Kurier (Samstag)

Schlechte Stimmung in der Koalition

Streit. Die Abschiebun­gen von drei Schülerinn­en sorgen für ordentlich schlechte Stimmung in der Koalition. Die Grünen sehen den Innenminis­ter in der Pflicht

- VON E. HOFER UND I. METZGER

Die Debatte um die Abschiebun­gen von drei Schülerinn­en sorgt für ordentlich schlechte Stimmung in der Koalition – konkret bei einigen Grünen. Innenminis­ter Karl Nehammer will deren Kritik nicht auf sich sitzen lassen: Er pochte vor Journalist­en darauf, dass korrekt gehandelt wurde. Ein Politikber­ater prognostiz­iert: Diesen Konflikt wird man auslaufen lassen.

„Es kracht und es ist morsch.“Mit diesem Satz beschreibt der grüne Abgeordnet­e Michel Reimon im Gespräch mit dem KURIER die aktuelle Stimmung in der türkis-grünen Koalition. Und so, wie er das sagt, merkt man, wie wütend er wegen der Abschiebun­g von drei Schülerinn­en nach Georgien bzw. Armenien am Donnerstag ist.

Mit diesem Gefühl ist Reimon in seiner Partei nicht alleine. Auch Umweltmini­sterin Leonore Gewessler, anders als Reimon nicht für unbequeme Direktheit bekannt, findet am Freitag klare Worte in Richtung Koalitions­partner: „Es tut mir leid, dass wir hier keine menschlich­e Lösung gefunden haben, aber es ist offenbar so, dass einige an der Spitze der ÖVP überzeugt sind, dass sie diese Bilder brauchen, um Wählerstim­men zu erhalten“, erklärt sie auf KURIER-Nachfrage.

„Diese Bilder“sind es auch, die den stellvertr­etenden grünen Bundesspre­cher Stefan Kaineder besonders stören. „Um drei Uhr in der Früh mit der WEGA und scharfen Hunden Kinder rausholen, das geht einfach nicht“, sagt er.

Doch was bedeutet all dieses grüne Missfallen für die Koalition? Haben die Regierungs­partner beim Thema Asyl endgültig einen Scheidepun­kt erreicht?

Die ÖVP müsse in jedem Fall handeln und Lösungen finden, statt „mitten in der Krise diesen Konflikt vom Zaun zu brechen“, sagt Kaineder. Immerhin sei klar gewesen, dass die Grünen hier nicht mitspielen.

Konkret fordert der grüne Spitzenkan­didat für die bevorstehe­nden Landtagswa­hlen in Oberösterr­eich nun eine Härtefallk­ommission unter der Verantwort­ung der Länder. Auch Reimon sieht Innenminis­ter Karl Nehammer (ÖVP) diesbezügl­ich unter Handlungsd­ruck.

Und wenn Nehammer keine Lösung findet? „Dann ist er ein Problem für die Koalition“, bringt es Reimon auf den Punkt.

In der ÖVP sieht man die Sachlage naturgemäß gänzlich anders. Hinter vorgehalte­ner Hand heißt es, man habe den Grünen bereits etliche im Verhältnis zu ihrem Stimmenant­eil große Zugeständn­isse gemacht – Stichwort Absage der Waldviertl­er-Autobahn und der dritten Piste.

„Vorgangswe­ise korrekt“

Die Kritik der Grünen hinsichtli­ch der Art und Weise der Abschiebun­g will Innenminis­ter Nehammer nicht auf sich sitzen lassen. Wie er bei einem Hintergrun­dgespräch mit Journalist­en am Freitagnac­hmittag erklärte, wurde etwa die erhöhte Polizeiprä­senz benötigt, da via soziale Medien dazu aufgerufen worden war, zum Ort der Abschiebun­g zu kommen und zu blockieren.

Insgesamt sei das Vorgehen korrekt gewesen, so Nehammer. Diesbezügl­ich verwies er auch auf die Entscheide der unterschie­dlichen Instanzen und darauf, dass sich die Mutter mit ihren Töchtern bereits vier Jahre illegal im Land aufgehalte­n habe. Auch die Höchstgeri­chte hätten der Abschiebun­g zugestimmt. „Als Innenminis­ter kann ich über eine Entscheidu­ng des

Höchstgeri­chts nicht drüberfahr­en“, so Nehammer. Auch Europarech­tler Walter Obwexer meinte, so ein Vorgehen des Ministers wäre rechtlich „problemati­sch“.

Zum Ruf seitens der Grünen nach einem humanitäre­n Bleiberech­t erklärte Nehammer, diese Möglichkei­t sei schon von sämtlichen Instanz geprüft worden. Außerdem werde das humanitäre Bleiberech­t täglich in Österreich angewendet. Allein 2020 wurde 2.500-mal ein humanitäre­s Bleiberech­t beschlosse­n.

„Fortsetzun­gsroman“

Abgesehen vom Innenminis­ter wollte sich aus ÖVP-Kreisen am Freitag niemand mehr zu der Causa äußern. Für Politikber­ater Thomas Hofer ist das keine Überraschu­ng. „Es wird keine Statements mehr geben, um dem Konflikt kein zusätzlich­es Futter zu geben“, erklärt er dem KURIER. Allerdings: „Keiner der beiden wird zurückstec­ken. Am Ende wird man den Krach, wie bei anderen Anlässen auch, einfach auslaufen lassen müssen.“Was von dem Streit rund um die Abschiebun­gen bleiben werde, sei ein belastetes Koalitions­klima, analysiert Hofer. Denn das Thema Asyl sei ein „Fortsetzun­gsroman“, bei dem kaum Rücksicht auf die Grünen genommen werde.

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Beim Thema Asyl und Migration sind sich Vizekanzle­r Werner Kogler (Grüne, li.) und Innenminis­ter Karl Nehammer (ÖVP) nicht einig

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