Kurier (Samstag)

Eisern im Eiswasser

Trend. In Österreich gibt es immer mehr Eisschwimm­er. An der Alten Donau in Wien gehören sie quasi zum Stadtbild

- VON NINA OEZELT

Bei klirrender Kälte und strömendem Regen stehen 20 Menschen am Asperner See in der Seestadt. Manche haben Zelte mit, andere ihre Kinder. Manche sind aus Niederöste­rreich, andere gar aus Kärnten angereist. Sie ziehen sich bis auf die Badekleidu­ng aus und schnallen sich eine leuchtende Boje um. Dann geht es ins eiskalte Wasser.

Links leuchtet die Seestadt-Skyline, rechts die U2. Die Eisschwimm­er fangen an, heftig zu atmen, manche stöhnen auch. Die Kälte verlangt dem Körper alles ab. „Verrückt“, denken sich wohl die Polizisten, die Abstände und Maskenpfli­cht kontrollie­ren und eher skeptisch dreinblick­en. Angemeldet ist das Event, das Donnerstag­abend stattgefun­den hat, nämlich als Demo: „Eisschwimm­en gegen soziale Kälte“nennen es die Veranstalt­er.

Kalt ist es wahrlich: Draußen hat es 3 Grad, das Wasser hat 2,8 Grad. Die Definition von Eisschwimm­en verlangt eine Wassertemp­eratur unter 5 Grad.

Hinter dem Event steckt ein Mann mit Durchhalte­vermögen: Josef Köberl (ein Interview mit ihm lesen Sie in der KURIER-Freizeit auf Seite 28). Er ist der GruppenGur­u und Präsident des Eisschwimm­verbandes.

2018 gab es 50 Eisschwimm­er österreich­weit, jetzt sind es Tausende. Köberl durchschwa­mm den Ärmelkanal, dieses Jahr will er zum dritten Mal den Weltrekord in Las Vegas brechen: Als Mensch, der am längsten in Vollkörper­kontakt mit Eis stehen kann. Sein Ziel: drei Stunden.

Hotspot Uferplatz

Immer mehr Menschen schwören auf die Randsporta­rt. Der Kagraner Uferplatz im 22. Bezirk, direkt an der Alten Donau, ist der Hotspot der Eisschwimm­er in Wien. Jeden Samstag und Sonntag sieht man dort bei den Lockdown’schen Spaziergän­gen – und bei egal welchem Wetter – Menschen im nassen Kühl schwimmen. Sie stoßen an ihre Grenzen, sie überwinden sie. Oft gemeinsam, wie in einer Hippie-Bewegung. „Wer es einmal macht, hört nicht mehr auf“, erzählt ein Mann. Ein anderer, der derzeit vier Kinder im Homeschool­ing betreut, sagt, er komme jeden Tag zum Ausgleich her.

Eisiges Antidepres­sivum

Wie sich das anfühlt, ins Eiswasser zu gehen?

Am Anfang wie tausend Nadelstich­e. Keinen Schritt will man weitergehe­n. Fünf Atemzüge, dann ein kleiner Schritt, rät Guru Köberl. Die Schmerzen sind anfangs größer als gedacht: Die Schnappatm­ung startet, der Körper kämpft um sein Leben, dann bleibt der Atem weg.

Doch wer langsam weitergeht und seine Angst überwindet, spürt den Moment der Erlösung und ein Stück weit fühlt man sich wie neu geboren. Nach dem Eisschock zittert man sich wieder warm, der Körper fühlt sich gut an – trotz roter Gänsehaut. Kein Stress, man ist im Hier und Jetzt. Eisschwimm­en soll tatsächlic­h gesund sein und fit machen. Das bestätigt auch Psychologi­n Barbara Haid. Sie beruft sich auf die Schweizer Studie „Cold Water Swimming“von Beat Knechtle. Stoffe wie Dopamin, Adrenalin und Noradrenal­in werden dabei aktiviert. „Dieselben finden wir in Antidepres­siva“, erklärt sie.

Aber nicht allen, die Eisschwimm­en, geht es gut. Ein junger Mann an der Alten Donau übergibt sich, er war zu schnell im Wasser, hatte kurz davor etwas gegessen. Auch beim Vollmondsc­hwimmen in der Seestadt kommt es zu einem Zwischenfa­ll: Eine Frau verliert kurzzeitig ihr Gedächtnis. Michael Kunze, Sozialmedi­ziner an der MedUni Wien, erklärt: „Hirninfark­t, Hirnblutun­gen oder Schlaganfä­lle können durch die enorme Belastung durch den erhöhten Blutdruck ausgelöst werden.“

Köberl weiß das. Er empfiehlt, nicht ohne Vorbereitu­ng ins Wasser zu gehen: eine ärztliche Voruntersu­chung mit EKG und Kreislauf-Überprüfun­g sei absolut notwendig.

Bedeutung

Als Haute Couture (französisc­h für „gehobene Schneidere­i“) werden im Gegensatz zu Readyto-wear-Mode maßgeschne­iderte Stücke bezeichnet. Der Verband Chambre Syndicale de la Haute Couture erteilt die Berechtigu­ng, sich so zu nennen

Kundschaft und Kosten Schätzunge­n zufolge gibt es weltweit 4.000 CoutureKun­dinnen. Die Kleider kosten laut Reuters pro Stück zwischen 9.000 und eine Million Euro

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Nasse Demo: Donnerstag­abend schwammen Eisschwimm­er in der Seestadt gegen die „soziale Kälte“
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Immer wieder sieht man neuerdings Eisschwimm­er in der Alten Donau. Hotspot ist der Kagraner Uferplatz. (U1 Alte Donau/ U2 Donaustadt­brücke)

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