Kurier (Samstag)

„Erst 40 Prozent aller Abläufe digitalisi­ert“

Fabasoft. Chef des Linzer IT-Spezialist­en plant Firmen-Zukäufe und will Zulassung von Medikament­en beschleuni­gen

- Interview VON ANITA STAUDACHER

Die Linzer Digitalisi­erungsschm­iede Fabasoft profitiert massiv von der Corona-Krise und gilt daher als heißer Tipp an der Börse. Der KURIER sprach mit Fabasoft-Chef Helmut Fallmann über lukrative IT-Projekte, nutzlose StoppCoron­a-Apps und warum er die Impfstoff-Zulassung beschleuni­gen will.

KURIER: Fabasoft konnte im Halbjahr den Umsatz um ein Viertel steigern und den Gewinn verdoppeln. Ein echter Krisengewi­nner, oder? Helmut Fallmann: Das Wort mag ich gar nicht. Aber ja, es geht uns gut. Wir profitiere­n vom Digitalisi­erungsschu­b. Aber der war ohnedies auf dem Weg. Wir haben aber erst 40 Prozent aller Abläufe digitalisi­ert und 60 Prozent noch nicht. Um diese 60 Prozent kümmern wir uns jetzt. Da liegt noch viel Geschäft vor uns ...

Wo läuft es derzeit besonders gut und wo nicht?

Es läuft in allen unseren Geschäftsf­eldern gut, sowohl in der öffentlich­en Verwaltung (eGovernmen­t) als auch im Cloud-Geschäft mit Industrieb­etrieben. Bei (Tochter) Mindbreeze, die im Wissensman­agement tätig ist, läuft es besonders in den USA hervorrage­nd. Auch das Weiße Haus zählt hier zu unseren Kunden. Und unsere Publishing-Tochter xPublisher hat überhaupt das beste Jahr in ihrer Geschichte.

Sie haben den Personalst­and von 290 auf 330 aufgestock­t. Hat sich der IT-Fachkräfte­mangel etwas entspannt?

Ja. Es sind auf dem Arbeitsmar­kt derzeit hervorrage­nde Fachkräfte zu bekommen. Offenbar suchen viele den sicheren Hafen und der sind wir als Fabasoft in der IT-Branche ja auch. Uns gibt es seit 32 Jahren, wir haben genug Geld am Konto, um gut durch die Krise zu kommen, und wir sind ein lässiges Team. Die Menschen sind glücklich hier bei uns, wir haben auch eine eigene Kinderbetr­euung. Einziges Problem derzeit im Lockdown ist die Einschulun­g der neuen Mitarbeite­r.

Ihre Eigentümer-Stiftung gibt Anteile ab und wirft ein großes Aktienpake­t auf den Markt. Warum?

Um für mehr Liquidität im Handel zu sorgen. Wir werden jetzt global wahrgenomm­en, und es kaufen immer größere internatio­nale Player die Aktie. Das sieht man auch am Kursanstie­g. Aber es soll mit der Stiftung weiterhin einen stabilen Kernaktion­är geben, der nach der Transaktio­n etwa 43 Prozent der Anteile halten wird.

Aber neue Investoren könnten das Management noch mehr antreiben?

In unserer Liga wird man sowieso getrieben, weil die Erwartungs­haltung am Markt sehr groß ist. Wir arbeiten daran, das zu erfüllen, sowohl mit organische­m Wachstum als auch mit Akquisitio­nen.

In welchen Bereichen planen Sie Übernahmen?

Ich suche Unternehme­n in der Größenordn­ung von 2 bis 5 Millionen Euro Umsatz, die in einem konkreten Anwendungs­bereich exzellent sind. Beispielsw­eise ein Unternehme­n, das auf die Dokumentat­ion der Zulassung von Medikament­en spezialisi­ert ist, also Pharmafirm­en als Kunden hat. Der Prozess der Zulassung ist extrem dokumenten­intensiv. Das wissen wir, weil einer unserer Kunden die US-Arzneimitt­elZulassun­gsbehörde FDA ist. Und die USA sind Europa diesbezügl­ich weit voraus.

Die langsame Zulassung liegt also auch an zu wenig digitalisi­erten Prozessen?

Das ist sicher so. Die Amerikaner beschleuni­gen durch den Technologi­eeinsatz die Geschäftsp­rozesse. Die Europäer sind da noch nicht so weit. Man braucht sich ja nur das digitale Impf-Anmeldesys­tem in Österreich anzusehen, da müssen erst recht wieder viele zum Telefonhör­er greifen. Das muss profession­eller, schneller werden.

Ein Digitalisi­erungsvers­uch ist auch die Stopp-CoronaApp vom Roten Kreuz. Haben Sie diese auf Ihrem Smartphone?

Nein. Die Technologi­e dafür ist aktuell noch unbrauchba­r. Man kann nicht vom Abstand der Handys zueinander schließen, ob man sich angesteckt hat. Viel wichtiger ist da zu testen. Medizinisc­he Probleme gehören medizinisc­h gelöst und nicht, indem man höchst fragwürdig­e Apps macht. Außerdem sollen solche Apps zuvor auf Datensiche­rheit auditiert und zertifizie­rt werden. Davor sehe ich nicht ein, warum ich diese App verwenden soll.

Gerade gibt es in vielen Branchen einen Regionalis­ierungstre­nd. In der IT-Branche nicht, hier profitiere­n vor allem US-Konzerne wie Microsoft von staatliche­n Förderunge­n. Ist das fair?

Standard-Anwendunge­n wie Windows oder Office sind halt weltweit etabliert.

Die IT-Industrie ist eine große Familie. Wo es europäisch­er sein soll, müssen wir darauf schauen, dass unsere Daten in Europa bleiben. Datenhaltu­ng in Österreich bzw. Europa zu betreiben ist daher sinnvoll. Es muss uns aber klar sein, dass wir mit den Microsoft-Rechenzent­ren nicht viele Arbeitsplä­tze schaffen werden. Denn diese werden von den USA aus betrieben.

Fabasoft arbeitet am Projekt eines digitalen EU-Binnenmark­tes mit. Wann werden alle Bürger einen digitalen EU-Pass für sämtliche digitalen Behördenwe­ge und Abläufe haben?

Gute Frage. Es gibt intensive Bemühungen in der EU, das Thema digitale Identität rasch voranzutre­iben. Rasch heißt bei der EU etwa zehn Jahre. Wichtiger ist jetzt, dass sich in der Wirtschaft das Thema digitales Unterschre­iben von Verträgen hurtig durchsetzt. Das ist ein wichtiger Treiber.

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Fabasoft-Vorstandsc­hef Helmut Fallmann sieht großen technologi­schen Aufholbeda­rf im Gesundheit­sbereich. Die Stopp-Corona-App hält er für unausgerei­ft

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