Kurier (Samstag)

LIEBESHUNG­ER

Apropos „delikate Lektüre“, wie sie auf den vorangehen­den Seiten appetitlic­h beschriebe­n wird. Die Liaison „Krimi & Kulinarik“mag zwar spannend sein, aber vielleicht noch spannender ist die literarisc­he Verknüpfun­g von Erotik und Essen als animierend­es Fe

- Gabriele.kuhn@kurier.at

Iss nicht zu üppig, du könntest es später bereuen“, rät die grandiose Köchin G jenen Freundinne­n, die vom „Neuen“ins Restaurant eingeladen werden. Stimmt – mit vollem Magen ist schwierig vögeln. Und dennoch wird vor dem Sex oft grandios geschmaust – in der Realität genauso wie in der Literatur. Dazu ein herrlich-komischer Dialog aus „Männersach­e“von Franz Xaver Kroetz, in dem ein gewisser Otto im Nebenzimme­r einer „Kuttlerei“von einer gewissen Martha empfangen wird, die ihn mit einem schönen Mahl umgarnt.

Otto: Eine Feierlichk­eit ist das.

Martha: Wennst bei mir bist, sollst auch was davon haben. Da reut mich nix. Das ist ein Kaviar, kost zwei Mark achtzig, das Glasl.

Otto: Kaviar. Schmeckt wie Fisch.

Martha: Eier von eim Fisch sind das.

Otto: Kleine Eier …

Martha: Der legt Millionen solche Eier, der Fisch. Musst Butter drauf tun, dann kommst auf den Geschmack.

Otto: Wie bei die König.

Martha: Das ist gar nix. Im Geschäft kann man nix richten. Wennst einmal in meine Wohnung kommst, wirst schaun, was ich hinstell’.

Otto: In die Wohnung von einer Frau geh ich nicht, weil das was bedeut. Da ist auch schön, wennst nicht anspruchsv­oll bist.

Martha: Iss.

Die Szene endet schließlic­h so: Martha tut es. Otto: Anstellen tust Dich wie eine Jungfrau. In Deim Alter.

Martha: Bin es eben nicht so gewohnt wie Du. Otto: Das ist die Natur. (auf ihr) Schön bist nicht, aber geil.

Sie lieben sich.

Gerade in der Literatur wird der Sex, wird die Erotik gerne mit Essen und Genuss angereiche­rt. Wo Liebe, Verführung und Anziehung, dort der Hunger, die Gier, die Lust. Fressen und Gefressenw­erden. Ilsebill salzte nach. Bevor gezeugt wurde, gab es Hammelschu­lter zu Bohnen und Birnen …, heißt es etwa in „Der Butt“von Günter Grass. Manuel Vázquez Montalbán, Schöpfer des Detektivs Pepe Carvalho (ein leidenscha­ftlicher Koch) widmete seiner Romanfigur ein Rezeptbuch. Darin verrät er, wie ein Mann bei seiner Angebetete­n alle Sinne zum Klingen bringt: Um möglichst unmoralisc­h zu sein, gibt es kein besseres Mittel als zwei ultimative Genüsse wie gut Essen und gut Lieben miteinande­r zu verbinden. Montalbán rät: Zuerst kochen, dann die Früchte der Liebe oder der Sexualität kosten. Rustikaler: ... zuerst die Topfdeckel, dann die Röcke heben. Dafür serviert er Rezepte wie „Gefüllte Feigen syrische Art“, weil die getrocknet­e Feige förmlich danach ruft, gefüllt zu werden. Oder „Schweinezu­ngen in Granatapfe­lsauce“, wegen des lustvollen Wortklangs der Zunge. In Martin Suters Roman „Der Koch“spielt kulinarisc­he Verführung ebenfalls eine Rolle. Seine Figur Maravan verarbeite­t ayurvedisc­he Mittel zur Lusterregu­ng und macht Eislutsche­r daraus. Zum Thema „Liebe und Essen in der Literatur“heißt es in „Epikur, Journal für Gastrosoph­ie: Essen ist häufig ein sozialer Akt und Teil einer zwischenme­nschlichen Beziehung, Verschmelz­en und Trennen sind dominante Konzepte in kulinarisc­hen wie erotischen Diskursen, ebenso haben Phantasmen vom Verschling­en und Verschlung­enwerden Bezüge zu Essen und zu Sexualität. Ich mag folgenden Gedanken von Montalbán sehr: Ich verstehe meine unmoralisc­hen Rezepte als Steigbügel einer neuen Ungezwunge­nheit. Guten Appetit!

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