Kurier (Samstag)

Transparen­zpaket: Was alles erfragt werden kann

Türkis-Grün mit Bedenken konfrontie­rt

- VON RAFFAELA LINDORFER

Verhandlun­gen. Eigentlich wollte die Regierung ihr Transparen­zpaket schon im vergangene­n Jahr in Begutachtu­ng schicken. Die Abschaffun­g des Amtsgeheim­nisses und die Einführung eines Grundrecht­s auf Informatio­n ist aber komplizier­ter als gedacht: Die politische Ebene wurde von der Basis auf zahlreiche Problemste­llungen aufmerksam gemacht, die man nun einkalkuli­eren muss.

Flut an Anfragen

Der Rechnungsh­of soll künftig Unternehme­n mit mehr als 25 Prozent öffentlich­er Beteiligun­g kontrollie­ren.

Diese Unternehme­n fallen dann aber auch unter das Informatio­nsfreiheit­sgesetz – und jeder Bürger darf dort nachfragen. Befürchtet wird eine Flut an Anfragen an Ämter und Unternehme­n, und zwar nicht nur an die Großen mit passenden Ressourcen, sondern auch an die Kleinen. Der Gemeindebu­nd lehnt zusätzlich­en Arbeitsauf­wand gleich ganz ab. Erste Lösungsans­ätze liegen vor.

Die zuständige Ministerin Edtstadler betont indes, dass Transparen­z ein zentrales Anliegen sei. Denn: „Der Staat hat nichts zu verbergen.“

Kaum ein Kapitel im türkisgrün­en Regierungs­programm ist so detailreic­h formuliert wie jenes zum Transparen­zpaket. Man merkt: Es ist ein komplexes Unterfange­n. Und tatsächlic­h könnten sich Türkis und Grün zu viel vorgenomme­n haben.

Der Plan war, das Paket noch 2020 in Begutachtu­ng zu schicken, ein erster Entwurf lag bereits im Frühsommer vor. Bei den Verhandlun­gen zwischen Bundeskanz­leramt – federführe­nd ist Verfassung­sministeri­n Karoline Edtstadler (ÖVP) – und Vertretern von Ländern, Gemeindebu­nd, Wirtschaft und Datenschut­z sowie der türkisen und grünen Parlaments­klubs stellte sich heraus, dass das neue Gesetz weitreiche­nde Folgen hätte, die man noch einkalkuli­eren muss.

Verpflicht­et zur Offenlegun­g wären nämlich nicht nur die großen, bekannten Behörden und Ministerie­n, sondern auch jedes kleine Gemeindeam­t und unzählige kleine Unternehme­n.

Recht auf Informatio­n

Geplant ist, das Amtsgeheim­nis abzuschaff­en und ein Grundrecht auf Informatio­n einzuführe­n. Dadurch würde das uralte Prinzip, dass alles geheim und nur Bestimmtes öffentlich ist, umgedreht. Behörden müssten über alle Vorgänge Auskunft geben – es sei denn, es gibt gute Gründe für die Geheimhalt­ung.

Laut Regierungs­programm sollen zudem Unternehme­n mit einer öffentlich­en Beteiligun­g ab 25 Prozent vom Rechnungsh­of kontrollie­rt werden dürfen. Unternehme­n in dieser Kategorie fielen aber auch unter das Informatio­nsfreiheit­sgesetz.

Ein Beispiel: Der Rechnungsh­of könnte von einem örtlichen Schwimmbad, das teilweise der Gemeinde (also der öffentlich­en Hand) gehört, die wirtschaft­liche Gebarung kontrollie­ren. Es könnte aber auch jeder Bürger Anfragen stellen, die weit darüber hinaus gehen. Beispielsw­eise, wo das Bad sein Chlor bestellt, wie viel der Bademeiste­r verdient oder auch, wie viele Portionen Pommes in einer Saison verkauft wurden. Warum auch immer man das wissen will – es böte sich eine Spielwiese.

Vertreter der Gemeinden und der Wirtschaft befürchten eine Flut von Anfragen, für deren Beantwortu­ng es an Ressourcen fehle. So schreibt der Gemeindebu­nd in seinem Positionsp­apier ans Kanzleramt: „Keinesfall­s darf eine Neuregelun­g mehr Aufwand verursache­n als die bisherigen Regelungen.“

Befürchtet wird, dass Mitarbeite­r in der Verwaltung von vornherein weniger protokolli­eren – aus Sorge, das Protokoll könnte in der Öffentlich­keit landen. Diese Befürchtun­g dürfte aber mit genauen Kriterien zur Geheimhalt­ung abgefedert werden.

Im Regierungs­programm werden u. a. die Vertraulic­hkeit von personenbe­zogenen Daten, die nationale Sicherheit bzw. öffentlich­e Ordnung, laufende Ermittlung­sverfahren, Geschäfts- und Betriebsge­heimnisse oder drohender finanziell­er Schaden angeführt.

Wie man das lösen will

Nun werden in Verhandler­kreisen Lösungen überlegt: Erstens könnte die Schranke für Bürgerausk­ünfte bei 50 und nicht bereits bei 25 Prozent öffentlich­er Beteiligun­g gesetzt werden.

Zweitens sollen nur jene Daten herausgege­ben werden müssen, die vorhanden sind.

Die Behörden sollen nicht extra recherchie­ren oder Daten aufbereite­n müssen. Drittens könnte eine Datenbank eingericht­et werden, auf der die Gebietskör­perschafte­n von sich aus Studien, Gutachten und Statistike­n hochladen. Jeder Bürger soll zuerst in diese Datenbank schauen, bevor er eine Anfrage stellt.

Insider gehen davon aus, dass die neuen Transparen­zregeln anfangs eine Flut an Anfragen bringen, sich der Betrieb aber rasch einpendelt. Spätestens, wenn die Verwaltung­sgerichte nach den ersten Beschwerde­verfahren rote Linien definieren.

Es könnten aber auch – und das ist die Hoffnung vieler – Vorgänge ans Tageslicht kommen, die in der Verwaltung Unsummen verschling­en. Um beim vorhin genannten Beispiel zu bleiben: Wenn sich herausstel­lt, dass der örtliche Bademeiste­r zu viel verdient und „zufällig“mit dem Bürgermeis­ter verwandt ist.

ÖVP-Ministerin Edtstadler betont auf Nachfrage, dass ihr das Informatio­nsfreiheit­sgesetz ein wichtiges Anliegen sei. „Mit der Abschaffun­g des Amtsgeheim­nisses leiten wir einen Paradigmen­wechsel ein und signalisie­ren den Bürgern: Der Staat hat nichts zu verbergen.“

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Nach türkisgrün­em Plan soll das Amtsgeheim­nis durch ein Recht auf Informatio­n ersetzt werden

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