Transparenzpaket: Was alles erfragt werden kann
Türkis-Grün mit Bedenken konfrontiert
Verhandlungen. Eigentlich wollte die Regierung ihr Transparenzpaket schon im vergangenen Jahr in Begutachtung schicken. Die Abschaffung des Amtsgeheimnisses und die Einführung eines Grundrechts auf Information ist aber komplizierter als gedacht: Die politische Ebene wurde von der Basis auf zahlreiche Problemstellungen aufmerksam gemacht, die man nun einkalkulieren muss.
Flut an Anfragen
Der Rechnungshof soll künftig Unternehmen mit mehr als 25 Prozent öffentlicher Beteiligung kontrollieren.
Diese Unternehmen fallen dann aber auch unter das Informationsfreiheitsgesetz – und jeder Bürger darf dort nachfragen. Befürchtet wird eine Flut an Anfragen an Ämter und Unternehmen, und zwar nicht nur an die Großen mit passenden Ressourcen, sondern auch an die Kleinen. Der Gemeindebund lehnt zusätzlichen Arbeitsaufwand gleich ganz ab. Erste Lösungsansätze liegen vor.
Die zuständige Ministerin Edtstadler betont indes, dass Transparenz ein zentrales Anliegen sei. Denn: „Der Staat hat nichts zu verbergen.“
Kaum ein Kapitel im türkisgrünen Regierungsprogramm ist so detailreich formuliert wie jenes zum Transparenzpaket. Man merkt: Es ist ein komplexes Unterfangen. Und tatsächlich könnten sich Türkis und Grün zu viel vorgenommen haben.
Der Plan war, das Paket noch 2020 in Begutachtung zu schicken, ein erster Entwurf lag bereits im Frühsommer vor. Bei den Verhandlungen zwischen Bundeskanzleramt – federführend ist Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) – und Vertretern von Ländern, Gemeindebund, Wirtschaft und Datenschutz sowie der türkisen und grünen Parlamentsklubs stellte sich heraus, dass das neue Gesetz weitreichende Folgen hätte, die man noch einkalkulieren muss.
Verpflichtet zur Offenlegung wären nämlich nicht nur die großen, bekannten Behörden und Ministerien, sondern auch jedes kleine Gemeindeamt und unzählige kleine Unternehmen.
Recht auf Information
Geplant ist, das Amtsgeheimnis abzuschaffen und ein Grundrecht auf Information einzuführen. Dadurch würde das uralte Prinzip, dass alles geheim und nur Bestimmtes öffentlich ist, umgedreht. Behörden müssten über alle Vorgänge Auskunft geben – es sei denn, es gibt gute Gründe für die Geheimhaltung.
Laut Regierungsprogramm sollen zudem Unternehmen mit einer öffentlichen Beteiligung ab 25 Prozent vom Rechnungshof kontrolliert werden dürfen. Unternehmen in dieser Kategorie fielen aber auch unter das Informationsfreiheitsgesetz.
Ein Beispiel: Der Rechnungshof könnte von einem örtlichen Schwimmbad, das teilweise der Gemeinde (also der öffentlichen Hand) gehört, die wirtschaftliche Gebarung kontrollieren. Es könnte aber auch jeder Bürger Anfragen stellen, die weit darüber hinaus gehen. Beispielsweise, wo das Bad sein Chlor bestellt, wie viel der Bademeister verdient oder auch, wie viele Portionen Pommes in einer Saison verkauft wurden. Warum auch immer man das wissen will – es böte sich eine Spielwiese.
Vertreter der Gemeinden und der Wirtschaft befürchten eine Flut von Anfragen, für deren Beantwortung es an Ressourcen fehle. So schreibt der Gemeindebund in seinem Positionspapier ans Kanzleramt: „Keinesfalls darf eine Neuregelung mehr Aufwand verursachen als die bisherigen Regelungen.“
Befürchtet wird, dass Mitarbeiter in der Verwaltung von vornherein weniger protokollieren – aus Sorge, das Protokoll könnte in der Öffentlichkeit landen. Diese Befürchtung dürfte aber mit genauen Kriterien zur Geheimhaltung abgefedert werden.
Im Regierungsprogramm werden u. a. die Vertraulichkeit von personenbezogenen Daten, die nationale Sicherheit bzw. öffentliche Ordnung, laufende Ermittlungsverfahren, Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse oder drohender finanzieller Schaden angeführt.
Wie man das lösen will
Nun werden in Verhandlerkreisen Lösungen überlegt: Erstens könnte die Schranke für Bürgerauskünfte bei 50 und nicht bereits bei 25 Prozent öffentlicher Beteiligung gesetzt werden.
Zweitens sollen nur jene Daten herausgegeben werden müssen, die vorhanden sind.
Die Behörden sollen nicht extra recherchieren oder Daten aufbereiten müssen. Drittens könnte eine Datenbank eingerichtet werden, auf der die Gebietskörperschaften von sich aus Studien, Gutachten und Statistiken hochladen. Jeder Bürger soll zuerst in diese Datenbank schauen, bevor er eine Anfrage stellt.
Insider gehen davon aus, dass die neuen Transparenzregeln anfangs eine Flut an Anfragen bringen, sich der Betrieb aber rasch einpendelt. Spätestens, wenn die Verwaltungsgerichte nach den ersten Beschwerdeverfahren rote Linien definieren.
Es könnten aber auch – und das ist die Hoffnung vieler – Vorgänge ans Tageslicht kommen, die in der Verwaltung Unsummen verschlingen. Um beim vorhin genannten Beispiel zu bleiben: Wenn sich herausstellt, dass der örtliche Bademeister zu viel verdient und „zufällig“mit dem Bürgermeister verwandt ist.
ÖVP-Ministerin Edtstadler betont auf Nachfrage, dass ihr das Informationsfreiheitsgesetz ein wichtiges Anliegen sei. „Mit der Abschaffung des Amtsgeheimnisses leiten wir einen Paradigmenwechsel ein und signalisieren den Bürgern: Der Staat hat nichts zu verbergen.“