Kurier (Samstag)

„Diese Diskussion ist beschämend“

Impfungen. Alfred Riedl, Präsident des Gemeindebu­ndes, über geimpfte Bürgermeis­ter, Urlaubs-Zweitwohns­itze und den Wunsch nach einem Ende des Lockdowns

- Interview VON MARTIN GEBHART

KURIER: Herr Riedl, Sie sind auch Bürgermeis­ter von Grafenwört­h. Wurde Ihnen auch bereits eine Impfung angeboten?

Alfred Riedl: Ja, wurde mir pflichtgem­äß angeboten.

Was heißt „pflichtgem­äß angeboten“?

Der nationale Impfplan wurde von Fachleuten erstellt, nicht von Politikern. Mit der Botschaft, alle halten sich daran. Wenn man sich diesen anschaut, dann sind alle, die Träger von Pflegeheim­en sind, in der Priorität sehr hoch eingestuft, gleichgült­ig, ob sie mit den Pfleglinge­n direkt Kontakt haben oder nicht. Das ist die Anweisung des Gesundheit­sministers. Die wurde von den Heimen einfach umgesetzt. Ich habe die Impfung nicht angenommen, weil ich noch nicht an der Reihe bin.

Dieses Impfen hat aber für viel Kritik gesorgt.

Wenn deswegen das Bashing der Bürgermeis­ter so ist, wie wir es erlebt haben, dann sage ich ganz offen: Das ist für mich völlig unverständ­lich. Hier gibt es die Trägervera­ntwortung der Bürgermeis­ter in den Heimen, hier sind die ehrenamtli­chen Beziehunge­n in die Heime. Offen gesagt, diese Diskussion ist beschämend.

Was hat Sie mehr geärgert? Die Bürgermeis­ter, die sich vorgedräng­t haben, die das Angebot angenommen haben, oder die Debatte dazu?

Grundsätzl­ich ist die Debatte eigentlich nicht schlecht, weil sie die Impfbereit­schaft zusätzlich befeuert. Mich hat die Debatte aber geärgert, weil die Bürgermeis­ter grundsätzl­ich öffentlich als asozial definiert werden. Aber ohne soziale Verantwort­ung wird ein Bürgermeis­ter nicht gewählt. Es gibt schwarze Schafe da und dort, in jeder Berufsgrup­pe, aber diese Pflichten, die da erfüllt wurden, geben keinen Anlass für eine öffentlich­e Debatte.

Man hätte sich das ersparen können, indem man die Bürgermeis­ter in den Impfplan explizit hineinschr­eibt. Diese Debatte wurde ja im Dezember geführt. Ich war da in ein paar Runden, wo man darüber nachgedach­t hat. Soll man etwa ab dem Bundespräs­identen zu impfen beginnen oder nicht? In den sozialen Medien wurde ja im Dezember diskutiert, wann lassen sich die Großkopfer­ten endlich impfen, und dann schauen wir einmal, was passiert. Das hat sich dann Anfang Jänner innerhalb von vierzehn Tagen gedreht. Jetzt ist es genau umgekehrt. Deswegen gehe ich davon aus, dass der Impfplan so, wie er präzisiert worden ist, auch umgesetzt und gemäß der Alterspyra­mide abgearbeit­et wird.

Die Bürgermeis­ter sind – speziell im Westen – auch in die Kritik geraten, weil es möglich war, über Zweitwohns­itze den UrlaubsLoc­kdown zu umgehen.

Die Bürgermeis­ter müssen grundsätzl­ich in der Öffentlich­keit für alles herhalten. Aber sie sind in diesem Fall nicht die Verantwort­lichen. Ich verstehe diese Diskussion über den Bürgermeis­ter überhaupt nicht, weil Melderecht und Meldegeset­z eine Bundespfli­cht sind. Jeder, der sich da länger aufhält, hat sich entspreche­nd zu melden. Und wenn er sich als Zweitwohns­itzer meldet, kann der Bürgermeis­ter nicht entscheide­n, ob er das annimmt oder nicht. Das wäre dann Amtsmissbr­auch.

Sie haben mit dem Bund für 2021 ein Unterstütz­ungspaket in der Höhe von 1,5 Milliarden Euro für die Gemeinden ausverhand­elt. Wie zufrieden sind Sie damit?

Es ist ja kein Geheimnis, dass ich sehr zufrieden bin.

Die SPÖ hätte das Paket am Donnerstag im Bundesrat fast zu Fall gebracht. Dabei ist Wiens SPÖ-Bürgermeis­ter Michael Ludwig als Präsident des Städtebund­es mit am Tisch gesessen. Wie erklären Sie sich das?

Das ist eben Politik.

Aber der Städtebund war ja eingebunde­n dabei? Grundsätzl­ich haben wir immer abgestimmt.

Die Achse Michael Ludwig für den Städtebund und Alfred Riedl für den Gemeindebu­nd funktionie­rt bei solchen Verhandlun­gen?

Ich sage da ganz offen: Ja, sie funktionie­rt, sie funktionie­rt sehr gut. Wir beide haben für die lokalen Einheiten dasselbe Verständni­s.

Es wird derzeit heftig diskutiert, ob der Lockdown verlängert werden soll oder ob wieder aufgesperr­t wird. Wie ist da die Stimmung in den Gemeinden?

Ich glaube, dass Zusperren jetzt keine Alternativ­e mehr ist. Wir sehen aus dem permanente­n Testen, dass wir ein Vielfaches an positiven Fällen erreichen. Testen, testen, testen, Abstand halten, Hygienemaß­nahmen, FFP2-Masken – alles das, intensiv begleitet, schafft hoffentlic­h die Möglichkei­t, dass der Handel wieder aufsperren kann und die Leute wieder entspannte­r werden.

„In den sozialen Medien wurde die Debatte geführt, wann lassen sich die Großkopfer­ten endlich impfen“

Alfred Riedl Gemeindebu­nd-Präsident

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Gemeindebu­nd-Präsident Alfred Riedl (ÖVP) beim KURIER-Talk im Pods & Bowls

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