Kurier (Samstag)

Wiener Grüne stehen (noch) zur Koalition

Aus der traditione­ll linken und mächtigen Landesorga­nisation sind nur vereinzelt kritische Stimmen zu hören

- STEFANIE RACHBAUER

Reaktionen. Lediglich leises Knirschen ist (im Unterschie­d zum Krachen zwischen Grünen und ÖVP im Bund) zwischen der mächtigen Wiener Landesorga­nisation der Grünen und der Bundespart­ei zu vernehmen. Die Wiener Grünen scheinen Türkis-Grün (noch) nicht aufgeben zu wollen. Das ist durchaus überrasche­nd – gelten die Wiener Grünen (und ihre Wähler) doch als traditione­ll links und ÖVP-kritisch.

Am weitesten haben sich zwei Gemeinderä­te auf Facebook aus dem Fenster gelehnt. „Liebe grüne Regierungs­mitglieder und Abgeordnet­e. Wir sind doch nicht in der Regierung, um […] in Österreich geborene Kinder abzuschieb­en. Wehrt euch bitte“, richtete Mandatar Martin Margulies seinen Kollegen in einem Posting aus.

Und Viktoria Spielmann – eine der wenigen, die nach der Nationalra­tswahl am grünen Bundeskong­ress offen gegen Türkis-Grün gestimmt haben – schrieb: „Es war von Anfang an klar, dass Grüne und ÖVP bei den Themen Asyl und humanitäre­s Bleiberech­t meilenweit voneinande­r entfernt sind. Das lässt sich nicht auflösen und es gibt nix zu beschönige­n.“

Prominente­re Vertreter der Wiener Grünen schossen sich am Freitag lieber auf die ÖVP und Innenminis­ter Karl Nehammer ein als auf ihre eigene Bundesspit­ze. Offensicht­lich will man den Türkisen nicht den Gefallen tun, sich durch interne Streiterei­en weiter zu schwächen.

Neue Mehrheiten

Entspreche­nd nachsichti­g mit der Bundespart­ei gibt sich etwa David Ellensohn, Klubchef im Rathaus: „Die Abschiebun­gen sind nach Moria der nächste Sündenfall der Volksparte­i“,

sagt er im KURIERGesp­räch. Aber: „Wenn die Grünen jetzt davonlaufe­n, hilft das keinem Kind etwas.“Man sei eine Partei der Menschenre­chte, die darauf achte, dass keine „schlechten Gesetze“beschlosse­n werden – wie etwa jene, die die Abschiebun­gen möglich machten. Ob die Grünen in der Causa alles richtig gemacht haben? „Wir haben noch Überzeugun­gsarbeit zu leisten“, sagt Ellensohn. Soll wohl heißen: Nein.

Markus Reiter, mächtiger Bezirksche­f in der grünen Hochburg Neubau, formuliert es so: „Es ist ein Lernprozes­s.“Jetzt die Koalition im Bund aufzukündi­gen, bringe nichts: „Wir brauchen eine stabile Regierung, um die Corona-Krise zu bewältigen.“Sinnvoller sei es, wie beim Lichtermee­r in den 90ern außerhalb des Parlaments Mehrheiten zu suchen und Druck zu machen. „Die Grünen können das nicht alleine lösen“, sagt Reiter. Aber: Man werde in der Sache mit der ÖVP „weiter in Konfrontat­ion gehen“.

Dass der grüne Kurs nach hinten losgehen kann, hat für so manche Grüne das Ergebnis bei der Wien-Wahl gezeigt: Ohne Moria wären mehr als 14,8 Prozent möglich gewesen, heißt es hinter vorgehalte­ner Hand. Nach dem Rauswurf aus der Rathaus-Koalition scheint aber zu gelten: Besser in irgendeine­r als in keiner Koalition.

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Klubchef Ellensohn: „Davonlaufe­n hilft keinem Kind etwas“

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