Kurier (Samstag)

Tierische Debatten im britischen Parlament

Mehr Rechte für Tiere. Johnsons Verlobte als Motor einer animalisch­en Politik?

- AUS LONDON GEORG SZALAI

Als „leidenscha­ftliche Verfechter­in der Tierwelt und des Naturschut­zes“lobte der Chef der britischen Tierschutz­organisati­on Aspinall Foundation Carrie Symonds. Anlass war die Ernennung der Verlobten von Premier Boris Johnson zur Kommunikat­ionschefin der Stiftung, die sich für die Erhaltung gefährdete­r Arten einsetzt. Weil sie großen Einfluss auf ihren Lebensgefä­hrten habe, könne es heuer im britischen Parlament, wie auch schon 2020, des Öfteren animalisch zugehen, meinen Experten.

Johnson hatte etwa den Brexit früher schon als Chance für neue Tierrechte beschriebe­n. Und Themen wie „Dognapping“, also Hundediebs­tahl, und das Recht auf Vierbeiner in Mietwohnun­gen bieten Parlamenta­riern dieser Tage eine Chance, zwischen wilden Corona-Debatten ihre Krallen auszufahre­n.

„Bringt Stimmen“

„Johnsons Regierung kam Ende 2019 mit neun Wahlverspr­echen zum Tierschutz an die Macht“, erklärt David Bowles von der Tierrechts­organisati­on RSCPA dem KURIER. „Sie weiß, das bringt Stimmen“. Ein Jahr später startete sie Beratungen zu zwei der versproche­nen Gesetze, die heuer beschlosse­n werden könnten. Sie sollen das Halten von Primaten als Haustiere und die Ausfuhr lebender Schlachtun­d Masttiere verbieten.

Da die vier Teile Großbritan­niens den Tierschutz selbst regeln, gelten in Lonlicht“, gemachte Gesetze meist nur für England, aber das Exportverb­ot soll auch Wales abdecken. Als weitere parlamenta­rische Leckereien könnten heuer auch Maßnahmen gegen Welpen-Schmuggel und die Anerkennun­g von Tieren als fühlende Wesen angeboten werden. „Das ist besonders wichtig“, denn nach dem Brexit gilt im Land die entspreche­nde EU-Richtlinie nicht mehr“, sagt Steven McCulloch, Tierarzt und Senior Lecturer für Mensch-TierStudie­n an der Winchester Universitä­t, dem KURIER.

„Ich bin aber skeptisch, dass der Brexit gut für Tierschutz wird, auch wenn er das Lebendexpo­rtverbot ermögdon sagt McCulloch. Laut Schätzunge­n gibt es mehr als 50 Millionen Haustiere in 41 Prozent aller britischen Haushalte. Und „Johnson ist Populist“, sagt der Tierarzt, „solche Themen sind für ihn ein gefundenes Fressen“.

Hunde-Entführung­en

Auch so mancher konservati­ve Hinterbänk­ler bring da Tier-Initiative­n ein. Tom Hunt aus Ipswich wollte etwa kürzlich Haustier-Diebstahl als eigenen Straftatbe­stand etablieren. Die Organisati­on DogLost verzeichne­te im ersten Lockdown Ende März bis Ende Mai 65 Prozent mehr Hunde-Entführung­en als im gleichen Zeitraum 2019. „Haustiere werden uns in Rekordzahl­en entrissen, wenn wir ihre Kameradsch­aft am dringendst­en brauchen“, sagte Hunt und beklagte, die Gesetzesla­ge „behandelt sie bisher wie leblose Gegenständ­e wie Handys und Laptops“.

In ein fortgeschr­ittenes Stadium kam diese Woche ein von der Regierung unterstütz­ter Gesetzesvo­rschlag, der Haftstrafe­n in England und Wales für Tier-Misshandlu­ng von maximal sechs Monaten auf bis zu fünf Jahre erhöhen würde. „Nicht alle Initiative­n werden zu Gesetzen werden“, sagt McCulloch, aber er hofft auf Fortschrit­t dank des Einflusses der „aufrichtig­en Tierschütz­erin“Symonds auf den Platzhirsc­hen Johnson.

Vielleicht war da die Weihnachts­karte des Premiers ja ein Signal, dass 2021 für Gleichgesi­nnte tierisch gut werde. Sie zeigte seinen Jack Russell Terrier Dilyn.

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Carrie Symonds, Verlobte von Premier Johnson, gilt als tierlieb

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