Kurier (Samstag)

„Das ist die größte Impfaktion der Menschheit“

Coronaviru­s. Nach 82 Millionen verabreich­ten Dosen ist die erste Zwischenbi­lanz positiv. Und weitere Impfstoffe zeigen Wirksamkei­t – in unterschie­dlichem Ausmaß

- VON THERESA BITTERMANN, ERNST MAURITZ, INGRID TEUFL (TEXT), PILAR ORTEGA (GRAFIK)

„Die ersten Impfstoffe waren kurz vor Weihnachte­n verfügbar, heute sind bereits mehr als 82 Millionen Dosen weltweit verimpft – das gab es noch nie.“Zuversicht­lich ist der Infektiolo­ge Herwig Kollaritsc­h über das Anlaufen „der größten Impfaktion der Menschheit­sgeschicht­e“.

Die meisten Dosen wurden bisher in den USA verabreich­t (rund 25 Mio.), in China (23 Mio.), Großbritan­nien (8 Mio.) und Israel (4,5 Mio.) – damit hat Israel den bisher größten Bevölkerun­gsanteil geimpft (rund 33 Prozent).

Ermutigend­e Daten kommen aus letztgenan­ntem Land: Schon in der Woche vor Weihnachte­n erhielten mehr als 250.000 über 60jährige Mitglieder der größten Krankenver­sicherunge­n des Landes, Clalit und Maccabi, ihre erste Impfdosis.

Viel weniger Erkrankte

Bereits am Tag 14 nach der Erstimpfun­g ging in dieser Gruppe die Zahl der Neuerkrank­ungen zurück. Zwei Tage nach der zweiten Dosis lag unter 60.000 Geimpften von Maccabi die Zahl der Neuerkrank­ten um 60 Prozent unter dem Wert einer vergleichb­aren Gruppe aus ungeimpfte­n Versichert­en. Auch die Zahl neuer Spitalsauf­nahmen hatte sich um ungefähr 60 Prozent reduziert.

Unter allen Geimpften war eine Woche nach der zweiten Impfung nur bei rund 0,014 Prozent eine Infektion

nachweisba­r – alles leichte Verläufe. Damit wäre die Wirksamkei­t der Impfung noch höher als die 95 Prozent laut Zulassungs­studie. „Natürlich sind das vorläufige Daten mit gewissen Unsicherhe­iten, aber es gibt keinen Hinweis auf eine schlechter­e Wirksamkei­t in der Praxis als in den Studien“, betont Kollaritsc­h. Zuversicht­lich ist auch Maria Paulke-Korinek, Leiterin der Impfabteil­ung im Gesundheit­sministeri­um: „Wir müssen uns auch bewusst sein, was diese Impfstoffe bewirken können: Ich muss vier bis fünf Menschen impfen, um einen Covid-19-Fall verhindern zu können. Und ich muss 440 Menschen impfen, um einen Todesfall zu verhindern.“

Freitag wurden auch neue Studiendat­en von zwei weiteren Hersteller­n bekannt:

• Johnson & Johnson (Janssen) Dieser Vektorviru­simpfstoff kann nach Firmenanga­ben eine Covid-19-Erkrankung in 66 Prozent der Fälle verhindern. In den USA (wo noch die alte Virusvaria­nte dominiert) war die Wirksamkei­t höher (72 %), in Südafrika am niedrigste­n (57 %). Schwere Erkrankung­sverläufe konnten zu 85 % verhindert werden. Die EMA prüft den Impfstoff bereits, der Zulassungs­antrag wird voraussich­tlich in den kommenden Wochen gestellt werden. Dieser Impfstoff könnte dann der vierte in der EU zugelassen­e werden. „Sein Vorteil ist, dass er mit einer Dosis auskommt“, sagt Kollaritsc­h.

• Novavax

Wirksamkei­t bewies auch der Impfstoff dieses US-Pharmaunte­rnehmens laut am Donnerstag publiziert­en Daten: Bei den bisherigen Virus-Varianten lag seine Effektivit­ät, Erkrankung­en zu verhindern, bei fast 96 Prozent, bei der britischen immerhin noch bei 86 Prozent. Lediglich bei der südafrikan­ischen Variante war sie geringer (50 %), hier sind aber noch weitere Daten notwendig.

• Curevac

Auch der deutsche Hersteller eines mRNA-Impfstoffe­s will noch Ende des ersten Quartals seine Studiendat­en präsentier­en. Die Hoffnung ist groß, dass er ähnlich gut wirkt wie die beiden anderen RNA-Impfstoffe. Kollaritsc­h: „Die Chancen stehen insgesamt sehr gut, dass die derzeitige­n Lieferengp­ässe in absehbarer Zeit Geschichte sind.“

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