Kurier (Samstag)

DER MANN AUS DEM EIS

Sich ein Herz fassen und in die eiskalten Fluten stürzen: Eisbaden liegt im Trend. Was bringt es? Wie sollte man es angehen? Die freizeit sprach mit einem Experten: Eisschwimm­er und Weltrekord­mann Josef Köberl. Der Österreich­er ist durch und durch ein coo

- Von Alexander Kern

Er hat Fans in Indien und Japan. Trägt auch im Winter grundsätzl­ich kurze Hose. Und er hat zweimal einen Weltrekord aufgestell­t: Josef Köberl, der Mann aus dem Eis. Zweieinhal­b Stunden stand er dafür in einer Glaskabine, bis zum Hals in Eiswürfeln. Getragen hat er dabei nur eine Badehose. Der Österreich­er liebt die Kälte. Und ist damit Vorbild und Galionsfig­ur für viele, die derzeit das frostige Vergnügen im Wasser für sich entdecken: Eisbaden erfreut sich immer größerer Beliebthei­t bei Menschen, die auf diesem Wege ihr Immunsyste­m und ihre Psyche dauerhaft stärken wollen. Was Anfänger dabei beachten sollten, verrät Köberl im Interview. Und er erzählt über sein Schmerzemp­finden, gespeicher­te Glücksgefü­hle – und warum seine Familie und er getrennt auf Urlaub fahren.

freizeit: Herr Köberl, Ihre Elemente sind Kälte und Eis: Was geht in Ihnen vor, wenn Sie sich solch extremen Temperatur­en aussetzen? JOSEF KÖBERL: Der Schmerz durch die Kälte kommt in Wellen. Ich bearbeite das mental. Und zwar, indem ich harte, besonders emotionale Situatione­n, die ich im Training gut gemeistert habe, im Kopf abspeicher­e. Wenn ich dann in der Eisbox stehe und es geht hart auf hart, greife ich auf dieses Reservoir an Glücksgefü­hlen zurück. Und breite es über den Schmerz.

Den Kälteschme­rz zu leugnen, ihn versuchen wegzudrück­en, wäre naheliegen­d.

Sich vorzustell­en, ich liege in der Karibik am Strand, während ich tatsächlic­h bis zum Hals im Eis stehe – dieser Zugang wäre vollkommen falsch. Du musst die Kälte akzeptiere­n. Mein Schmerzemp­finden ist antrainier­t. Die Eiswürfel haben minus vier Grad. Doch durch wiederholt­es Vorbereite­n darauf halte ich das aus.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Eisschwimm­er zu werden?

Ich habe vor zehn Jahren bei einem Bewerb den Hallstätte­r See durchschwo­mmen. Weil mir das sehr leicht gefallen ist, habe ich angekündig­t, auch durch den Ärmelkanal zu schwimmen. Zur Vorbereitu­ng auf die 15-Grad-Temperatur habe ich im kalten Wasser trainiert. So begann alles. Eisbaden ist bei immer mehr Menschen angesagt. Was bringt es dem Normalo?

Es nützt auf vielen Ebenen. Einerseits stärken Bewegung und Kälte das Immunsyste­m. Der ganze Körper wird durchblute­t, es ist gut für den Blutdruck. Die Haut verbessert sich. Sogar bei Multipler Sklerose kommt es zum Einsatz. Und ich kenne einige Leute, die durch das Schwimmen in Kaltwasser ihre Depression­en besiegen konnten.

Es lenkt sie von ihren Problemen ab, etwas Neues wirkt auf sie ein, das einen positiven Effekt auf sie hat. Das speichern sie ab. Welche Tipps geben Sie Anfängern, die mit Eisbaden beginnen wollen?

Anfangs beim Arzt unbedingt einen Gesundheit­scheck machen – und dabei besonders Kreislauf und Blutdruck unter die Lupe nehmen. Beim Reingehen ins Wasser – mit Boje oder in Begleitung – sich dann Zeit lassen. Je länger das geschieht, desto länger gelingt es einem, im Wasser zu bleiben. Schnell hineinzuge­hen löst einen Fluchtrefl­ex aus. Stattdesse­n soll man die Kälte auf sich wirken lassen. Schafft man es anfangs nur, bis zu den Knien reinzugehe­n, ist das völlig okay. Beim nächsten Mal wird es bereits viel besser klappen. Und: Auf keinen Fall reinspring­en!

Und danach?

Beim ersten Mal sollte man nicht länger als zwei Minuten im Wasser bleiben. Danach

VOR- UND NACHTEILE FÜR DIE GESUNDHEIT

Beim Eisbaden transporti­ert der Körper Wärme nach innen, während Haut und Gliedmaßen auskühlen. Danach erzeugt die erhöhte Blutzirkul­ation ein wohliges Gefühl. Sportmediz­iner Robert Fritz von der Sportordin­ation in Wien bestätigt die positive Auswirkung auf das Immunsyste­m. Menschen mit Herz kreislaufe­rkrankunge­n und Bluthochdr­uck sollten aber verzichten – zu gefährlich. Anfängern legt er einen Gesundheit­scheck nahe.

ist die richtige Bekleidung wichtig: nichts zum Zuknöpfen, keine Schuhbände­r. Dafür sind die Hände danach zu klamm. Wer Tee mitbringt, sollte ihn schon vor dem Gang ins Wasser einschenke­n. Sonst gibt es böse Verbrennun­gen, weil man so zittert.

Sie halten Kältesemin­are, für die Sie ausgezeich­net wurden. Was lernt man dort? Das Seminar findet in der Eishöhle am Hintertuxe­r Gletscher statt. Über uns liegen 30 Meter Eis, unter uns liegen 30 Meter Eis, in der Mitte liegt ein wunderschö­ner See. Die Wassertemp­eratur liegt bei unter null Grad. In dieser speziellen Atmosphäre tasten wir uns ans Eisschwimm­en heran.

Welche Leute kommen da zu Ihnen?

Völlig verschiede­n, Bankiers, Juristen oder Verkäuferi­nnen. Und aus aller Welt, Neuseeland, England, Italien oder Belgien. Eine Frau kam aus Mexiko und hatte zuvor noch nie Schnee gesehen. Sie alle sind auf der Suche nach dieser ganz speziellen Ruhe und zugleich dem Adrenalins­toß, der sie beim Eisschwimm­en erwartet. Anfangs sind sie euphorisch oder ängstlich. Sobald sie im Wasser sind, ist das wie weggeblase­n. Das Wasser hat Minusgrade. Würde man ohne Brille hinunterta­uchen, würde sich ein Eisfilm auf der Netzhaut bilden.

Gibt es auch Manager, die einfach nur die Extreme suchen?

Ich führe Vorgespräc­he. Wenn ich da bemerke, jemand will nur beweisen, wie hart er ist – den nehme ich nicht mit. Da kann er so viel Geld auf den Tisch legen, wie er will. Es geht ja um ganz anderes.

Worum geht es Ihnen?

Es geht um Mut. Sich bewusst etwas zuzutrauen. Durchhalte­fähigkeit. Das Gefühl,

man könne jemeisde Situation tern. Darum, dass jeder aus diesem Erlebnis etwas in sein tägliches Leben mitnimmt.

Auch inneren Frieden?

Wenn man ins Wasser geht, spürt man, wie das Blut in die Fingerspit­zen fließt und die Hände sich schwer anfühlen. Ich sage meinen Teilnehmer­n dann, sie sollen sich vorstellen, all ihre Probleme würden in diesem Moment aus ihnen raus fließen. Vielen gelingt das. Der Vorgang hat etwas Spirituell­es. Er hilft, zu sich zu finden, Ruhe zu finden in dieser schnellleb­igen Zeit.

Sie lieben es kalt, kommt Strandurla­ub privat eigentlich dennoch für Sie in Frage? Es gibt ja auch in Murmansk einen Strand. Oder am Baikalsee. In warme Länder zieht es mich eher nicht. Im Frühling ist Kroatien zum Trainieren noch okay. Doch sobald die 25-Grad-Marke überschrit­ten wird, ist es mir eigentlich schon zu warm.

Sie sind verheirate­t, haben zwei Kinder. Wie geht es der Familie damit?

Meine Frau ist mehr der Thermen-Typ. Wir machen also oft getrennt Urlaub. Ich fahre in den Norden, sie in den Süden. Grönland oder Island – das wäre nichts für sie.

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Am Hintertuxe­r Gletscher: cool, cooler, Köberl
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