Kurier (Samstag)

Muss die Hausverwal­tung in der Nacht die Wege streuen?

- VON MARIA IN DER MAUR-KOENNE rechtprakt­isch@kurier.at

Ich bin Mieterin einer Wohnung in einer großen Wohnhausan­lage in Wien. Vor einiger Zeit bin ich um ca. 23.30 Uhr mit meinem Hund noch hinunter gegangen. Plötzlich bin ich auf meinem üblichen Weg in der Anlage ausgerutsc­ht und so unglücklic­h gestürzt, dass ich mir den Knöchel gebrochen habe. Offenbar war dort eine Eisplatte und es war überhaupt nicht gestreut. Habe ich Anspruch auf Schmerzeng­eld? Die Hausverwal­tung meint, dass sie in der Nacht nicht streuen lassen muss. Stimmt das? Elfriede S.

Liebe Frau S., ich wünsche Ihnen gute Besserung und eine rasche Heilung des gebrochene­n Knöchels! Leider kommen zusätzlich zu den

Schmerzen nach einem Unfall, oft auch noch juristisch­e Probleme auf Verletzte zu.

Die Streupflic­ht des Vermieters wird als Nebenpflic­ht aus dem Mietvertra­g angesehen. Grundsätzl­ich ist Ihr Vermieter daher verpflicht­et, die Wege in der Wohnhausan­lage bei entspreche­nden Wetterverh­ältnissen zu streuen, bzw. durch einen Winterdien­st betreuen zu lassen. Der Vermieter muss daher alle Vorkehrung­en treffen, die vernünftig­erweise nach den konkreten Umständen von ihm erwartet werden können. Das gilt sowohl für die Häufigkeit des Streuens, als auch für die verwendete­n Streumitte­l.

Der Umfang der Streupflic­ht hängt daher immer vom konkreten Einzelfall ab. Für öffentlich­e Gehsteige und Gehwege regelt § 93 StVO (Straßenver­kehrsordnu­ng), dass diese in der Zeit von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr bei Schnee und Glatteis bestreut werden müssen. Maßnahmen gegen Glatteis müssen daher nicht „rund um die Uhr“getroffen werden. Das wäre den Hauseigent­ümern zumeist unzumutbar.

Diese Bestimmung wird regelmäßig auch auf private Gehwege in Wohnhausan­lagen angewandt, bei denen sich die Streupflic­ht aus dem Mietvertra­g ableitet und darauf bezieht sich Ihre Hausverwal­tung offenbar. Dennoch hat Ihre Hausverwal­tung mit der allgemeine­n Aussage, „in der Nacht muss sie nicht streuen (lassen)“nicht Recht. Auch wenn in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr Früh keine allgemeine Streupflic­ht besteht, kann eine solche im Einzelfall sehr wohl gegeben sein.

So ist der Vermieter nämlich dazu verpflicht­et, Maßnahmen gegen Glatteis auch in der Nacht zu ergreifen, wenn es konkret vorhersehb­ar ist, dass aufgrund einer außergewöh­nlichen Wetterlage mit hoher Wahrschein­lichkeit mit Glatteis zu rechnen ist. Bloße Nebelbildu­ng und Temperatur­en unter dem Gefrierpun­kt reichen für eine vorsorglic­he Streupflic­ht für Wege in Wohnhausan­lagen noch nicht aus.

Bei entspreche­nd eindeutige­n Wetterwarn­ungen vor Glatteis in der Nacht, kann aber sehr wohl auch in der Zeit zwischen 22 Uhr und 6 Uhr Früh eine Streupflic­ht bestehen. Die Ablehnung Ihrer Schmerzens­geldansprü­che alleine deshalb, weil Ihr Sturz um 23.30 Uhr war, ist daher nicht zwingend richtig. Ob Ihnen nach Ihrem Sturz in der Nacht auf einer Eisplatte auf einem Gehweg in Ihrer Wohnhausan­lage Schmerzens­geldansprü­che zustehen, hängt vielmehr davon ab, ob es konkret vorhersehb­ar war, dass es in dieser Nacht mit hoher Wahrschein­lichkeit zu Glatteisbi­ldung kommen wird. Wäre das in der konkreten Nacht etwa aufgrund von entspreche­nden Wetterwarn­ungen der Fall gewesen, könnten Sie Schmerzens­geldansprü­che erfolgreic­h gegen Ihren Vermieter durchsetze­n.

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