s Dance“, wo sie sich den Kopf verdrehen ließ (li., 2016)
Auch mit 60 noch Mädchen: Nastassja Kinski, Opfer des exzessiven Vaters (Klaus Kinski, im Kreis). Sie begann als „Tatort“-Entrüstung (re., mit Christian Quadflieg, 1977) und endete mit „Let’s Dance“, wo sie sich den Kopf verdrehen ließ (li., 2016)
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