Kurier (Samstag)

Das ungesehene Meisterwer­k

Porträt. Wie die Künstlerin Svenja Deininger darunter litt, dass ihre aktuelle Ausstellun­g im Lockdown verharrte

- VON MICHAEL HUBER

„Ich finde es sehr wichtig, dass eine Ausstellun­g live vor Ort gesehen werden kann“, sagt Svenja Deininger. „Und ich glaube, dass die Lust darauf sehr groß ist.“

Das Werk der Wiener Malerin, die beim Telefonat in ihrem Atelier in Mailand sitzt, ist vielleicht noch mehr auf ein direktes Erleben hin angelegt als das vieler Kollegen. Acht bis zehn Monate, sagt Deininger, arbeite sie an der Vorbereitu­ng einer Einzelauss­tellung. Ihre Bilder – teils abstrakte Werke, teils solche mit erkennbare­n Motiven, in großen wie in kleinen Formaten – malt sie dabei stets im Hinblick auf das Gesamtbild in einem spezifisch­en Raum.

Nach einer Schau im Privatmuse­um des Max-MaraGründe­rs Achille Maramotti nahe Bologna ist die aktuelle Ausstellun­g mit dem Titel „Today, One Month Ago“bei Deiningers Wiener Stammgaler­ie Martin Janda schon die zweite Solo-Präsentati­on, die Lockdown-bedingt einem breiteren Publikum vorenthalt­en wurde. „Dabei ist mir diese Ausstellun­g besonders wichtig“, sagt die Künstlerin, „mit ihr bin ich wirklich hundertpro­zentig zufrieden.“Nun wurde die Schau bis 20. 2. verlängert, am Dienstag sperrt die Galerie wieder auf.

Korrespond­enzen

Wenngleich Deiningers Arbeiten bei oberflächl­icher Betrachtun­g schlicht als abstrakte Kompositio­nen durchgehen können, schließen sie auf den zweiten Blick einen Kosmos auf, der tief in die Geschichte und Gegenwart der Malerei hineinreic­ht. Auf der Ebene der Motive balanciere­n die Bilder geschickt zwischen Erkennbare­m und Nicht-Erkennbare­m, lassen an Körperform­en, Gesichter und Gefäße denken. Zugleich spalten sie das moderne Verständni­s, dass ein Gemälde, unabhängig davon, was es darstellt, am Ende doch Farbe auf einer flachen Leinwand sei, in ein Kaleidosko­p an Wenns und Abers auf: In einem Bild Deiningers erkennt man geschliffe­ne und gemalte Flächen, fast rohe Leinwand und vergipste Flächen, reliefarti­ge Strukturen und Farbeffekt­e, die sich nur dadurch ergeben, dass hinter einem Oberfläche­n-Braun etwa ein Rot lauert. Nirgends aber ist ein wild gesetzter Pinselstri­ch: Da überrascht es zu hören, dass Deininger ihre Arbeiten mitunter als „improvisie­rt“bezeichnet und nie Vorzeichnu­ngen anfertigt.

Akribie und Intuition

„Intuition und Konzeption ist immer gleichzeit­ig da“, präzisiert die Künstlerin. Oft hätten schon Zufälle ihre Werke auf neue Bahnen gebracht, oft „müssen die Bilder auch genauso werden, wie ich sie am Anfang haben wollte“, sagt sie. Dass sie ihre bildnerisc­hen Vorstellun­gen irgendwann auch nur mit ein paar lockeren Strichen realisiere­n könnte, will Deininger nicht ausschließ­en. Ihr bisheriger Weg führte sie aber in eine akribische Arbeitswei­se und eine fast obsessive Beschäftig­ung mit Materialie­n: Gewisse Grundierun­gen müssen aus den USA kommen, die Tusche aus Deutschlan­d.

Dass Deininger im Frühjahrs-Lockdown 2020 ihre Zelte in Wien abbrach und ihre Lebensmitt­elpunkte auf Berlin und Mailand aufteilte, hat ihre Arbeit nicht unbedingt einfacher gemacht.

Mehr als einzelne Bilder

In den Monaten der Ausstellun­gsvorberei­tung reifen Deiningers Werke gleichsam, unterschie­dliche Bilder lernen voneinande­r. Nie aber macht die Aussage am Rand eines einzelnen Bildes halt: Oft vergleicht die Künstlerin ihre Werke mit Worten, Ausstellun­gen mit Sätzen – Formate, Bildabfolg­en, räumliche Trennungen erfüllen allesamt einen Zweck.

In einer Ausstellun­g geht es oft um bewusste Kontraste und Widersprüc­he. „Ich gebe keine Bilder aus der Hand, die nicht irgendwann einmal eine Funktion gehabt haben“, sagt sie.

Es gibt allerdings nicht wenige Sammler, die Deininger ihre Bilder gern aus der Hand reißen würden: Ihr Stern am Markt ist in den vergangene­n Jahren kontinuier­lich gestiegen, nicht nur in Italien und Österreich, auch in den USA, wo die nächste Solo-Schau Deiningers im Herbst ansteht.

Die Ausstellun­g in Deiningers Wiener Galerie – mit Werkpreise­n zwischen 11.000 € und 76.000 € – war schon bei Eröffnung ausverkauf­t und folglich eine ökonomisch willkommen­e Krisenlind­erung. Für die Künstlerin ist der Erfolg trotzdem getrübt, solange ihre Schau nicht in der intendiert­en Gesamtheit gesehen wird: „Ich freue mich wirklich über jede einzelne Person, die kommt“, sagt sie.

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Das Ensemble zählt: Die Ausstellun­g „Today, One Month Ago“in der Galerie Martin Janda wurde bis 20. Februar verlängert
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Svenja Deininger, 1974 in Wien geboren, lebt und arbeitet heute vorrangig in Mailand und in Berlin

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