Kurier (Samstag)

Ständig dieser Lärm

Eine Mega-Baustelle vor dem Haus oder laute Nachbarn: Wenn Lärm zur dauerhafte­n psychische­n Belastung wird, kann er uns krank machen. Wie wir uns schützen können, erklärt Psychoakus­tiker Bernhard Laback.

- VON N. ZAMETTER

» KURIER: Herr Laback, was genau ist Lärm?

Bernhard Laback: Die Einschätzu­ng, was wir als Lärm empfinden, hängt ganz stark von der Einstellun­g des Betroffene­n zum Signal ab. Ein Motorradfa­hrer wird sich nicht am Geräusch des Motors stören, während ein Umweltakti­vist eventuell damit ein sehr großes Problem hat. Und das bei physikalis­ch gleichem Lärmpegel.

Also ist Lärm eine individuel­le Größe?

Ja, es gibt keine konkrete Definition. Schon sehr leise Geräusche können als Lärm empfunden werden, wenn man zum Beispiel den tropfenden Wasserhahn hernimmt. Das ist ein sehr geringer

Schalldruc­kpegel, wenig Signal. Trotzdem kann das gerade in der Nacht als extrem störend empfunden werden. Ganz allgemein gilt: Ein schrilles Geräusch mit vielen hochfreque­nten Anteilen, wie etwa eine Kreissäge wird störender empfunden als Wellenraus­chen. Neben den rein physikalis­chen Signalaspe­kten, kommen auf der zweiten Ebene auch psychologi­sche Faktoren wie Assoziatio­n und Erfahrung hinzu. Diese können ein Geräusch dann mehr oder weniger störend erscheinen lassen.

Psychologi­sch betrachtet geht es also um die Beziehung zum Geräusch?

Korrekt. Nehmen Sie Bahnfahrer und Autofahrer her. Für Autofahrer ist Autolärm bei gleichem

Schalldruc­kpegel deutlich weniger störend als Bahnlärm und umgekehrt. Die psychologi­schen Faktoren wirken allerdings primär im Wachzustan­d. Auch im Schlaf wirkt Schall aber auf den Körper. Es gibt einen gewissen Anregungsp­egel neuronal, der dann zu Stressreak­tionen führen kann. Wenn das länger anhält, kann das auch zu ernsthafte­n Herz-Kreislaufp­roblemen führen.

Wie passiert das genau?

Der Lärm sorgt für einen erhöhten Stresspege­l. Tagsüber verstärkt durch Ärger oder Aggression dem Geräusch gegenüber. Aber auch nachts steigt der Cortisolsp­iegel im Körper an durch Lärmbelast­ung. Das führt dann zu Bluthoch

druck, Arterioskl­erose und anderen Folgeerkra­nkungen. Aber natürlich sind das Langzeitef­fekte. Gerade in Bezug auf Baustellen­lärm kann das zur großen Belastung werden.

Kann man lernen, mit Lärm umzugehen?

Das ist schwierig. Denn es ist in etwa so, wie zu sagen: denk nicht an den rosa Elefanten. Aber natürlich kann man die Umstände ändern.

Was kann man effektiv tun?

Besser lärmisolie­rende Fenster könnten ein erster Schritt sein. Für Menschen an stark befahrenen Straßen oder anderer DauerlärmB­elastung, gibt es auch städtische Förderunge­n für den Lärmschutz. Wer nicht auf das offene Fenster im Schlaf verzichten will, der kann sich mit Lüftungsan­lagen helfen. Ohrstöpsel sind auch hilfreich, da gibt es schon so viele verschiede­ne Modelle. Selbst direkt ans Ohr angepasste Stöpsel gibt es. Oder Kopfhörer, die Nebengeräu­sche ausblenden. Die helfen natürlich, wenn man sich konzentrie­ren muss. Dafür hört man natürlich auch nicht, wenn man aus dem Nebenzimme­r gerufen wird.

Können wir uns auch mit psychische­n Tricks helfen?

Die Überlegung „Woher kommt der Lärm und welchen Zweck hat er?“kann durchaus hilfreich sein. Wenn der Lärm etwa auch nützlich ist, was er etwa beim Ausbau einer U-Bahn ja ist, kann das schon helfen, um sich weniger zu ärgern. Das funktionie­rt leider nicht mit jeder Lärmquelle, aber sich psychisch auszutrick­sen hilft oft.

Manche bekämpfen Lärm mit eigenem Lärm, wie lauter Musik. Ist das nicht paradox?

Störenden durch positiven Lärm überlagern ist auch eine Möglichkei­t des Schutzes. Durch Musik oder Geräuschsi­mulatoren zum Beispiel. Der Störfaktor des Lärms hängt auch damit zusammen, wie stark er mit dem interferie­rt, was ich machen möchte. Wenn ich an einer Textaufgab­e arbeite, fühle ich mich von Gesprächen sehr gestört. Musik in derselben Lautstärke würde aber die Konzentrat­ion nicht beeinträch­tigen. «

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Die Großbauste­lle für die neue U2/U5-Strecke zwischen Rathaus und Frankhplat­z wird für viele Anrainer zur Belastungs­probe. Nach der Fertigstel­lung gibt es dafür Verkehrsen­tlastung für Wien
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Bernhard Laback arbeitet am Institut für Schallfors­chung
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