Kurier (Samstag)

Russland preist „Sputnik V“als Retter in der Not an

Kreml will EU mit Impfstoff helfen. Doch Zweifel sind nicht ausgeräumt – und die EMA weiß nichts von einem Zulassungs­antrag

- EVELYN PETERNEL

Grüße aus Moskau. „,Sputnik V’ ist gerne bereit, zu helfen“, heißt es beim offizielle­n Twitter-Account des Impfstoffs: Moskau könnte 100 Millionen Dosen im zweiten Quartal 2021 liefern, genug für 50 Millionen Europäer, so der Russische Fonds für Direktinve­stitionen (RDIF), der die Entwicklun­g des Vakzins finanziert hatte.

Es ist ein höfliches, aber spöttische­s Angebot Richtung Brüssel – und es ist kein Zufall, dass es zu jenem Zeitpunkt kommt, an dem der politische Druck, ob der Lieferengp­ässe am größten ist (siehe oben). Die Botschaft lautet: Moskau ist diesmal schneller, besser, effiziente­r. Es ist eine Retourkuts­che für die Kritik des Westens im Sommer, wonach die Zulassung von „Sputnik V“in Russland verfrüht und nicht gemäß europäisch­er Standards erfolgt sei.

Doch abseits aller politische­r Rhetorik: Weder die Zweifel am Impfstoff sind ausgeräumt, noch ist eine Zulassung in der EU greifbar. Zwar hat das Gamaleja Institut, das das Vakzin entwickelt hat, nun vorläufige Daten von mehr als 18.000 Probanden vorgelegt, die dem Produkt eine Wirksamkei­t von 91,4 Prozent bescheinig­en. Damit ist „Sputnik“wirksamer als der auf derselben Technologi­e basierende Astra ZenecaImpf­stoff. Dennoch gibt es einen Haken: Sputnik hat die dritte Erprobungs­phase noch nicht abgeschlos­sen, die Wirksamkei­t ist nach internatio­nalen Standards noch immer nicht erwiesen.

Brasilien und Indien, die Sputnik in großem Stil angekauft haben, hat das zweifeln lassen. Sie haben eigene Phase-IIund Phase-III-Erprobunge­n eingeleite­t, „Sputnik“deshalb noch nicht zugelassen. Die Ukraine hat das Vakzin generell verboten – das hat aber nichts mit dem Impfstoff, sondern mit dem Konflikt der Länder zu tun.

Kein Antrag eingelangt

Problemati­sch in Kombinatio­n damit wird auch sein, dass Moskau zwar öffentlich behauptet, Dokumente für ein Zulassungs­verfahren („rolling review“) bei der Behörde eingereich­t zu haben, diese davon aber nichts weiß. „Wir möchten klarstelle­n, dass die EMA keinen Antrag für die Marktzulas­sung für ,Sputnik V’ erhalten hat“, so ein Sprecher der EMA zum KURIER. Man habe lediglich ein Ansuchen auf „wissenscha­ftliche Beratung“erhalten und dafür ein vertraulic­hes Vorgespräc­h geführt – ein Prozedere, das lediglich der Vorbereitu­ng dient.

Darüber hinaus dürften auch die Produktion­skapazität­en in Russland geringer sein als kommunizie­rt. Auch im eigenen Land hinkt man den Zielen massiv hinterher; laut unabhängig­er Untersuchu­ng sollen nur 300.000 statt der offizielle­n 1,5 Millionen Personen geimpft worden sein. Was die Zweifel nährt: Seit zwei Wochen werden überhaupt keine Impfzahlen mehr veröffentl­icht.

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100 Millionen SputnikDos­en könnte Russland ab April an die EU liefern. Ein Zulassungs­antrag fehlt aber noch

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