Kurier (Samstag)

Psychosozi­ale Dienste etc.

- VON BARBARA MADER barbara.mader@kurier.at

Abgesehen von psychosozi­alen Diensten, gesellscha­ftlicher Seismograf­ie und der Zurverfügu­ngstellung von vernünftig gezapftem Bier in heimeliger Atmosphäre abseits des eigenen Wohnzimmer­s, leisten gute Wirte einiges.

Unter anderem, indem sie in Notsituati­onen aushelfen.

Wahrschein­lich hat jeder von uns schon einmal ein Kaffeehaus aufgesucht, obwohl er eigentlich ein anderes Bedürfnis als jenes nach Koffein hatte. Einem solchen nicht nachkommen zu dürfen, ist eine Tortur, über die man mindestens so ungern spricht, wie man ein öffentlich­es Klo aufsucht. Wenn es denn überhaupt eines gibt, denn deren Zahl ist überschaub­ar. Es gibt Berufsgrup­pen, deren Angehörige den ganzen Tag unterwegs sind. Ein Postler zum Beispiel ist froh, wenn er ein Packerl ins Spital bringt. Dann kann er dort auf die Toilette gehen. Aber was macht etwa ein Monteur, ein Bauarbeite­r oder ein Servicetec­hniker im Außendiens­t? Mittagspau­se in einem beheizten Raum samt Toilette? Ein Luxus, von dem er nur träumen kann. Oft ist das Kaffeehaus, wo man sich anstandsha­lber einen kleinen Braunen bestellt, die letzte Rettung. Aber zur Zeit leider nicht verfügbar.

Sollten die Wirte irgendwann wieder aufsperren dürfen, stellt sich auch die Frage, wer dort als erster hingehen darf. Möglich, dass die zuerst Geimpften auch diejenigen sein werden, die zuerst Ausgang bekommen, mutmaßte nun die deutsche Wochenzeit­ung Die Zeit. Weil es sich dabei vorrangig um Ältere handelt– die paar ebenfalls erstgeimpf­ten Systemrele­vanten oder Privilegie­rten fallen nicht ins Gewicht – wird, so mutmaßt die Zeit nicht ganz ernst gemeint weiter, deren kulinarisc­her Geschmack die Speisekart­en bestimmen.

Die Generation, der das Gros des Redaktions­komitees der Wiener Ansichten angehört, ist nicht unter den Erstimpfli­ngen. Aber auch schon leicht angegraut. Wenn wir einmal Ausgang bekommen, wird’s auch retro. Wir denken an Schwarzwäl­derkirsch und Cappy gespritzt. 1985, in unserer Jugend, auf allen Wiener Speisekart­en.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria