„Wir wollen keine Bilder wie in Holland“
Gerhard Pürstl. In der Bundeshauptstadt ist neuerlich ein Faschingsspaziergang der Corona-Leugner geplant. Wiens Polizeipräsident rechnet mit einigen Hundert Demonstranten. Das bisherige Vorgehen verteidigt er
Gleich der erste Versuch glückte. Aus einer illegalen Demonstration entwickelte sich ein mehrstündiger Sonntagsspaziergang von 10.000 Corona-Leugnern durch die Wiener Innenstadt. Nun soll es dieses Wochenende eine Neuauflage geben. Dieses Mal ist ein Faschingsspaziergang geplant. Wiens Polizeipräsident Gerhard Pürstl nimmt den Aufruf in den sozialen Medien noch gelassen und rechnet nur mit einigen Hundert Demonstranten. Im KURIER-Interview erklärt er, warum sich die Polizei gegen ein gewaltsames Auflösen der illegalen Demonstration entschied.
KURIER: Herr Pürstl, die Polizei hat eine illegale Demonstration toleriert, was nun dazu führt, dass es am Sonntag einen neuerlichen Spaziergang geben soll. War diese Entscheidung rückblickend ein Fehler?
Gerhard Pürstl: Früher sind Menschen von Tür zu Tür gelaufen und haben die Leute zu einer Versammlung eingeladen. Wenn die Versammlung untersagt werden musste, hat der Organisator den Auftrag bekommen, die Versammlung nicht durchzuführen. Das hat so funktioniert. Heute geht das nicht mehr, weil Versammlungen durch den Aufruf in den sozialen Medien Selbstläufer sind. Es gibt keinen Verantwortlichen mehr. Die Menge kommt trotzdem. Daher muss die Behörde vor Ort beurteilen: Ist es eine große Versammlung? Wird dort der Abstand eingehalten oder nicht? Werden Masken getragen oder nicht? Und dann beurteilen, ob das Ganze dem öffentlichen Wohl zuwiderläuft oder nicht. Wenn es zuwiderläuft, dann wird die Versammlung aufgelöst. Das ist nur ein Rechtsakt.
Das heißt noch nicht, dass mit Zwang aufzulösen ist.
Das bedeutet, man löst die Versammlung auf, es hat aber für die Teilnehmer keinerlei Konsequenzen. Wen soll das abschrecken?
Eine Demonstration von einer Größe mit 6.000 bis 10.000 Teilnehmern aufzulösen, funktioniert wirklich nur mit Gewalt. Dann muss man Wasserwerfer, Bergketten, Polizisten, die vordrängen und die Leute wegtreiben, einsetzen. Das kann zu einem Überschwappen der Gewalt führen. Es kommt zu Aufruhr gegen die Polizei. Es kommt zu Körperverletzungen, Autos fangen an zu brennen. Also alles Bilder, die wir jetzt in Holland und in Deutschland gesehen haben. Das wollten wir nicht. Man darf hier nichts über einen Balken biegen. Was wir nicht wollen, ist, dass wir einen Aufruhr in der Stadt haben, dass es zu Straßenschlachten
kommt, dass wir Gewalt gegen Polizisten haben und es dann natürlich die entsprechenden Zwangsmaßnahmen gibt, die folgen müssen. Das wünscht sich niemand. Daher muss man alles vorsichtig beurteilen.
Tatsache ist aber, dass in Innsbruck eine Demonstration gegen die Abschiebung der georgischen Familie
stattgefunden hat. Hier wurden Pfeffersprays eingesetzt. Ist Ihr Tiroler Kollege ein Hardliner im Gegensatz zu Ihnen?
Nein, natürlich nicht. Wir gehen immer nach den rechtlichen Grundsätzen vor. Eines ist natürlich klar, wenn Demonstranten gegen die Polizei Gewalt ausüben, dann wird auch polizeilicher Zwang folgen. Da kann es auch zu Szenen kommen, wo Pfefferspray eingesetzt werden muss, wo es zu Festnahmen im größeren Ausmaß kommt. Aber das ist von der Situation abhängig. Eine Polizei kann nicht mit dem Ziel in die Demonstration gehen, dass die Sache eskaliert.
Auch in Wien gab es Gewalt gegen die Polizei ...
Wir hatten 1.200 Polizisten im Einsatz. Darunter gab es fünf Verletzte. Bei einer Demonstration mit 10.000 Teilnehmern sind verletzte Beamte keine Seltenheit. Es gab insgesamt elf Festnahmen. Aber das ist noch nicht Aufruhr.
Nächste Woche soll der Kommissionsendbericht zur Terrornacht veröffentlicht werden. Schon der Zwischenbericht offenbarte viele Mängel. Würden Sie zurücktreten, wenn die Kommission zum Schluss kommt, der Wiener Verfassungsschutz hat Fehler gemacht?
Der Zwischenbericht sagt, dass es Versäumnisse gab, aber kein Versäumnis war so gewichtet, dass man daraus ableiten hätte können, dass man den Anschlag hätte verhindern können. Die Kritik am Wiener LVT hält sich in diesem Bericht in Grenzen. Die Wiener Polizei hat beim Terroranschlag eine hervorragende Figur gemacht. Wir haben in kürzester Zeit die Lage im Griff gehabt, daher ist die Frage nach persönlichen Konsequenzen für mich unverständlich, weil es einfach nichts gibt, was ich mir vorzuwerfen hätte.