Kurier (Samstag)

Altes Handwerk für schönes Wohnen

- VON NICOLE ZAMETTER

Wer aus alten, abgenutzte­n Möbelstück­en, etwas Neues, Besonderes machen möchte, hat viele Möglichkei­ten: restaurier­en, tapezieren, malen oder vergolden. Traditione­lle Handwerksk­ünste erfüllen dabei viele moderne Ansprüche. Sie sind lokal, nachhaltig und fördern kreativen Individual­ismus.

» Ein beeindruck­ender Schreibtis­ch aus dem frühen 18. Jahrhunder­t steht mitten in der Werkstatt. Ein Erbstück, viele Schubladen, versteckte Fächer, ein Tabernakel – das schöne Möbel kennt bestimmt unzählige Geschichte­n und Geheimniss­e. Doch die Spuren des Alters sind selbst für Laien erkennbar: abgebroche­ne Ecken, vergilbte Oberfläche­n, Risse in den Furnieren. Schon mehrmals wurde wohl von fachunkund­iger Hand versucht, die Zeichen der Zeit zu vertuschen. „Oft wird damit mehr kaputt gemacht, als gerichtet,“erzählt Richard Addison. Deshalb ist es so wichtig, den richtigen Experten für sein Möbelstück zu finden. Addison, der gemeinsam mit seiner Frau Andrea eine Werkstatt im fünfzehnte­n Bezirk betreibt, ist so jemand. Reparatur-Fehler wieder auszubügel­n und das Möbelstück mit all seiner Patina zu altem Glanz zu erwecken ist ihr Geschäft. Ihr Handwerk gelernt und vertieft haben beide in England. „Dort gibt es eine Vielzahl an angesehene­n Ausbildung­sstätten für Restaurate­ure,“berichtet Andrea Addison. Das wichtigste in ihrem Beruf sei „das Wissen und Verständni­s für die Geschichte, den Charakter der Möbel und viel Geduld.“

Das Wissen um Materialie­n, ihre Beschaffen­heit und Pflege, sowie deren Erhaltung ist es, was auch andere Handwerksk­ollegen antreibt. Der Besuch bei Vergolderi­n Martina Hoffinger auf der Wiedner Hauptstraß­e zeugt von ebenso viel Hingabe. Seit fünf Generation­en wird das Vergolder-Handwerk in ihrer Familie weitergege­ben. „Unsere Arbeit ist sehr schmutzig und nicht so romantisch, wie es klingt,“beschreibt sie ihren Alltag fröhlich und legt die Arbeitssch­ürze an. In dem Atelier ist viel zu tun. Zahlreiche sehr alte Rahmen warten darauf, restaurier­t zu werden. Da wird geschliffe­n, ausgebesse­rt, abgebroche­ne Teile werden nachgeschn­itzt („Das macht mein Vater, der noch immer jeden Tag in der Werkstatt hilft.“) und dann vergoldet. „Kitschig darf es nicht werden, darum ist die Erhaltung der Patina so wichtig. Ein komplett glänzender Rahmen sieht leicht billig aus,“gibt Hoffinger zu bedenken. Umgeben von viel Pomp und Goldglanz kommt der Kitschgeda­nke aber tatsächlic­h nicht auf. Auch hier wird mit viel Liebe zum Detail und allem Verständni­s für das Werk gearbeitet. Dabei lassen sich neben Rahmen und Möbeln auch Wände und Decken vergolden. So entsteht aus einem gewöhnlich­en Stück etwas Besonderes und Individuel­les.Hoffinger:„Ichhabeimm­er das Gefühl, dass das Gold die Menschen glücklich macht, der Farbton und Glanz wirkt stimmungsa­ufhellend.“

Gerade in Pandemie-Zeiten ist der Wunsch nach Wohnraumge­staltung verstärkt. „Man verbringt plötzlich so viel Zeit daheim und bei Tageslicht fällt einem leichter auf, dass das Sofa schon starke Abnutzungs­erscheinun­gen hat,“erzählt Tapezierer­meister Bernhard Vock. Während zwar die Arbeit etwa im Gastronomi­ebereich fast gänzlich wegbricht, bringen verstärktp­rivateHaus­haltealteS­essel oder Bänke zum Neubeziehe­n. „Das zahlt sich vor allem dann aus, wenn ich ein Einzelstüc­k haben möchte,“da rät der Experte gern zu mutigen Ideen. Nachhaltig­keit steht auch in seinem Handwerk an erster Stelle. Wobei er zu bedenken gibt: „Ein billig gekauftes Möbelstück hat oft keine lange Lebensdaue­r. Manchmal lohnt sich dann eine Auffrischu­ng nicht.“Dafür ist die Expertise des Handwerker­s da. Vor der nächsten Neuanschaf­fung lohnt sich also ein Blick auf Bestehende­s und die Inspiratio­n durch alte Künste. «

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