MÄRCHENHAFT
Die heimische Schwarzwurzel ist eine wahre Verwandlungskünstlerin und zaubert im kalten Februar überraschende Gerichte auf unseren Teller – einen schneeweißen Winterspargel im neuen Kleid.
ch sitze an meinem Schreibtisch und schaue aus dem Fenster in den Himmel, aus dem zarte Schneeflöckchen auf die Erde tanzen. „Eine neue kulinarische Herausforderung muss her“, denke ich, um mir die Zeit zu vertreiben. Das Brotbacken wurde ja vergangenes Jahr perfektioniert, nach Monaten intensiver Recherche und Arbeit bin ich nun imstande, in meinem Haushaltsofen erstaunlich gutes Brot, helles und dunkles, zu fabrizieren.
Fast liebäugle ich schon mit dem Gedanken, mich in der Joghurtproduktion zu versuchen, als mich der Liebste aus meinen Käseträumen in die Gegenwart holt: „Wie wäre es, wenn du dieses Jahr nur über heimische Obst- und Gemüsesorten schreibst? Das wäre doch vor allem im Winter spannend!“Gesagt, getan. Bei meinen Recherchen stoße ich auf die Schwarzwurzel, der geläufige Ausdruck „Winterspargel“lacht mich gleich an.
IEigentlich eine Spanierin
Die Schwarzwurzel kommt ursprünglich aus Spanien und wird erst seit dem 17. Jahrhundert als Gemüsepflanze angebaut. Sie steckt voller Vitamine und Mineralstoffe und lässt sich als typisches Wintergemüse bis in den April hinein ernten. Die Ernte ist recht aufwendig, weil sie händisch erfolgen muss, um die Wurzeln nicht zu verletzen. Ich mache einen Rundruf bei Familie und Freunden, finde aber niemanden, der die Schwarzwurzel selber verkocht hätte. Der Standler holt sie mir später am Markt aus einer versteckten Kiste heraus und will später bitte das Rezept verraten haben. „Das wird ja immer geheimnisvoller“, denke ich mir, als ich zu Hause die „Operation Schwarzwurzel“starte.
Zuvor hole ich mir Rat von unserem Koch Daniel, die Wurzeln gleich in Zitronenwasser einzulegen und mich vor dem milchigen Saft, der alles einfärbt, zu hüten. Ich bürste die erdigen Stangen und schäle sie in einer Schüssel voll Wasser, kann aber keinen Saft erkennen. Der Liebste wird zu Hilfe geholt. Wir rätseln, warum sich die Schreckensgeschichten nicht bewahrheiten und sich die Schwarzwurzel so flink putzen lässt.
Außen pfui, innen hui
Nach dem Kochen wird eine Wurzel verkostet und siehe da: Wer hätte gedacht, dass sich der Ausdruck „außen pfui und innen hui“in der Küche so bewahrheiten kann? Sie schmeckt wunderbar nussig und zart, ich kann mir so viele Speisen mit ihr vorstellen. „Vielleicht eine samtige Suppe mit Haselnuss-Dukkha oder eine raffinierte Quiche? Heute Abend will ich aber eine Gemüse-Bowl machen, mit cremigem Karfiolpüree und knusprigen Mohnbröseln. Und frühlingsgrüne Kohlsprossen werde ich in Rosenblüten entblättern, dazu die überraschenden Schwarzwurzeln, hmmm wird das gut!“, komme ich ins Schwärmen. „Vom hässlichen Entlein zum schneeweißen Schwan, das ist mal eine gelungene Verwandlung“, meint da der Liebste schmunzelnd. Also, los, ab in die Küche, auf dass eure Küchenmärchen wahr werden!